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Vor 60 Jahren
Aufhebung der Rassentrennung in Schulen

In Little Rock, Arkansas, sollte am 2. September 1957 die Rassentrennung an Schulen aufgehoben werden. Doch die weiße Bevölkerung rebellierte und wurde von den Soldaten der Nationalgarde unterstützt. Erst drei Wochen später verbrachten neun schwarze Schüler ihren ersten Schultag an der Central High School.

Von Philipp Eins | 02.09.2017
    Little Rock, Arkansas: September 9, 1957. Students at the North Little Rock HIgh School blocked the doors of the school to prevent six Negro students who had been enrolled earlier at the school from entering. The picture shows a white student daring a Negro to try and enter. Just after this picture was taken, the Negroes were shoved down a flight of stairs and out to the sidewalk. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY 990_16_7-HIst-CR_1HR Little Rock Arkansas September 9 1957 Students AT The North Little Rock High School blocked The Doors of The School to Prevent Six Negro Students Who had been earlier AT The School from ENTERING The Picture Shows a White Student Daring a Negro to Try and Enter Just After This Picture what Taken The Were Down a Flight of Stairs and out to The Sidewalk PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY 990_16_7 CR_1HR
    Hunderte weiße Männer und Frauen versperren den neun schwarzen Schülern den Weg (imago stock&people)
    Ein Spätsommertag in Little Rock, Hauptstadt des US-Bundesstaats Arkansas, 1957: Die Ferien sind vorbei, die Kinder und Jugendlichen bereiten sich auf den Schulstart vor. Noch am gleichen Abend rückt auf Befehl von Gouverneur Orval Faubus die Nationalgarde in die Stadt ein und umstellt das Schulgebäude.
    Seit Tagen tobt ein erbitterter Streit um neun Teenager, die fortan die Little Rock Central High School besuchen sollen. Denn die neun Teenager sind Schwarze. Es wäre das erste Mal, dass afroamerikanische Jugendliche in Arkansas zusammen mit weißen Kindern die Schulbank teilen. Obwohl der Supreme Court, der oberste Gerichtshof der USA, drei Jahre zuvor die Rassentrennung an Schulen aufgehoben hat.
    Die weiße Bevölkerung protestiert energisch dagegen. Sie hält an der Segregation, der Rassentrennung, fest. Vor allem die Frauengruppe einer Baptistengemeinde macht seit Tagen gegen gemischte Schulklassen mobil. Gouverneur Orval Faubus stellt sich hinter die weißen Integrationsgegner. In einer Fernsehansprache am Abend des 2. September 1957 erklärt er:
    "Einheiten der Nationalgarde werden mobilisiert, mit dem Ziel, den Frieden und die Ordnung in dieser Ortschaft zu wahren oder wiederherzustellen!"
    Soldaten sahen tatenlos zu
    Als sich die neun afroamerikanischen Jugendlichen am ersten Schultag zur Central High School aufmachen, stellen sie fest, dass die Nationalgarde nicht zu ihrer Sicherheit da ist. Im Gegenteil. Gemeinsam mit hunderten weißen Männern und Frauen versperren die Soldaten ihnen den Weg. Vor dem Schultor findet ein regelrechter Aufruhr statt. Die spätere Journalistin Melba Pattillo Beals ist eine der neun schwarzen Schülerinnen und Schüler. In einem Buch schreibt sie später:
    "Als wir näherkamen, wurden die Zornesausbrüche noch stärker, und wir hörten die Worte deutlicher 'Nigger, geht heim! Nigger, geht dahin, wohin ihr gehört!' (...) Einige der weißen Männer und Frauen, die um uns herumstanden, schienen ängstliche Beobachter. Andere hatten wütende Gesichter mit weit offenen Mündern, aus denen sie ihren Zorn herausschrien. Ihre Worte wurden zunehmend scheußlicher (...)"
    Die Soldaten der Nationalgarde sehen dem Geschehen tatenlos zu. Auch dann noch, als vier weiße Männer Melba und ihre Mutter fortjagen und der Mob dazu aufruft, Melbas Freundin Elizabeth Eckford zu lynchen. Woher kommt dieser Hass? Michaela Hampf, Nordamerika-Historikerin an der Freien Universität Berlin erklärt:
    "Es hatte da zwar ein wirtschaftliches Wachstum gegeben in den Südstaaten, darunter Arkansas, in den 40er-Jahren. Aber die Race Relations waren eigentlich im 19. Jahrhundert stehengeblieben. Es war nach wie vor jeder Bereich des öffentlichen Lebens segregiert."
    Demonstrationen halten mehrere Wochen an
    Die sogenannten Jim-Crow-Gesetze schreiben die Rassentrennung im Süden fest. Weiße und Schwarze benutzten verschiedene öffentliche Einrichtungen. Die Rassentrennung an Schulen zu überwinden, ist für die Bürgerrechtsbewegung besonders wichtig.
    Der weiße Mob aber demonstriert weiter gegen die Integration und Schwarze werden auf offener Straße zusammengeschlagen. Melba, Elisabeth und die anderen sieben schwarzen Schüler von Little Rock müssen in den kommenden Wochen zu Hause bleiben. Als das Bundesbezirksgericht von Little Rock Gouverneur Faubus schließlich zwingt, die Nationalgarde abzuziehen, unternehmen die schwarzen Schüler am 23. September einen weiteren Versuch. Doch die Polizei ist mit der Situation völlig überfordert.
    Einen Tag später, am 24. September, schaltet sich US-Präsident Dwight D. Eisenhower in die Geschehnisse ein. Er stellt sämtliche Polizei- und Armeeeinheiten von Arkansas unter Bundeskommando und entsendet zusätzlich 1000 Mann der US-Luftlandedivision nach Little Rock. In einer Fernsehansprache richtet er sich an die amerikanische Bevölkerung. Michaela Hampf erklärt:
    "Präsident Eisenhower war kein Vorreiter der afroamerikanischen Freiheitskämpfe. Aber er war ja Oberkommandierender der alliierten Streitkräfte, der NATO gewesen, bevor er Präsident wurde. Und er war entschlossen, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die die Bundesregierung hatte in der Durchsetzung eines Supreme Court Urteils."
    Am 25. September 1957 verbringen die neun afroamerikanischen Schüler von Little Rock ihren ersten vollen Schultag an der Central Highschool. Begleitet von je einem Soldaten als Leibwächter. Als "Little Rock Nine" gehen sie später in die Geschichte ein. Zur Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen in den USA ist es jedoch noch ein weiter Weg - bis heute.