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Vor 70 Jahren gestorben
Kurt Weill - Pionier des Musiktheaters

Kurt Weill wurde durch seine Musik zu Bertolt Brechts politischen Opern weltbekannt. Auch im Exil am New Yorker Broadway verband der jüdische Komponist Gesellschaftskritik und Massentauglichkeit. Am 3. April 1950 starb Weill gerade einmal 50-jährig nach einem Herzinfarkt.

Von Albrecht Dümling | 03.04.2020
    Der Komponist Kurt Weill und seine Frau, die Schauspielerin Lotte Lenya, am 17. August 1942 im US-Exil bei New York vor dem Klavier.
    Weill im US-Exil am Klavier, neben ihm seine Frau Lotte Lenya (picture alliance / AP Photo / Robert Kradin)
    "Speak low" – sprich leise, wenn Du von Liebe sprichst. Diesen Song aus seinem Broadway-Musical "One Touch of Venus" ("Ein Hauch von Venus") sang und spielte der Komponist Kurt Weill selbst.
    Seit 1935 lebte er in New York, wohin er vor den Nazis geflohen war. Die USA betrachtete er als seine neue Heimat. Dieses Land, so der Komponist in einem Interview, hatte schon immer von Einwanderern profitiert:
    "Eben das hat die amerikanische Zivilisation begründet: die vielen Talente aus aller Welt, befreit von Unterdrückung und Einengung, bereit zu geben und zu gestalten."
    Auch Weill leistete seinen Beitrag. Dazu sein Biograph Jürgen Schebera:
    "Kurt Weill zählt heute zu den Komponisten, die die seichte Broadway Musical Comedy, Aneinanderreihung von Songs mit läppischen Handlungen, weiterentwickelt hat durch die Zusammenarbeit mit führenden amerikanischen Dramatikern. Und so entstand das genuin amerikanische Genre Musical Play, was bis heute gespielt wird."
    Interesse an einer breitenwirksamen Kunst
    Als Sohn eines jüdischen Kantors aus Dessau war Weill 1918 nach Berlin gezogen, um bei Engelbert Humperdinck und Ferruccio Busoni Komposition zu studieren. Den Durchbruch zu seinem eigenen Stil schaffte er zehn Jahre später mit der "Dreigroschenoper", zu der Bertolt Brecht den Text geschrieben hatte.
    Die sensationell erfolgreiche "Dreigroschenoper" war einfach und raffiniert zugleich und sprach ein Massenpublikum ebenso an wie die Intellektuellen.
    Neben Brecht hatte auch die Schauspielerin Lotte Lenya, die der Komponist 1926 heiratete, sein Interesse an einer breitenwirksamen Kunst gefördert. Sie wirkte auch mit an der Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", die 1930 in Leipzig uraufgeführt wurde.
    Die scharfe Gesellschaftskritik in der "Mahagonny"-Oper führte zu heftigen Protesten von Konservativen und Nationalisten, so dass ihre Autoren Brecht und Weill nach Hitlers Machtübernahme sofort Deutschland verlassen mussten.
    Tod mit nur 50 Jahren nach einem Herzinfarkt
    Weill floh mit seiner Frau in die USA. Mit Bühnenwerken wie "Lady in the Dark", "Street Scene", "One Touch of Venus" und "Lost in the Stars" zielte er auf das Broadway-Publikum.
    Trotzdem hatte Weill Deutschland nicht vergessen. Als er 1949 in New York Berliner Theaterleute traf, erklärte er ihnen:
    "Ich hoffe, dass man in Deutschland einige der Werke aufführen wird, die ich in den letzten 14 Jahren hier geschrieben habe. Und dann möchte ich gerne kommen und dabei sein."
    Dazu kam es nicht mehr. Nur wenige Monate nach diesem Interview starb Kurt Weill am 3. April 1950 erst 50-jährig an den Folgen eines Herzinfarkts.
    Der Schriftsteller Maxwell Anderson erklärte in seiner Grabrede:
    "Wie groß Kurt Weill als Komponist war, wird die Welt allmählich entdecken – denn er war ein weitaus größerer Musiker, als man heute denkt. Es werden dazu Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte nötig sein, aber wenn es eines Tages soweit ist, dann wird Kurt Weill als einer der wenigen bleiben, die große Musik geschrieben haben."
    Wiederentdeckung seit den 80er-Jahren
    Seit den 1980er-Jahren kam es weltweit zu einer Weill-Renaissance. Es waren also nicht Jahrhunderte nötig, um die Bedeutung des Komponisten als Pionier des Musiktheaters erkennen. Jürgen Schebera:
    "Kurt Weill hat sich schon in jungen Jahren die Erneuerung des musikalischen Theaters auf die Fahne geschrieben. Das gelang ihm in Deutschland zusammen mit Brecht bei der Entwicklung der epischen Oper, und genauso gelang es am Broadway mit der Broadway-Opera und den Musical Plays, die allesamt Songs und Lieder enthalten, die man noch in 500 Jahren singen wird."