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Vor 80 Jahren erklärt Mussolini den Faschismus zur neuen Staatsform Italiens

Italien im Januar 1925. Seit dem Marsch auf Rom im Oktober 1922, als König Viktor Emanuel III. Benito Mussolini mit der Regierungsbildung beauftragte, regiert der Faschismus im Land. Aber noch hat Mussolini die Macht nicht ganz in seinen Händen, auch wenn er bei öffentlichen Auftritten vom Volk wie ein Heilsbringer gefeiert wird.

Von Henning Klüver | 03.01.2005
    Es gibt radikale Kräfte in der Partei, die eigene, weiter gehende Vorstellungen haben. Und auf der anderen Seite stehen bürgerliche Parteien und Bündnispartner in einem immer noch parlamentarischen System. Denis Mack Smith schreibt in seiner Mussolini-Biographie:

    Mussolini wandte seine bewährte Doppelstrategie an: Während er sich seinen Ministern als Liberaler darstellte, musste er sich gegenüber den Gewaltfanatikern - die sich als das stabilste Element seiner Partei erwiesen hatten - als Anti-Liberaler geben. Das war möglich, weil seine Zuhörer seinen Reden erfahrungsgemäß nur das entnahmen, was ihren Vorstellungen entsprach.

    Die gewalttätigen Übergriffe faschistischer Stoßtrupps nehmen jedoch zu. Im Juni 1924 entführt ein Kommando den sozialistischen Abgeordneten Giacomo Matteotti und ermordet ihn. Die genauen Umstände der Tat und das Maß der Mitverantwortung Mussolinis werden nie geklärt. Doch die nichtfaschistischen Abgeordneten ziehen sich daraufhin aus dem Parlament zurück. Mussolinis Stellung scheint angeschlagen. Die Kritik der Radikalen wächst, noch mehr Gewalt breitet sich aus. Zum Jahreswechsel 1924/25 vermutet man, dass der König Mussolini zum Rücktritt zwingen könnte. Doch dieser holt in einer Rede vor dem Parlament am 3. Januar 1925 zum Gegenschlag aus:

    Es heißt: Der Faschismus sei eine Horde von Barbaren, eine Bewegung von Räubern und Banditen... Nun gut, ich erkläre hier vor diesem Haus und vor dem ganzen italienischen Volk, dass ich, ganz allein ich, die Verantwortung, die politische, moralische, historische Verantwortung von allem, was vorgefallen ist, übernehme. Wenn ein paar mehr oder weniger aus dem Zusammenhang gerissenen Sätze genügen, um jemanden aufzuhängen - dann her mit dem Galgen, her mit dem Strick! Wenn der Faschismus nichts anderes gewesen ist, als Rizinusöl und Schlagstock und nicht höchste Leidenschaft der besten italienischen Jugend - meine Schuld! Wenn der Faschismus eine Verbrecherbande gewesen ist, dann bin ich der Chef dieser Verbrecherbande!

    Die Opposition, so Mussolini, solle sich keine Illusionen machen. Von jetzt an, werde alles anders werden:

    Italien, meine Herren, will Frieden, will Gelassenheit, will Arbeitsruhe. Diese Gelassenheit, diese Arbeitsruhe werden wir, wenn möglich, mit Liebe, wenn es sein muss, aber auch mit Gewalt herstellen. Sie können sicher sein, dass in den jetzt auf meine Rede folgenden 48 Stunden, sich die Lage total klären wird.

    Was das heißt, bekommen vor allem die Oppositionellen sofort zu spüren. Antifaschistische Organisationen werden aufgelöst, ihre Führer verhaftet, und ihre Zeitungen unterdrückt. Bald darauf lässt sich Mussolini vom Parlament mit fast unbeschränkter Führungsgewalt ausstatten. Der Historiker Lutz Klinkhammer vom Deutschen Historischen Institut in Rom kommentiert:

    Mussolini proklamiert sich in dieser Rede selbst zum Führer, zum Diktator und damit gibt er auch ein Bekenntnis ab zur faschistischen Gewalt, zu mörderischen Gewalt dieser Bewegung, die er ausdrücklich akzeptiert. Gleichzeitig war es auch ein Signal an die "fiancheggiatori", an die Bündnispartner des Faschismus, dass Mussolini selbst die Bewegung im Griff behalten würde und auch die Kontrolle über die faschistische Gewalt würde ausüben können. Insofern eine klare Bekräftigung der Führerherrschaft, die Mussolini über diesen Mord durchgesetzt hat.

    Von jetzt an stabilisiert sich die Herrschaft in einem totalitären System, das konservativen Eliten und rechtspopulistische Bewegungen auch in anderen europäischen Ländern zu faszinieren beginnt. Zum Beispiel einen gewissen Adolf Hitler und seine Nationalsozialisten in Deutschland.