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Vor 50 Jahren
Die Anrede "Fräulein" wurde abgeschafft

Diskussionen um Gendersternchen und Sprachrassismus haben zu neuen Sprach- und Schreibregelungen in Medien und Amtsdeutsch geführt, die teils noch umstritten sind. Als vor 50 Jahren die Anrede "Fräulein" aus dem offiziellen Deutsch verbannt wurde, ging das schnell - dank 68er-Revolte und neuer Frauenbewegung.

Von Beatrix Novy | 16.02.2021
    Archivbild: zwei Frauen sitzen in einem Büro, eine telefoniert, die andere tippt auf einer Schreibmaschine
    "Fräulein xy... bitte zum Diktat!" Es dauerte bis zum 16. Februar 1971, bis das Wort im Amtsverkehr endgültig getilgt wurde (Mary Evans Picture Library/SPR)
    Signorina, Señorita, Mademoiselle - sie klingen so gut, die Diminutive erotischer junger Weiblichkeit, die übersetzt immer dasselbe bedeuten: kleine Frau oder kleine Dame. Zu Deutsch Fräu-lein. Das Gouvernante "Fräulein Rottenmeier" erscheint dahinter, oder das ausgestorbene Fräulein von Stand, dem diese Bezeichnung einst allein zukam, oder die Stenotypistin aus Erich Kästners "Chor der Fräuleins". Das Fräulein - ein Neutrum, dazu verkleinert. Man muss sich nicht lange fragen, warum "Männlein" keine Anredeform geworden ist.

    "Die Doppelanrede Frau - Fräulein ist nichts anderes als die offizielle Einteilung und Wertung des ganzen weiblichen Geschlechts nach seiner erklärten Beziehung zum Manne. Der Personenstand ist beim Manne Privatangelegenheit, bei der Frau aber Gegenstand öffentlichen Interesses."

    Ein Plädoyer für die Abschaffung

    Dieses Plädoyer für die Abschaffung des "Fräuleins" schrieb 1952 eine Leserin des CDU-Parteiblatts "Union in Deutschland". Von da an dauerte es nur noch knapp 20 Jahre, bis das Unwort im Amtsverkehr endgültig getilgt wurde. Bekannt gemacht wurde das am 16. Februar 1971, nach mehr als 100 Jahren Unmut. Eine Etappe in diesem Sprachkampf war die Rede der FDP-Abgeordneten Elisabeth Lüders, die 1954 wieder einmal versuchte, ihr Publikum im Plenarsaal für das Thema zu interessieren.




    Genehmigung nur als "königliche Gunstbezeigung"

    "Die Forderungen der Frauen dazu flogen, wie es damals üblich war, in die ministeriellen Papierkörbe. Damals wurde unsere Forderung auf Genehmigung des Titels Frau für erwachsene weibliche Personen mit der Begründung abgelehnt, eine solche Genehmigung könne nur als "königliche Gunstbezeigung" gegeben werden."
    Das Protokoll verzeichnet "Heiterkeit" im Saal, wo man sich überhaupt köstlich zu amüsierten schien. 1919 nahm die Weimarer Republik das Thema schon ernster und verfügte: "Frau" sei keine Personenstandsbezeichnung. Also durften sich auch Unverheiratete so nennen - im nichtbehördlichen Alltag. Der NS-Staat gab sich nach und nach toleranter, der arische Zuchtgedanke sollte am Ehestand nicht scheitern. Als amtliche Bezeichnung aber blieb das Fräulein eisern erhalten. Bis die 1969 geschmiedete sozialliberale Koalition daranging, alte Zöpfe abzuschneiden. In der DDR hatte man's lässig genommen und 1951 die Anrede "Frau" allen erlaubt, die sie wollten. Bis zur Wende blieb das Fräulein in Gebrauch, dafür sparte man sich die weibliche Endung: alle waren, ob Frau oder Mann, Ingenieur, Journalist und sogar Amtmann.

    Frech-freie Auffassung bis "Fräuleinwunder"

    In der Bundesrepublik kam die Abschaffung des "Fräuleins" mit der 68er Frauenbewegung; eine erste Andeutung gendergerechter Sprachregelung - noch ganz ohne Zumutungen fürs Sprachgefühl. Die Neuerung setzte sich überraschend schnell durch, die sprichwörtlichen Fräuleins "vom Amt" oder "zum Diktat" wurden nostalgische Floskeln. Es gab also auch Verlustgefühle.

    "Ich darf allerdings sagen, dass es immer Frauen gegeben hat und wahrscheinlich ebenso in Zukunft geben wird, die auch in vorgeschrittenem Alter wünschen, Fräulein genannt zu werden." Das hatte Elisabeth Lüders 1954 spöttisch bemerkt. Eine frech-freie Auffassung vom Fräulein war aber schon dabei, die Konnotation des Wortes zu verändern.
    Das begann mit den begeisterten Erinnerungen amerikanischer Besatzungssoldaten und ging weiter mit dem "Fräuleinwunder" der 50er-Jahre. Ein paar Jahrzehnte später punkte sich die Mädchenband "Fräulein Wunder" zum Erfolg, trauten manche Frauen sich, abgeklärt auf der Anrede zu bestehen - wie die Schauspielerin Iris Berben -, sahen andere darin einen Ausdruck heiterer Ungebundenheit.
    Denn wie man ein Wort anblickt, so guckt es zurück. Das Fräulein lebt seine ironisierte Existenz munter weiter.