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Vor 60 Jahren befreiten die Alliierten Paris von der Nazi-Herrschaft

Nordwestlich von Paris wurde der Übersetzversuch eines feindlichen Bataillons zerschlagen. Mit stärkeren Kräften drang der Feind gestern in den Südteil der Stadt ein, wo während des ganzen Tages Straßenkämpfe im Gange waren. Südlich Paris konnte der Feind zwischen Corbeil und Montceaux an einigen Stellen seine Brückenköpfe ...

Von Wolfgang Stenke | 25.08.2004
    August 1944: Im Théatre du Vieux Colombier wird das Sartre-Stück "Geschlossene Gesellschaft" gegeben, Yves Montand und Edith Piaf singen im Moulin Rouge. Über das Kriegsgeschehen unterrichten sich die Pariser heimlich im Londoner Rundfunk. Aus der Normandie dringen die alliierten Truppen nach Osten vor. Am 15. August landen sie auch an der Mittelmeerküste. Die Wehrmacht leistet hartnäckig Widerstand. – "Geheime Kommandosache" vom 23. August 1944:

    Die Verteidigung des Brückenkopfes Paris ist von entscheidender militärischer und politischer Bedeutung. Der Führer wiederholt daher seinen Befehl, dass Paris im Sperrgürtel vorwärts der Stadt verteidigt werden muss. Paris darf nicht oder nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen.

    Um Kräfte für den Vormarsch zur deutschen Grenze zu sparen, wollte General Eisenhower, der Chef des alliierten Expedtionskorps, Paris zunächst umgehen. De Gaulle – von Briten und Amerikanern als schwacher Juniorpartner wenig geschätzt - opponierte gegen diesen Plan, konnte sich aber nicht durchsetzen. Doch die Widerstandszellen der Résistance in Paris, voran die Kommunisten, machten den Alliierten einen Strich durch die Rechnung. Obwohl de Gaulle sich den Befehl zum Volksaufstand in der Metropole vorbehalten hatte, schlugen sie am 19. August los. Überall in der Stadt wurden deutsche Soldaten angegriffen, Barrikaden errichtet und die Rathäuser der 20 Arrondissements besetzt. Die schlecht bewaffneten Widerständler erzielten zunächst Überraschungserfolge, brauchten aber dringend Hilfe von außen. Obwohl er dem alliierten Oberkommando unterstellt war und von dort keinen Einsatzbefehl bekam, setzte General Leclerc eigenmächtig ein Vorauskommando der 2. französischen Panzerdivision in Marsch.

    Von Süden und Südwesten her rückte die Truppe in zwei Säulen auf Paris vor. Am Abend des 24. August erreichten die ersten Sherman-Panzer der Division Leclerc die Porte d’Italie, um 21.20 Uhr standen sie vor dem Hôtel de Ville, dem Pariser Rathaus. In der Stadt wurde heftig gekämpft. Gegen den Befehl seines "Führers" ließ der "Militärbefehlshaber von Groß-Paris", Generalleutnant Dietrich von Choltitz, weder die Seine-Brücken sprengen noch Fabriken, Wohnquartiere und Versorgungseinrichtungen in die Luft jagen. Am 25. August – heute vor 60 Jahren - schloss er unter Vermittlung des schwedischen Konsuls Nordling einen Waffenstillstand, der Paris vor der Vernichtung bewahrte. Dann ging von Choltitz in Gefangenschaft. Am folgenden Tag, dem 26. August, rollte die Division Leclerc über die Champs Elysées. General de Gaulle zog nach mehr als vier Jahren deutscher Besatzung in Paris ein.

    Jetzt übergibt man dem General einen Säbel, den haben französische Bauern gestiftet. Und neben de Gaulle sieht man den Kommandanten Billotte. Sein Vater ist 1940 gefallen. Und der Sohn befehligt nun die Panzerbrigade der 2. Division.

    Paris brannte nicht, weil von Choltitz Hitlers Vernichtungsbefehl ignorierte. Der General, der schon das russische Sebastopol in Trümmer gelegt hatte, brachte es nicht übers Herz, die Seine-Metropole in Flammen aufgehen zu lassen. Noch fielen vereinzelte Schüsse. Das Volk von Paris rechnete mit realen und vermeintlichen Kollaborateuren ab. - Und Sartre notierte:

    Vier Jahre hindurch hatte uns der Krieg ein unmenschliches Gesicht zugekehrt. Und auf einmal sind die Krieger, die wir heute begrüßen, sind diese Sieger unter der khakifarbenen Uniform Menschen. Sie begrüßen uns mit ihren zu einem V gespreizten Fingern, und wir spüren, dass ihr Herz im selben Rhythmus schlägt wie unseres.

    Frauen, Straßenjungen haben die Lastwagen erstürmt und die Autos fahren hinter den Panzern her; Zivilisten und Soldaten gehören einer einzigen Rasse an: es sind freie Franzosen.