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Vor 70 Jahren
Ein Gesetz soll die Rechte der sorbischen Bevölkerung schützen

Etwa 60.000 Sorben leben heute in der Lausitz. Dabei hatte man den Sorben im Laufe der Jahrhunderte immer wieder den Untergang ihrer Kultur prophezeit. Am 23. März 1948 verabschiedete das Land Sachsen das "Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung".

Von Regina Kusch | 23.03.2018
    Paare in original sorbischer Festtagstracht gehen am 06.02.2016 beim traditionellen Zapust, der sorbisch-wendischen Fastnacht, durch den Ort Jänschwalde (Brandenburg). An der 140. Fastnacht nahmen etwa 115 Paare teil. Mit dem Fastnachtsumzug in den Dörfern der Lausitz wird nach altem Brauch der Winter ausgetrieben.
    Paare in original sorbischer Festtagstracht gehen am 06.02.2016 beim traditionellen Zapust, der sorbisch-wendischen Fastnacht, durch den Ort Jänschwalde (Brandenburg). (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    "Lubka Lilija", "Liebste Lilie", stammt von Handrij Zejler, dem Begründer der sorbischen Nationalliteratur, und ist eines der bekanntesten Lieder der slawischen Volksgruppe, die sich um 600 nach Christus in der ostdeutschen Lausitz niederließ. Etwa 60.000 Sorben leben in Deutschland. Seit 1912 hat sich der sorbische Dachverband "Domowina", zu Deutsch "Heimat", die Bewahrung der sorbischen Kultur auf die Fahnen geschrieben. Doch obwohl die sorbische Sprache bis heute gepflegt werde, sei sie vom Aussterben bedroht, beklagt ihr Vorsitzender Dawid Statnik.
    "Von diesen 60.000 Sorben leben etwa 40.000 in Sachsen, 20.000 in Brandenburg. Die Sprecherzahl ist aber bedeutend geringer. Wir gehen davon aus, dass in Sachsen circa 17.000 diese Sprache aktiv sprechen und in Brandenburg das Niedersorbische leider nur noch 5.000. Wir sind umgeben von einer dominierenden Sprache, das ist das Deutsche, wir sprechen ebenso diese Sprache, und deswegen ist es auch sehr schwierig, unsere Sprachräume zu erhalten."
    Krabat - Schutzpatron der sorbischen Landbevölkerung
    Auch heute noch werden die bunten, reichlich bestickten Trachten mit gestärkten Hauben und ausladenden Spitzenröcken getragen, meistens an Feiertagen. Die alten Bräuche, wie das Osterreiten, bei dem die Auferstehung Jesu Christi mit einer Reiter-Prozession gefeiert wird, oder das Hexenbrennen, die sorbische Walpurgisnacht, zelebrieren nicht nur die Alten. Schon im Kindergarten lernen die Kleinsten die Geschichte von Krabat, dem Schutzpatron der sorbischen Landbevölkerung kennen. Dabei hat man den Sorben im Laufe der Jahrhunderte immer wieder den Untergang ihrer Kultur prophezeit. Luther z.B. befand, es lohne sich nicht, die Bibel ins Sorbische zu übersetzen. Die Preußen wollten das Sorbentum ganz abschaffen. Und die Nationalsozialisten schlossen die Schulen der slawischen Minderheit und vertrieben ihre Lehrer. Nach dem Krieg verbesserte sich ihre Lage. Noch vor der Gründung der DDR, am 23. März 1948, verabschiedete der sächsische Landtag das "Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung".
    "Zakon wo zakhowanju prawow serbskeje ludnoske … Paragraf 1: Die sorbische Bevölkerung genießt in Bezug auf ihre Sprache, kulturelle Betätigung und Entwicklung gesetzlichen Schutz und staatliche Förderung."
    Die DDR erkannte die Sorben als einzige nationale Minderheit an.
    "Seit 1000 Jahren hat das Volk der Sorben in der Ober- und Niederlausitz seine Sprache, seine Kulturgüter, Bräuche und Trachten bewahrt. Nach der Unterdrückung durch den Faschismus garantiert die Verfassung der Republik die Rechte der sorbischen Bevölkerung und ihre freie kulturelle Entwicklung."
    Studiengang der Sorabistik in Leipzig
    Nach der Wende wurde den Sorben der Schutz ihrer Sprache und Kultur weiterhin gesetzlich zugesichert. In der Lausitz gibt es in der Gegend um Bautzen und Cottbus zweisprachige Ortsschilder und Behördenformulare, sorbische Kindergärten, Schulen und einen Studiengang der Sorabistik in Leipzig.
    In den letzten Jahren sorgten in der Oberlausitz wiederholt sorbenfeindliche Attacken von Rechtsextremen für Schlagzeilen. Neonazis beschmierten zweisprachige Ortsschilder. Sie jagten und beleidigten sorbische Jugendliche, die aus einer Disco kamen. Die "Domowina" hat den Opfern psychologische Betreuung vermittelt und ermutigt gerade Jugendliche, sich nicht einschüchtern zu lassen, ihre Muttersprache zu sprechen.
    "In der Öffentlichkeit nicht einfach Sorbisch reden"
    "Unsere Großeltern, die auch noch die Zeit des Nationalsozialismus erlebt hatten, diese Generation hatte es verinnerlicht, dass man in der Öffentlichkeit nicht so einfach Sorbisch reden kann. Für meine Generation, das ist die Nachwendegeneration, ist das völlig normal, dass wir in Bautzen oder in Dresden in der Arztpraxis oder beim Einkaufen mit unseren Kindern Sorbisch sprechen. Diese Normalität wollen wir erhalten, diese Normalität fordern wir, denn die steht uns auch rechtlich zu."
    Dass die sorbische Tradition mehr sein kann als nur Folklore, zeigt der Erfolg der Rockband "Jankahanka", auf Deutsch "Hänsel und Gretel", die sorbisches Liedgut wie z.B. "Lubka Lilija" in Popsongs mit modernen Texten verpackt. Damit kommt sie nicht nur auf sorbischen Volksfesten gut an. In den Dresdener Musik-Clubs und auch in Osteuropa interessiert sich vor allem ein junges Publikum für die Geschichten in der vom Untergang bedrohten Sprache.