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Vor 75 Jahren gestorben
Bruno Frank, der militant-liberale Gesellschaftslöwe

Bruno Frank, geboren 1887, war ein Mann der Kontraste: Nach außen gab er sich gerne als Lebemann, in seinem Schreiben war er hingegen ein zurückhaltend-besonnener und zunehmend besorgter Autor. Mit seinen frühen Warnungen vor den aufkommenden Nationalsozialisten sollte er Recht behalten.

Von Christian Linder | 20.06.2020
    Eine Dampflock am Bahnhof Friedrichstraße Anfang der 1930er Jahre in Berlin.
    Der Schriftsteller und Thomas-Mann-Freund Bruno Frank warnte schon früh vor dem aufkommenden Nationalsozialismus in der Weimarer Republik. Im Bild: Bahnhof Friedrichstraße, Berlin, Anfang der 30er-Jahre (Imago / Arkivi )
    Einer der letzten Sätze, den Bruno Frank kurz vor seinem Tod geschrieben hat und der Leben und Wirken des französischen Schriftstellers Nicolas Chamfort erfassen sollte. Gelesen wurde der Satz von Franks Freunden wie Ludwig Marcuse aber sofort auch als Selbstporträt:
    "Er war, was es schon nicht mehr gab: militant liberal. 'Die Faust ist letzte Instanz', hieß es 1928 in seiner 'Politischen Novelle', ein Wort der Ohnmacht."
    Vom Bankiers-Sohn zum politischen Schriftsteller
    In dieser Novelle führte Frank den deutschen, sofort als Gustav Stresemann zu erkennenden Politiker Cramer mit seinem französischen, ebenso unschwer als Außenminister Aristide Briand zu identifizierendem Kollegen Dorval zusammen und ließ sie zu einer Zeit, in der, wie Frank schrieb, die "Braukessel trüb schäumender Böswilligkeit" schon überliefen, von einer Versöhnung der beiden Völker träumen und einen Plan für ein vereintes, friedliches Europa schmieden.
    Ein nachkolorierte, historische Aufnahme vom März 1920, zeigt eine Gruppe von Putschisten mit Maschinengewehr auf einem LKW, der über den Potsdamer Platz in Berlin fährt. 
    Weimarer Republik - Historiker: "Parallelen zu heute sind unübersehbar"
    Nationalismus, enttabuisierte Sprache und politische Gewalt: Der Historiker Eckart Conze hält die Zeit nach dem Versailler Friedensschluss von 1919 unserer heutigen für ähnlicher als die Zeit nach 1945.
    Ausgerechnet in der liberalen "Frankfurter Zeitung" erschien damals ein heftiger, auch politisch begründeter Verriss des Buches und löste eine Kontroverse aus, die den Autor hätte vernichten können, wenn nicht Thomas Mann in einer langen Replik den Frankfurter Angriff zurückgewiesen hätte – geschrieben sei der Verriss "im Zustand der Verwirrung und Vorbeugungsangst."
    Freund von Thomas Mann
    Thomas Mann kannte Bruno Frank auch persönlich als Nachbarn in München. "Ein guter Geselle", dessen "Redlichkeit", "Zivilisiertheit" und "Sonntagskindlichkeit" Mann immer unvergesslich geblieben sind. Geboren 1887 in Stuttgart als Sohn eines jüdischen Bankiers, hatte Frank zwar in frühen Gedichten das Lob des "namenlosen Glücks" angestimmt, "allein zu sein", aber später umgab ihn der gegensätzliche Ruf eines "Gesellschaftslöwen". So hat ihn Ludwig Marcuse erlebt:

    "Ein elektrisierender Bonvivant. Er spendete gute Laune, Histörchen, Witz und Bildung."
    Manchmal ließ er den Witz auch in seinen Texten leuchten. "Sturm im Wasserglas" hieß ein 1930 mit großem Erfolg uraufgeführtes Theaterstück über eine Münchner Lokalposse. Solche boulevardesken Ausflüge erlaubte er sich aber immer seltener. Mehr und mehr durchzog seine Stimmung ein von der Besorgnis über die politischen Zeitläufte genährter melancholischer Grundton. Das Lebens- und Arbeitsprogramm, das er in der "Politischen Novelle" Stresemann gegen diese Zeitläufte vertreten ließ, war zugleich Ausdruck von Franks Schreibtraum:

    "Schauen und atmen und da sein, mit Würde und Heiterkeit seinen Lebensweg durchschreiten, einfach sein einfaches Werk tun, Mensch sein, sonst nichts, kein Schwärmer, kein Träumer, kein Tier, das seines Leibes sich schämt, kein Adept des Abgrunds."
    Frank erkannte früh die Gefahren der Zeit
    Im Bemühen um solche Haltung schrieb er seine Bücher, deren klassischer Stil orientiert war an Vorbildern wie Iwan Sergejewitsch Turgenjew. Die von Frank gelobte Aura von dessen Figuren und Handlungen fand sich auch in seiner Prosa:

    "Präzise und doch zitternd vor Bewegtheit, … das Ganze innig ohne Schwäche, energisch ohne Brutalität."
    Neben der "Politischen Novelle" gelten drei Erzählungen über Friedrich den Großen sowie eine Biografie über Miguel de Cervantes als Franks beste Arbeiten. Das Cervantes-Buch war aber schon eine Arbeit des Exils. Die Zeichen der Zeit hatte Frank seit den späten 1920er-Jahren, angesichts der, wie es in der "Politischen Novelle" hieß, immer lauter werdenden "Erlösungsschreie vom tausendjährigen Reich", genau erkannt:
    "Der beste Zeitvertreib auf der Erde ist der Hass. Wer weiß denn das nicht! Das wissen seit alters die Dummköpfe aller Nationen, die ihre öde Muße damit ausfüllen, andere Nationen zu hassen und zu schmähen."
    Thomas Mann mit polnischen Schriftstellern (u.a. Juliusz Kaden-Bandrowski, Kazimierz Wierzyński, Jan Lechoń, Julian Tuwim) in der Weinstube Fukier, März 1927.
    Thomas Mann und Bruno Frank waren Freunde und zeitweise sogar Nachbarn (Narodowe Archiwum Cyfrowe NAC)
    Thomas Mann hielt Franks Trauerrede
    Im amerikanischen Exil, in Kalifornien, waren Bruno Frank und Thomas Mann wieder Nachbarn geworden. Am 20. Juni 1945 starb Bruno Frank in Beverly Hills im Alter von 58 Jahren an Herzversagen. Thomas Mann hielt dem Freund am Grab die Totenrede:
    "Eines Nachmittags fand man ihn, der sich zur Ruhe gelegt, Zeitschriften auf der Steppdecke, eine Hand behaglich unter dem Kopf, sanft-ruhevoll das Gesicht – im Schlaf entschlafen für immer … Das ursprünglich und wesentlich Sonnige seiner Natur, durch wüste Umstände ungetrübt, hatte sich zum Schluss noch einmal aufs persönlichste durchgesetzt."