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Vor 70 Jahren
Eröffnung der Augsburger Puppenkiste

Als die "Augsburger Puppenkiste" am 26. Februar 1948 Premiere feierte, hatte sich Gründer Walter Oehmichen damit einen lang gehegten Traum erfüllt. Mit seinem abwechslungsreichen Programm entwickelte er das kleine Marionettentheater zu einem Erfolgsprojekt.

Von Alfried Schmitz | 26.02.2018
    Die Marionetten Scheinriese Tutur, Lukas und Jim Knopf stehen in Augsburg im Puppenkistenmuseum mit der zerstörten Lokomotive Emma in einem Wüstenszenario.
    Michael Endes Roman-Figuren Lukas und Jim Knopf als Marionetten der Augsburger Puppenkiste (picture alliance / dpa / Stefan Puchner)
    Die riesige Eingangshalle des historischen Gebäudes, einem ehemaligen Spital aus der Renaissance-Zeit, ist voller junger Besucher. Eine Schulklasse. Etwas abseits steht Klaus Marschall. Er leitet das Marionettentheater in der dritten Generation, hat es 1992 von seinen Eltern übernommen. Seine Mutter Hannelore war die Tochter des Gründers Walter Oehmichen.
    "Als mein Großvater nach dem Krieg auf der Suche nach Räumlichkeiten war, fand er hier in diesem Heilig-Geist-Spital einen großen leerstehenden Raum und hat dann mit der Stadt verhandelt, diesen nutzen zu dürfen. Und Walter Oehmichen hat dann die Genehmigung bekommen, in diesem Saal spielen zu dürfen."
    Schon während des Krieges hatte Oehmichen seine Leidenschaft fürs Marionettenspiel entdeckt und 1940 als Soldat an der Westfront seine Kameraden mit kleinen Stücken unterhalten. Zurück in der Heimat, baute er sich seine erste eigene "Puppenkiste".
    "1943 war Premiere. Und mit diesem Theater ist er zu Hause aufgetreten. Das war ein kleines Türrahmentheater. Das passte in den Türrahmen. Und ein Tisch dahinter diente als Bühne und als Spielbrücke."
    Premiere mit "Gestiefeltem Kater"
    Um auch anderswo auftreten zu können, hatte Oehmichen für die von ihm und seiner Frau gefertigten Figuren einen Holzschrein gebaut, mit dem er durch das zerbombte Augsburg zog. Die "Puppenkiste" wurde zum Markenzeichen. Auch für die feste Spielstätte in der Spitalgasse. Dort fand am 26. Februar 1948 mit dem "Gestiefelten Kater" die Premiere statt.
    "Der Augsburger Kasperl hatte das Auditorium begrüßt. Und ist somit auch die erste und deshalb immer noch unsere wichtigste Figur. Der Zuschauerraum war voll. Man kann sich das nicht vorstellen wie ein echtes Theater, sondern das war ein Raum mit zusammengesammelten Biergartenstühlen, Bänken, Tischen, alles was irgendwie stehen konnte. Und die Bühne war vom Zuschauerraum abgetrennt mit alten Reichsfahnen, aus denen man sorgfältig das Hakenkreuz herausgetrennt hatte. Und hinter der Bühne stand Oehmichen mit seiner Truppe und versuchte, das Möglichste möglich zu machen."
    Ambitioniertes Programm für Kinder und Erwachsene
    Walter Oehmichen brachte Märchen für Kinder und Schauspielstücke für Erwachsene auf die Bühne: "Faust" oder "Die Dreigroschenoper". Seit den Anfangstagen gibt es jedes Jahr auch politisches Kabarett. Damals wie heute ein Publikumsmagnet. Hinter der Bühne hängen die Puppen an ihren Fäden bereit für die nächste Vorstellung.
    "Wir haben dieses Jahr das Thema Märchen. Also tritt hier Schulz als Rotkäppchen auf. Die Merkel ist die Oma. Seehofer haben wir dabei. Das 'Schneewagenknechtchen'. Also aus allen möglichen Märchen haben wir die Figuren zusammengesammelt. Hier der Jäger Özdemir, die dann gemeinsam den neuen machthungrigen Wolf aus Bayern jagen werden."
    Popularität durchs Fernsehen
    Mit seinem abwechslungsreichen und ambitionierten Programm entwickelte sich das kleine Augsburger Marionettentheater mit seinen 220 Plätzen zu einem Erfolgsprojekt. Über 400 Vorstellungen gab es im letzten Jahr. Die meisten waren ausverkauft. Deutschlandweit populär wurden die Holzpuppen, als sie auch fürs Fernsehen entdeckt wurden.
    "Das war am 21. Januar 1953. Vier Wochen nach der ersten Tagesschau kam die erste Kindersendung aus der Puppenkiste 'Peter und der Wolf'."
    Ein paar Jahre später entstand die Idee, die Marionetten in Fortsetzungsgeschichten auf den Bildschirm zu bringen. Aufwändig produzierte Mehrteiler entstanden. Die "Mumins" machten 1959 den Anfang, dann wurden "Kater Mikesch", "Der kleine dicke Ritter", das "Urmel", "Der Löwe" und natürlich "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" zu Fernsehstars.
    Großer Kinoerfolg
    1997 schafften die Augsburger Marionetten sogar den Sprung auf die große Leinwand. "Die Story von Monty Spinnerratz", zum Teil in den USA gedreht, zog fast eine Million Zuschauer in die Kinos. Darüber hinaus geht das Ensemble auf Tournee durchs In- und Ausland.
    In einem Museum direkt über dem Theater kann man in die Vergangenheit der Augsburger Puppenkiste eintauchen.
    "Es kommen viele zu uns die sagen, wir sind mit 'Urmel' groß geworden. Wir sind mit 'Jim Knopf' groß geworden, wir sind mit 'Kater Mikesch' groß geworden. Die meisten verbinden sogar immer noch ein Lied damit. Also das gibt uns auch Mut für die Zukunft."