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Vor 70 Jahren
Die Menschenrechtserklärung wird verabschiedet

Als sich die Vereinten Nationen 1945 gründeten, sollte der Krieg als Mittel der Politik ein für allemal geächtet werden. Vernunft sollte das Handeln zwischen den Staaten bestimmen. Am 10. Dezember 1948 wurde die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" verabschiedet.

Von Monika Köpcke | 10.12.2018
    Eleanor Roosevelt mit einer spanischen Übersetzung der UN-Menschenrechtscharta
    Eleanor Roosevelt mit einer spanischen Übersetzung der UN-Menschenrechtscharta (imago / United Archives)
    "Der Zweite Weltkrieg signalisiert einen Zusammenbruch, vor allem auch die Erfahrung des Nationalsozialismus. Das ist auch ein moralischer Zusammenbruch."
    Heiner Bielefeldt lehrt Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
    "Eine unvorstellbare Entwicklung, dass in einem Land, das sich als zivilisiert betrachtet hatte, Deutschland, ein Völkermord stattfindet, fabrikmäßig durchgeführt, zum Teil aber auch einfach eine Blutorgie an vielen Orten. Das hat die Weltgemeinschaft in einer Weise erschüttert, dass dann wirklich klar war, wir brauchen eine Zäsur, wir brauchen einen Neuanfang."
    Die Gründung der Vereinten Nationen 1945 sollte diesen Neuanfang markieren. Doch nicht nur die Politik der Staaten untereinander wollte man auf ein neues Fundament stellen, auch die Rechte jedes Einzelnen, die aus seinem Menschsein erwuchsen, sollten definiert und festgeschrieben werden. Diese Aufgabe bekam die neu gegründete UN-Menschenrechtskommission. Ihre Vorsitzende wurde Eleanor Roosevelt, Menschenrechtsaktivistin und Witwe des ehemaligen US-Präsidenten. Am 10. Dezember 1948 verlas sie vor der Generalversammlung, was die Kommission zusammengetragen hatte.
    "I am glad to read to you the universal declaration of human rights."
    Ost und West trugen Rechtevorstellungen bei
    Zwei Jahre hatte die 18-köpfige Kommission von Diplomaten aus allen Erdteilen gerungen, bis man sich auf die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" hatte einigen können. Die Verhandlungen waren bereits vom aufziehenden Ost-West-Konflikt geprägt. So drangen die westlichen Vertreter vor allem auf politische und bürgerliche Freiheitsrechte, während von östlicher Seite die wirtschaftlichen und sozialen Rechte als wichtiger erachtet wurden. Und nicht zuletzt an der Frage, welche Rolle denn die Religion spielen sollte, schieden sich die Geister. Heiner Bielefeldt:
    "Brasilien hatte in den Beratungen den Vorschlag gemacht, man möge doch die Würde des Menschen biblisch begründen, also die Würde des Menschen als Ebenbild Gottes in die Erklärung reinzuschreiben. Und das fand Widerspruch, sofort Gegenrede des Vertreters Chinas, der sagte: Wenn wir das machen, wenn wir die Menschenrechte biblisch begründen, dann sind alle Menschen außerhalb dieses Religionskreises von vornherein ausgeschlossen. Und deshalb hat man darauf verzichtet, Begründungen festzuschreiben und gesagt, ja, die Idee der Menschenwürde, die hat ihre eigene Evidenz."
    "The Preamble:..."
    Alle 30 Artikel verlas Eleanor Roosevelt. Sie reichten von den Rechten auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit über das Verbot von Folter und Sklaverei bis hin zu den Rechten auf Leben, Arbeit, Asyl, Bildung und Freizeit.
    " ... of the human family."
    Die Wirklichkeit von 1948 spiegelte der Text zwar nicht wider, aber zum ersten Mal hatte man sich auf einen Normenkatalog geeinigt, der für alle Länder und Kulturen der Welt gelten sollte.
    "This universal declaration of human rights may well become the international Magna Charta of all men everywhere."
    Die Erklärung blieb unverbindlich
    Ursprünglich sollte den Delegierten eine völkerrechtlich verbindliche Konvention vorgelegt werden, aber dafür hätte man zu diesem Zeitpunkt keine Mehrheit bekommen - zu sehr hatte der Kalte Krieg die Welt schon im Griff. Also stimmte die Generalversammlung lediglich über eine unverbindliche Erklärung ab. 48 Staaten votierten mit "Ja", acht Staaten enthielten sich.
    "Menschenrechte haben eine kulturkritische Komponente. Also, der Anspruch der Gleichheit, der Emanzipation; sie haben damit faktisch auch eine religionskritische Komponente. Man konnte es schon erleben, als 1948 bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Saudi-Arabien nicht dafür stimmte, sondern sich der Stimme enthielt, weil die Religionsfreiheit ausdrücklich so formuliert ist, dass sie auch den Religionswechsel beinhaltet. Also, wir haben da ein Problem."
    Die Religionsfreiheit und die Gleichheit von Mann und Frau sind bis heute kritische Punkte in islamisch geprägten Ländern. Aber auch China oder Russland verweisen gerne darauf, dass die Erklärung rein westliche Werte widerspiegele.
    Westliche Werte, östliche Werte, islamische, europäische, amerikanische, afrikanische Werte? Die Frage "Was ist allen Menschen gemeinsam?" ist noch nicht abschließend beantwortet.