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Vor 50 Jahren gestorben
Die Schauspielerin und Sängerin Judy Garland

In der Rolle der Dorothy in „The Wizard of Oz“ und mit ihrem Song „Somewhere over the rainbow“ eroberte Judy Garland 1939 die Herzen der Zuschauer und erhielt einen Spezial-Oscar. Doch im wirklichen Leben torkelte der Star mit der Jahrhundertstimme durch ein kurzes und unglückliches Leben.

Von Marli Feldvoß | 22.06.2019
    Judy Garland, 1950
    Mit ihrem komplexen Vortrag, der immer auch Ausdruck innerer Verzweiflung war, zog sie ihr Publikum in den Bann - die Sängerin und Schauspielerin Judy Garland (1922-1969) (picture alliance/Everett Collection)
    "The night is bitter / The stars have lost their glitter / The winds grow colder / Suddenly you're older / And all because of the man that got away."
    Der Abschied von einem Mann – einem Liebsten? – ist nicht nur einer der schönsten Songs von Judy Garland, sondern gehört zu den Höhepunkten des Films "A Star Is Born". Wenn die Nächte kälter werden und die Sterne ihren Glanz verlieren, wenn man in die Jahre kommt – das klingt auch wie eine Rückschau auf die eigene Karriere.
    Die Story vom Aufstieg der Sängerin Vicki Lester ähnelt der von Judy Garland aufs Haar – dem Mädchen von nebenan mit der Jahrhundertstimme. Der gefeierte Musikfilm "A Star Is Born" sollte 1954 das große Comeback der Judy Garland einläuten, aber es kam anders. Als sie schon zum zweiten Mal bei der Oscarverleihung übergangen wurde, war die Agonie nicht mehr aufzuhalten.
    Die Inkarnation des amerikanischen Traums
    Judy Garland war sechzehn Jahre alt, als sie mit dem Filmmärchen "The Wizard of Oz" (Der Zauberer von Oz, 1939) über Nacht zum Star wurde. Ein Tornado wirbelt die kleine Dorothy mit den leuchtenden Augen weg aus dem irdischen Kansas, in das Land hinter dem Regenbogen. Dort, in einer anderen, besseren Welt, gilt das Versprechen, dass alle Wünsche und Sehnsüchte in Erfüllung gehen.
    In schlechten Zeiten – auf die Große Depression folgte die Vorkriegszeit – wird das Stimmwunder Judy Garland im blau-weiß karierten Kleidchen und den roten Glitzerschuhen zur Inkarnation des amerikanischen Traums.
    "Somewhere over the rainbow, way up high / There's a land that I've heard of once in a lullaby …"
    Die am 10. Juni 1922 in das Vaudeville-Milieu hineingeborene Frances Ethel Gumm aus Grand Rapids, Minnesota, war ein Naturtalent. Schon bald schickte die ehrgeizige Mutter ihre singfreudige Kleine mit den beiden älteren Schwestern auf Tournee. "Unsere kleine Bucklige", nannte Studiochef Louis B. Mayer das pummelige, nicht besonders hübsche Kind, aber er erkannte sein Stimmpotential und nahm es 1935 unter Vertrag. Wie erwartet lief die Karriere des Kinderstars, der nicht erwachsen werden durfte, auf Hochtouren. Judy sang und tanzte mit Mickey Rooney, Fred Astaire, Gene Kelly. Sie war der Goldesel von MGM.
    "Meet me in St. Louis, meet me at the fair …" – Nach 23 Filmen war das Märchen zu Ende. Auf einen Schlag erfuhr ihre Fangemeinde von der in Wirklichkeit tragischen Künstlerexistenz, die lange vor der Öffentlichkeit abgeschirmt wurde. Von den enormen Gewichtsproblemen, den Schlaf- und Aufputschmitteln, dem halbherzigen Selbstmordversuch.
    Sie starb wie sie lebte
    1950 wurde Garland mit vier Millionen Dollar Schulden von MGM vor die Tür gesetzt. Es war die Quittung für jahrelange Vertragsbrüche, Verspätungen, Drehausfälle. Der erfolgreiche Leinwandstar Judy Garland musste sich neu erfinden, ging auf Tournee, feierte Triumphe im London Palladium und in New York, auch in Radio und Fernsehen.
    "Dear when you smiled at me, I heard a melody / It haunted me from the start …" - Judy Garlands Gesang wurde intimer, emotionaler, auch dramatischer. Mit ihrem komplexen Vortrag, der immer auch Ausdruck innerer Verzweiflung war, zog sie ihr Publikum in Bann. Judy Garland kultivierte keinen Gesangsstil, sondern zielte direkt ins Herz des Publikums.
    Zuletzt war sie kaum wiederzuerkennen, abgemagert, zerstört von einem lebenslangen Drogenmissbrauch. Schon die Kinderstars wurden bei MGM mit Aufputschmitteln und Schlaftabletten gedopt. Judy Garland starb wie sie lebte: am 22. Juni 1969 in einem Londoner Hotelzimmer, an einer Überdosis. Sie wurde 47 Jahre alt. In New York pilgerten 22.000 Fans zu ihrem offenen Sarg, um Abschied zu nehmen. Vom vielleicht größten Gesangstalent des 20. Jahrhunderts.