Vor 60 Jahren

Erster Austausch von Spionen im Kalten Krieg

Rechtsanwalt James Donovan (Tom Hanks) soll den Sowjetagenten Rudolf Abel (Mark Rylance) verteidigen.
Der Regisseur Steven Spielberg setzte der Glienicker Brücke 2015 mit "Bridge of Spies" ein filmisches Denkmal. Der Sowjetagent Rudolf Abel wird im Film vom Schauspieler Mark Rylance (links im Bild) verkörpert. © Twentieth Century Fox
Von Matthias Bertsch · 21.06.2017
Dem KGB-Agenten Rudolf Abel drohte die Todesstrafe, als er 1957 in New York verhaftet wurde. Doch sein Anwalt überzeugte den Richter: Abel könnte den USA als "Tauschmaterial" dienen. 1962 war es dann soweit: Es kam zum ersten Agenten-Austausch auf der Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam.
"General Rudolf Ivanowitsch Abel, vermutlich der höchstrangige russische Spion, der je in den Vereinigten Staaten angeklagt worden ist, wurde nach Brooklyn zurückgebracht, um dort vor Gericht gestellt zu werden. Wegen illegaler Einreise verhaftet, sollte er zunächst abgeschoben werden. Doch bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurde eine Spionageausrüstung entdeckt, nun erwartet ihn möglicherweise die Todesstrafe."
Als das US-Fernsehen im August 1957 über den bevorstehenden Prozess gegen Rudolf Abel berichtete, war klar, dass der amerikanischen Sicherheitsbehörde FBI ein großer Fang gelungen war.

Aufbau eines sowjetischen Spionagenetzwerkes in den USA

Abel stammte aus einer deutsch-russischen Familie, sein Vater Heinrich Fischer war ein Weggefährte Lenins. Fischer war 1901 aus Russland nach Großbritannien gegangen, um Fabrikarbeiter in Newcastle zu organisieren. Dort wurde zwei Jahre später auch sein Sohn Rudolf geboren, unter dem Namen William Fischer.
Anfang der 20er Jahre kehrte die Familie nach Russland zurück, wo Rudolf Abel Mitglied des sowjetischen Geheimdienstes wurde. Als Funker ausgebildet, organisierte er in Europa ein Netz konspirativer Funkstationen, im Zweiten Weltkrieg leitete er einen Sender, der die deutsche Abwehr durch Falschmeldungen täuschen sollte.
1948 wurde er in die USA geschickt, um dort ein Spionagenetzwerk aufzubauen. Als Fotograf Emil Goldfus getarnt, leitete er - per Funk, Mikrofilm oder durch Mittelsmänner - Informationen über das Atomprogramm der USA nach Moskau weiter.

FBI nahm Abel in New York fest

Doch als im Frühjahr 1957 einer seiner Agenten zu den Amerikanern überlief, flog Rudolf Abel auf. Am 21. Juni nahm ihn das FBI in einem Hotel in New York fest. Da er falsche Papiere bei sich hatte, lautete die Anklage zunächst "illegale Einwanderung", aber nachdem sich seine wahre Identität geklärt hatte, verurteilte ihn ein Richter im Herbst 1957 zu 30 Jahren Haft.
"Eigentlich musste er mit der Todesstrafe rechnen, aber weil er einen sehr geschickten Anwalt hatte, einen amerikanischen, der früher selbst beim Vorläufer der CIA gearbeitet hatte, hatte sein Anwalt James Donovan damals vor Gericht plädiert, dass man Rudolf Abel nicht zum Tode verurteilen sollte, sondern man sollte ihn in Haft nehmen, denn es möge ja vielleicht irgendwann der Zeitpunkt kommen, wo man ihn als Austauschobjekt benutzen könnte, falls mal ein amerikanischer Agent in Gefangenschaft geraten würde."
Dieser Zeitpunkt kam drei Jahre später, so der Publizist Thomas Blees. Im Mai 1960 wurde Francis Gary Powers in der Sowjetunion verhaftet. Der amerikanische Pilot hatte im Auftrag der US-Regierung Luftaufnahmen von russischen Raketenbasen gemacht und war nach dem Abschuss seiner Maschine festgenommen worden. Bald zeigte sich, dass beide Seiten an einem Austausch ihrer Agenten interessiert waren.

Spione als "Tauschobjekte" im kalten Krieg

"Ein Problem bei der Sache war bei Abel, dass die Sowjetunion sich nie dazu bekannt hat, dass Abel einer ihrer Spione gewesen war, das heißt, offiziell hat die Sowjetunion immer geleugnet, dass das ein sowjetischer Spion war. Insofern kam der als Tauschobjekt oder -subjekt gar nicht in Frage, zunächst. Als dann Francis Gary Powers inhaftiert war, hat sich dessen Vater wiederum dafür eingesetzt, dass man seinen Sohn austauschen sollte gegen den in den USA in Haft befindlichen Rudolf Abel."
Um ihr Gesicht zu wahren, führte die Sowjetunion die Gespräche mit den USA nicht selbst, sondern schaltete die DDR ein. Die Verhandlungen übernahm der Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der später beim Freikauf inhaftierter DDR-Bürger durch die Bundesrepublik eine zentrale Rolle spielen sollte.
"Nun konnte er als deutscher Anwalt natürlich nicht sagen, dass er im Auftrag der Sowjetunion sich um Abel kümmert. Er gab sich aus als Anwalt vermeintlicher Verwandter von Rudolf Abel, nämlich von seiner Frau und Tochter, die angeblich in Deutschland wohnten, in Leipzig, und so wurde dann Wolfgang Vogel eingeschaltet und ermöglichte dann und leitete ein, den Austausch zwischen Abel und Powers."

Austausch auf der Glienicker Brücke

Als Ort wurde die Glienicker Brücke gewählt, die West-Berlin von Potsdam und damit den amerikanischen vom sowjetischen Machtbereich trennte und für die Öffentlichkeit gesperrt war.
"Die beiden Kontrahenten auf der Brücke hatten jeweils eine Vertrauensperson benannt, die sie identifizieren sollte, das war dann auf Abels Seite halt irgendein russischer Kamerad aus früheren Tagen, und von Francis Gary Powers war es auch ein ehemaliger Schulkamerad, der dem Betreffenden jeweils eine Frage stellen sollte, die nur der echte Rudolf Abel, bzw. der echte Francis Gary Powers beantworten konnte."
Am 10. Februar 1962 wurde der Austausch durchgeführt, wenig später kehrte Rudolf Abel nach Moskau zurück. Er erhielt mehrere Auszeichnungen und wurde zum Oberst des KGB befördert. 1971 starb der ehemalige Topspion an Lungenkrebs.
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