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Vor 50 Jahren
Als sich in Griechenland das Militär an die Macht putschte

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann in Griechenland ein Bürgerkrieg zwischen linken Partisanen und rechten Militärs, der mit einem Sieg des Heeres endete. Als Mitte der 60er-Jahre ein liberaler Premier dessen Einfluss beschneiden wollte, gingen die Militärs zum Gegenangriff über: Am 21. April 1967 putschten sich die "Obristen" an die Macht.

Von Matthias Bertsch | 21.04.2017
    Unbeeindruckt von den Panzern geht im April 1967 ein Straßenkehrer im Stadion von Athen seiner Arbeit nach.
    Militärputsch in Griechenland 1967 - am 21.04.1967 übernahmen rechtsextreme Offiziere die Macht und errichteten eine Militärdiktatur. (dpa)
    "Vor dem Eingang zum Stadion sind sechs schwere Tanks postiert. Das große Sportfeld ist von schwer bewaffneten Soldaten abgeriegelt, denn hier werden die ständig in Jeeps eingelieferten politischen Häftlinge festgehalten, bis sie nach Einbruch der Dunkelheit auf griechische Inseln in der Ägäis verbracht werden, wo eiligst Gefangenenlager improvisiert wurden."
    So schilderte ein Reporter des Bayrischen Rundfunks Ende April 1967 die Situation in Athen. In den frühen Morgenstunden des 21. April hatte die mittlere Riege des Militärs, die sogenannten Obristen, strategisch wichtige Orte Griechenlands unter ihre Kontrolle gebracht. Wenige Tage später trat Oberst Georgios Papadopoulos, Mitglied der Militär-Junta, vor die Presse.
    "Wir handelten ohne Wissen des Königs, aber er wurde so schnell wie möglich nach der Tat informiert - noch im Verlauf der Nacht. Unsere jetzige Beziehung zum ihm können Sie aus den Bildern in der Presse ersehen, auf denen er inmitten seines Ministerrates abgebildet ist."
    Vom König legitimiert
    Tatsächlich hatte König Konstantin bereits in der Nacht von dem Staatsstreich erfahren, doch nicht, weil er informiert, sondern weil er verhaftet wurde. Unter dem Druck des Militärs erklärte er sich bereit, die Junta-Regierung zu vereidigen. Ein fatales Signal, vor allem, da er kurz darauf eine Radioansprache hielt, mit der er den Putsch legitimierte, so der Griechenland-Experte der Universität München, Ioannis Zelepos.
    "Das war ein ganz entscheidender Punkt, sodass die griechischen Zeitgenossen, die das hörten, sagten: Ach so ist das, der König ist ja auch dafür, dann hat es wohl seine Richtigkeit. Hätte der König sich damals geweigert, wäre dieser Putsch mit großer Wahrscheinlichkeit einfach in sich zusammengebrochen."
    Nach dem Ende der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg hatten sich rechte Militärs und linke Partisanen in Griechenland blutige Kämpfe geliefert. Der Bürgerkrieg endete mit einem Sieg des Militärs, doch die Spaltung blieb.
    "Und diese Spaltung der Gesellschaft in rechts und links, die prägte ganz massiv eigentlich die Zeit nach dem Kriegsende, also es gab in Griechenland insofern keine Stunde Null, wie man hier sagt in Deutschland, 1945, Stunde Null, sondern das ist eigentlich ein Kontinuum bis zur Militärdiktatur."
    Politische Stagnation
    Das änderte sich auch nicht, als 1963 Georgios Papandreou Premierminister wurde. Er versuchte mit vorsichtigen Reformen, den Einfluss des Militärs zurückzudrängen, doch nach einem Streit mit seinem Verteidigungsminister trat er zurück – in der Hoffnung, der König würde Neuwahlen ausschreiben. Doch statt Neuwahlen kam es zu einer politischen Stagnation.
    "Warum wurden keine Neuwahlen ausgeschrieben? Nun, weil der König und die Kreise, die ihn unterstützten, zu Recht wohl befürchteten, dass dann politische Kräfte an die Macht kommen, die nicht in ihrem Sinne waren, das heißt, dass also eigentlich noch mal das Mandat von Papandreou gestärkt werden würde und möglicherweise auch die Linkspartei noch stärker werden würde. Es waren also diese Machtspiele, die eigentlich die Institution der parlamentarischen Demokratie so unterhöhlt haben, dass die Obristen dann also relativ leichtes Spiel hatten auch."
    Nach sieben Jahren erklärt die Junta den Rücktritt
    Nach dem Putsch setzte eine Repressionswelle gegen alle potenziellen Oppositionellen ein. Politiker, Gewerkschafter und Intellektuelle wurden zu Tausenden verhaftet, auf Gefängnisinseln interniert und gefoltert. Das westliche Ausland reagierte widersprüchlich: Griechenland wurde aus dem Europarat ausgeschlossen und vor dem europäischen Menschengerichtshof in Straßburg angeklagt, aber das Waffenembargo, das die USA nach dem Militärputsch verhängten, wurde bald wieder aufgehoben, nachdem die Junta den Verbündeten eine Militärbasis zur Verfügung stellte. Im Land selbst wurde der Widerstand zunächst durch eine großzügige Verschuldungspolitik des Regimes klein gehalten, doch seit Anfang der 70er Jahre nahm der Protest immer mehr zu, vor allem unter den Studenten.
    "Das findet seinen Höhepunkt 1973 mit dem Polytechnikum, also der technischen Hochschule im Zentrum von Athen, das besetzt wurde, und das dann die Obristen blutig, diese Besetzung, niederschlugen mit Einsatz von Panzern, und damit war eigentlich schon der moralische Todesstoß für dieses Regime verbunden, den letzten Stoß gab allerdings dann ein von der Junta lancierter Putsch auf Zypern im Juli 1974, der dann zur Invasion durch die Türkei und die Teilung der Insel eigentlich führte."
    Am 23. Juli 1974, nach sieben Jahren Diktatur, erklärte die Junta ihren Rücktritt. Bereits am nächsten Tag übernahm eine zivile Regierung die Amtsgeschäfte und entließ sofort alle politischen Gefangenen. Die Führer des Militärputsches wurden ein Jahr später wegen Hochverrats zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.