Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Vor 500 Jahren
Als Cortés in die aztekische Hauptstadt marschierte

Als Hernán Cortés und seine Begleiter am 8. November 1519 die aztekische Hauptstadt Tenochtitlán erreichten, staunten sie über die Schatzkammern voller Gold. Moctezuma II., der Herrscher der Azteken, hieß die Fremdlinge willkommen – und besiegelte damit seinen Untergang.

Von Irene Meichsner | 08.11.2019
    Gemälde von Hernán Cortés
    Hernán Cortés (1485-1547) (Index / Heritage-Images)
    "Wir marschierten wie im Traum durch diese Herrlichkeiten. Bis sich schließlich vor uns die Hauptstadt ausbreitete in all ihrer Pracht. Unser kleiner Haufen von vierhundertfünfzig Mann zog mitten durch dichte Menschenmassen, den Kopf noch voll von den Warnungen unserer vielen indianischen Freunde. Hat es je Männer gegeben, die ein derart kühnes Wagnis auf sich genommen haben?"
    Nein, an Kühnheit war dieser Marsch der spanischen Konquistadoren auf Tenochtitlán, die Hauptstadt der Azteken, in der Tat kaum zu überbieten. Aber Hernán Cortés und seine Begleiter, darunter der Chronist Bernal Díaz del Castillo, wollten dieses Land erobern. Koste es, was es wolle. Im August 1519 war der Trupp ins Landesinnere aufgebrochen. Die Spanier hatten Verbündete unter den mit den Azteken verfeindeten indigenen Volksstämmen gefunden. Sie hatten in Cholula, einer der wichtigsten Städte des aztekischen Imperiums, ein regelrechtes Massaker angerichtet. Und jetzt, am 8. November 1519, standen sie vor den Toren von Tenochtitlán, wo Moctezuma II., der Herrscher der Azteken, sie schon erwartete.
    "Er trug eine Art Halbstiefel, die mit Juwelen besetzt waren und goldene Sohlen hatten. Niemand wagte es, ihm ins Gesicht zu sehen. Alle senkten ihre Augen ehrfurchtsvoll."
    Sah Moctezuma in Cortés wirklich den Gott Quetzalcoatl, der einer Legende zufolge eines Tages auf die Erde zurückkehren sollte? Oder war das - was Historiker für wahrscheinlicher halten - doch eher ein Mythos, mit dem die Spanier sich im Nachhinein zu rechtfertigen versuchten? In einem Bericht an Kaiser Karl V. behauptete Cortés später, Moctezuma habe schon bei der ersten Begegnung zu ihm gesagt:
    "Ihr könnt über das ganze Land, soweit es meinem Willen untersteht, gebieten."
    Aus Gästen wurden Eroberer
    Fest steht, dass Moctezuma den Spaniern kaum Widerstand entgegensetzte. Und dass es letztlich diese Passivität war, die sein Schicksal besiegelte. Inés de Castro, die Direktorin des Stuttgarter Linden-Museums beschreibt den Umgang mit Cortés so:
    "Er hat die Spanier in die Stadt hereinkommen lassen, er hat sie im Palast seines Vaters untergebracht, er hat ihnen Gold geschenkt, Gaben geschenkt, also die Schatzkammern der Azteken geöffnet - und hat eigentlich wenig dafür getan, die Spanier wieder loszuwerden."
    Mit rund 200.000 Einwohnern war Tenochtitlán eine der damals größten Städte der Welt. Auf dem Marktplatz herrschte reges Treiben, wie die Spanier notierten:
    "Da gab es Sisalstoffe, Seile und Strickschuhe. Dort wurden gekochte süße Yucawurzeln und andere aus dieser Pflanze gewonnene Produkte angeboten. Es gab rohe und gegerbte Häute von Tigern, Löwen, Schakalen, Fischottern, Rotwild, wilden Katzen und anderen Raubtieren. Wir fanden aber auch Stände, an denen Bohnen, Salbei und vielerlei andere Gemüse und Gewürze verkauft wurden. Es gab einen besonderen Geflügel- und Wildbretmarkt, einen für die Kuchenbäcker und einen für die Wursthändler. Ich finde kein Ende mit dieser Aufzählung."
    Ein Gemälde, das die Eroberung von Tenochtitlán durch die Armee von Hernán Cortés zeigt.
    Die Eroberung von Tenochtitlán, unbekannter Künstler (imago)
    Bald dämmerte den Spaniern aber auch, dass sie in der Falle saßen. Tenochtitlán lag auf mehreren künstlichen Inseln im Texcoco-See. Die Stadt war von hohen Bergen umgeben und nur über drei Dämme mit dem Festland verbunden, die mit Zugbrücken gesichert waren. Nur wenige Tage nach seiner Ankunft brachte Cortés Moctezuma in seine Gewalt. Fast acht Monate lang hielt er ihn in seinem Quartier gefangen.
    "Er fühlte sich bei mir ganz wohl und verfügte über eine ebenso üppige Bedienung wie in seinem eigenen Palast."
    Doch der Unmut unter den Azteken wuchs. Die Spanier traten immer herrischer auf, griffen auch zu den Waffen. Im Juni 1520 kam es zum Aufstand. Moctezuma wurde getötet. Die Spanier versuchten, bei Nacht und Nebel zu fliehen. Aber die Azteken hatten ihnen aufgelauert. Sie metzelten jeden Spanier und jeden der mit ihnen verbündeten Tlaxcalteken nieder, den sie zu fassen bekamen. Zu den wenigen, die diese "Noche triste", die "Nacht der Tränen", überlebten, gehörte – Hernán Cortés. Er kehrte ein Jahr später mit einem Heer von Verbündeten zurück. Tenochtitlán wurde eingekesselt, die Bevölkerung ausgehungert, die Stadt selber fast vollständig zerstört. Aus den Trümmern bauten die Spanier eine neue Stadt auf: "Ciudad de México" – die heutige Hauptstadt von Mexiko.