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Vor 70 Jahren
US-Präsident Harry S. Truman verkündet die "Truman-Doktrin"

Am 12. März 1947 hielt US-Präsident Harry S. Truman vor dem Kongress eine folgenreiche Rede: Seit der Verkündung der "Truman-Doktrin" begriffen sich die USA als Hüter der freiheitlichen Gesellschaftsordnung gegen kommunistische Bedrohungen. Die Folge: Die Einleitung des Kalten Krieges zwischen Ost und West.

Von Bert-Oliver Manig | 12.03.2017
    Der britische Premierminister Winston Churchill, der amerikanische Präsident Harry S. Truman und der sowjetische Diktator Josef Stalin (v.l.) reichen sich während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 die Hände.
    1945 reichten sich US-Präsident Truman und Josef Stalin noch die Hand - zwei Jahre später leitete die sogenannte "Truman-Doktrin" den Beginn des Kalten Krieges ein. (picture-alliance / dpa - UPI)
    "The gravity of the situation which confronts the world today necessitates my appearance before a joint session of the Congress. The foreign policy and the national security of this country are involved ... ”
    Dramatischer hätte US-Präsident Harry S. Truman seine Rede vor den Senatoren und Abgeordneten am 12. März 1947 kaum beginnen können. Der Präsident sah die nationale Sicherheit der USA bedroht, nachdem die britische Regierung überraschend bekannt gegeben hatte, in Kürze jegliche Hilfe für Griechenland und die Türkei einzustellen und ihre Militärpräsenz im östlichen Mittelmeer zu beenden.
    Mit Großbritannien räumte ein traditioneller Widersacher russischer Ambitionen in der Region erschöpft das Feld. Da die sowjetische Diplomatie gegenüber der Türkei eine Mitsprache bei der Kontrolle der Meerengen zwischen Schwarzmeer und Mittelmeer forderte und in Griechenland eine kommunistische Partisanenbewegung existierte, sagten Pessimisten in Washington bereits eine Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs auf den Nahen Osten und auf Südeuropa voraus.
    Truman war entschlossen, das von den Briten hinterlassene Vakuum zu füllen. Ihm ging es zunächst nicht um Militärhilfe, sondern darum, die Krisenländer an der Ägäis wirtschaftlich und politisch zu stabilisieren, um eine weitere Ausweitung des sowjetischen Einflusses unbedingt zu verhindern. Er appellierte an die Parlamentarier, sich dem griechischen Hilfsgesuch nicht zu versagen:
    "Griechenland benötigt Unterstützung beim Import von Gütern, um die innere Ordnung und Sicherheit wiederherstellen zu können – dies ist grundlegend für eine ökonomische und politische Erholung. Die griechische Regierung hat außerdem um die Hilfe amerikanischer Verwaltungsfachleute, Ökonomen und Techniker gebeten, um sicherzustellen, dass die Hilfen effektiv mit dem Ziel eingesetzt werden, die Wirtschaft auf eigene Füße zu stellen und die öffentliche Verwaltung zu verbessern."
    Schachzug im weltweiten Systemkonflikt
    Um die bei den jüngsten Kongresswahlen siegreichen, stramm antikommunistischen Republikaner zu überzeugen, stilisierte Truman seine regionalstrategische Entscheidung zu einem Schachzug im weltweiten Systemkonflikt zwischen liberaler Demokratie und totalitärer Diktatur:
    "In unserer Epoche muss sich nahezu jede Nation zwischen zwei gegensätzlichen Lebensweisen entscheiden - allzu oft haben sie keine freie Wahl. Die eine Lebensform ist gegründet auf dem Willen der Mehrheit und zeichnet sich durch freiheitliche Institutionen, eine repräsentative Regierung, freie Wahlen, individuelle Grundrechte, Rede- und Religionsfreiheit sowie die Freiheit von politischer Unterdrückung aus. Die zweite Lebensform basiert auf der Unterdrückung der Mehrheit durch eine Minderheit und gründet auf Terror, staatlicher Medienkontrolle, Scheinwahlen und der Unterdrückung persönlicher Freiheit."
    Wendepunkt in der US-Außenpolitik
    Trumans Rede war ein Wendepunkt in der US-Außenpolitik. Bisher hatte der Präsident trotz aller Enttäuschung über die Politik Stalins in Ost- und Mitteleuropa an der Hoffnung festgehalten, mit der Sowjetunion im Rahmen der UN zusammenarbeiten zu können. Doch nun, aus Furcht vor einem weiteren Ausgreifen des Kommunismus, propagierte Truman eine Politik der Eindämmung gegenüber Moskau, und zwar nicht nur im östlichen Mittelmeer, sondern weltweit:
    "Nach meiner Überzeugung muss es die Politik der Vereinigten Staaten sein, freie Völker in ihrem Widerstand gegen Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck zu unterstützen."
    Diese bald allgemein als "Truman-Doktrin" bezeichnete Devise wurde für Jahrzehnte Leitlinie amerikanischer Außenpolitik. Sie war weit mehr als ein Ausdruck der amerikanischen Neigung, Interessenpolitik universalistisch zu überhöhen. Denn sie hatte konkrete Konsequenzen: Nicht allein das amerikanische Engagement beim Wiederaufbau Europas, sondern auch reflexhafte antikommunistische Interventionen, etwa in Vietnam, oder die Unterstützung lateinamerikanischer Militärdiktaturen waren Folgen der Weichenstellung von 1947.
    Diese Wirkung der Truman-Doktrin kritisierte sogar der Vordenker der Eindämmungspolitik, der US-Diplomat George Kennan:
    "In den kommenden beiden Jahrzehnten wurde unsere Außenpolitik immer wieder von heilloser Verwirrung befallen, weil eigene oder fremde Regierungsmitglieder sich nicht von dem Gedanken trennen konnten, dass ein Land schon für amerikanische Hilfe qualifiziert war, wenn es eine kommunistische Bedrohung nachwies."