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Vor 425 Jahren geboren
Der Kupferstecher und Verleger Matthäus Merian

Die Kupferstiche von Matthäus Merian zeigen deutsche Städte, wie sie vor dem Dreißigjährigen Krieg aussahen. Mit ihnen wurde der Kupferstecher und Verleger berühmt. Er ist es bis heute. Dazu haben besonders seine zwei Hauptwerke beigetragen, mit denen er zum Chronist seiner Zeit wurde.

Von Ulrike Rückert | 22.09.2018
    Der Kupferstich "München, Marienplatz. “Der Marckt zu München”" von Matthäus Merian d. Ä. (1593– - 1650). Aus: Topographia Bavariae. Spätere Kolorierung.
    Eine versunkene Welt - lebendig und detailreich überliefert von Matthäus Merian, hier München im 17. Jahrhundert (picture alliance / akg-images)
    "Die große Foliobibel, mit Kupfern von Merian, ward häufig von uns durchblättert; Gottfrieds 'Chronik', mit Kupfern desselben Meisters, belehrte uns von den merkwürdigsten Fällen der Weltgeschichte."
    Das erzählt Goethe in "Dichtung und Wahrheit" aus seiner Kindheit. Die üppig illustrierten Bände aus dem Verlag von Matthäus Merian gehörten viele Generationen lang zur Grundausstattung von Bücherschränken und Bibliotheken. Merians Kupferstiche waren allbekannt.
    "In dieser Ätzkunst hat an Vielfältigkeit der Werke Matthäus Merian alle anderen weit übertroffen. Wer aber alle Werke dieses Künstlers beschreiben wollte, der würde ein großes eigenes Buch dazu brauchen, sodass unser Merian billig eine Zierde und Leuchte aller deutschen Künstler genannt werden kann."
    Hochzeit mit der Tochter des Verlegers
    So pries ihn ein Zeitgenosse. Vor allem für seine Städteporträts ist Matthäus Merian bis heute berühmt. Geboren wurde er am 22. September 1593 in Basel. Nach der Kupferstecherlehre arbeitete er in Straßburg, Paris und zuletzt in Frankfurt bei einem Verleger, dessen Tochter er heiratete. Für einige Jahre kehrte er nach Basel zurück, doch nach dem Tod seines Schwiegervaters übernahm er den Verlag. Frankfurt war ein Mekka für Büchermacher und -liebhaber.
    "Ich ging in die Buchgasse, wo ich eine unendliche Fülle von Büchern sah, die ich sehr bewunderte. Diese Gasse übertraf alles, was ich auf meinen Reisen gesehen hatte. Auch ist sie nicht nur berühmt für den Verkauf von Büchern, und zwar aus allen Künsten und Fächern, sondern ebenso für das Drucken derselben."
    Im Zentrum für den Büchermarkt
    Schwärmte ein englischer Reisender. Zur Buchmesse kamen Händler, Verleger, Bibliothekare und Gelehrte aus ganz Europa. Merian gab Bücher über Medizin, Alchemie und Gartenbau, Falkenjagd und Mühlentechnik heraus, Geschichtswerke und Beschreibungen ferner Länder, alle opulent bebildert.
    "Auch ist das ganze Werk zum größeren Vergnügen mit schönen Kupferstücken geziert, welche hoffentlich dem Leser nicht allein gefallen, sondern ihn auch bewegen, die in den Bildwerken angedeuteten Geschichten nachzuschlagen."
    Erklärte Merian zu der populären Weltgeschichte, die auch bei Goethes im Schrank stand. Über zweihundert Radierungen zu biblischen Geschichten von seiner Hand erschienen bei Merian als Bildband und in einem anderen Verlag in einer kompletten Bibelausgabe - bekannt als "Merian-Bibel".
    Von der Zerstörung des Dreißigjährigen Krieges blieb Frankfurt verschont, nicht aber vom Elend. Das Umland war von durchziehenden Truppen verwüstet, die Stadt von Flüchtlingen überfüllt. Die Pest wütete und die Hungersnot wurde so groß, dass man Katzen, Hunde und Schlimmeres aß. Von Merians ältestem Sohn wird berichtet, man habe ihn eines Abends auf der Straße ...
    " … mit Anwurf eines Stricks um den Hals erwürgen und zur Schlachtbank liefern wollen, dessen sich etliche hungrige Bauern unterstanden, denen er aber glücklich entronnen."
    Chronist des Dreißigjährigen Krieges
    Für Matthäus Merian gab der Krieg den Anstoß zu zwei großen Buchprojekten. Das "Theatrum Europaeum" ist eine Zeitgeschichte in Fortsetzungen.
    "Teils aus eigener Erfahrung, meistenteils aber aus übersandten glaubwürdigen Schriften und Dokumenten ganz unparteiisch und ohne Affekte beschrieben."
    Jeder Band schilderte ausführlich die Ereignisse der unmittelbar zurückliegenden Jahre. Das war in den verwirrenden Zeitläuften ein großer Erfolg. Merians Nachfolger führten die Reihe bis ins nächste Jahrhundert fort - heute ist sie eine Fundgrube für Historiker. Sein populärstes Werk ist die "Topographia Germaniae": Beschreibungen deutscher Städte in sechzehn Bänden, mit Bildern in Merians realistischem, detailreichen Stil. Viele hat er selbst radiert. Sie dokumentieren eine Vorkriegswelt, die Zerstörung ist ausgeblendet. Das war Programm: Merian wollte die Erinnerung wachhalten und an künftige Generationen appellieren.
    " … was noch steht, zu erhalten, was gefallen, wieder aufzurichten, und was verloren, wiederzubringen."
    Matthäus Merian starb zwei Jahre nach dem Friedensschluss. Den Verlag führten zwei Söhne weiter, Caspar und Matthäus, der ein gefragter Porträtmaler war. Das berühmteste seiner Kinder ist aber eine Tochter, die Kupferstecherin und Insektenforscherin Maria Sibylla.