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Vor 75 Jahren
Die sinnlose Zerstörung des Klosters Montecassino

Im Zweiten Weltkrieg bombardierten die Alliierten das Kloster Montecassino aus dem frühen Mittelalter, um die Kontrolle über den Weg nach Rom zu erlangen. Die Bombardierung führte zu diplomatischen Verstimmungen zwischen dem Vatikan und den Regierungen der Alliierten.

Von Henning Klüver | 15.02.2019
    Portraitaufnahme Benediktinerabtei Montecassino in Italien
    Auf dem Gipfel des Monte Cassino: Die Benediktinerabtei wurde mehrfach zerstört und mehrfach wiederaufgebaut (picture alliance / imageBROKER)
    Kurz nach dem Ersten Weltkrieg besucht der junge Theologiestudent Giovanni Battista Montini, der spätere Papst Paul VI., das Benediktinerkloster Montecassino, das etwa auf der halben Wegstrecke zwischen Rom und Neapel liegt. Benedikt von Nursia hat die Abtei im Jahr 529 gegründet. In einem Brief an seine Tante beschreibt Montini die Anlage in ihren "strengen und hoheitsvollen" Mauern:
    "Das ist ein immenser Bau, weiß, vielschichtig, großartig, auf den ersten Blick wenig klösterlich, in dem leider von der Zeit vor der Renaissance wenig erhalten ist. Er wirkt also ein bisschen schwerfällig, aber voller Herrlichkeit und Andacht."
    Die Abtei liegt 516 Meter hoch auf dem Gipfel des Monte Cassino. Von hier hat man das Liri-Tal, durch das die Via Casilina nach Rom führt, im Blick – und unter Kontrolle.
    Abtei zerstört, die Mönche überleben
    Es ist der 15. Februar 1944. Um 9.45 Uhr fliegen 225 Bomber der US-Luftwaffe unterstützt von Artillerie einen Angriff auf das Stammkloster der Benediktiner. Etwas später folgt eine zweite Angriffswelle.
    Die Abtei ist total zerstört. Mehrere hundert Menschen, Flüchtlinge aus den umliegenden Orten, werden getötet. Obgleich der Angriff am Abend zuvor mit Flugblättern angekündigt worden war, haben sie das Kloster für eine sichere Bleibe gehalten. Die Mönche überleben das Bombardement in Kellergewölben unterhalb eines Turmes aus der Antike.
    Kampf um den Weg nach Rom
    Bei einer Führung steigt man heute eine steile Treppe tief unter die Anlage zu den Gewölben hinab, in denen Benedikt in den Kellerruinen eines römischen Tempels seine karge Klosterzelle eingerichtet hatte. "Diese Personen, die im Kloster geblieben waren, überlebten genau hier."
    Die Alliierten wollten bei ihrem Vormarsch nach Norden die deutschen Verteidigungsstellungen der Gustav-Linie rund um den Ort Cassino brechen. Sie begründeten ihr Vorgehen damit, dass deutsche Militäreinheiten vom Kloster aus den Eingang zum Liri-Tal und damit den Weg nach Rom kontrolliert hätten.
    Die deutsche Heeresleitung hatte dagegen die Alliierten wissen lassen, dass die Abtei wegen ihres historischen Wertes von Militärstellungen der Wehrmacht ausgenommen bliebe. Die Deutschen verschanzten sich 300 Meter entfernt in den Bergen. Das wurde später von den Mönchen bestätigt. Wegen der Bombardierung kam es zu einer diplomatischen Verstimmung zwischen dem Vatikan und den Regierungen der Alliierten.
    Zerstört, aber nicht eingenommen
    Gleich nach dem Angriff besetzten deutsche Fallschirmjäger die Ruinen von Montecassino und verhinderten eine Einnahme der strategischen Lage durch die Alliierten. Die konnten aus der Zerstörung des Klosters also nicht den erhofften Positionsgewinn ziehen. Die Schlacht um Monte Cassino dauerte unter großen Verlusten auf beiden Seiten noch weitere drei Monate. Erst im Mai 1944 gelang den Alliierten der endgültige Durchbruch und damit die Befreiung Roms.
    "Das Außergewöhnliche an Montecassino ist die Kraft der Erinnerung." Der Kunsthistoriker Ruggero Longo arbeitet zusammen mit anderen Wissenschaftlern an einem Projekt der Bibliotheca Hertziana in Rom über Montecassino und den sakralen Raum im Mittelalter. "Um welche Erinnerung geht es? Zum Beispiel um die an einen heiligen Mann, um Benedikt, der an diesem Ort die Klosterregel der Benediktiner schreibt. Eine Regel, die von den karolingischen Kaisern bestätigt wird und noch heute weltweit anerkannt ist."
    Schätze gerettet
    "Ora et labora" – bete, arbeite – und lese, das ist das Motto der Benediktiner. Mehrfach war das Kloster zerstört worden. Doch ist es immer wieder neu erstanden. So auch nach 1944. Montecassino wurde nach alten Plänen getreu wieder aufgebaut "ubi erat, sicut erat", wo es war und wie es war.
    So konnten auch die unermesslichen Schätze der Bibliothek, die zusammen mit kirchlichen Objekten und den Gebeinen des Heiligen Benedikt vor der Bombardierung mit deutscher Hilfe nach Rom in Sicherheit gebracht wurden, zurückkehren.