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Vor 90 Jahren
Das erste "Hamburger Hafenkonzert" ging auf Sendung

Es sollte eine Sendung werden, „die nach Tang und Teer riecht": das "Hamburger Hafenkonzert". Allerdings ließ sich das seit 90 Jahren fast durchgehend wöchentlich gesendete Programm mit Shantychören, Seemannsgarn und Freddy Quinn nicht durchhalten. Heute hat die Sendung weit mehr zu bieten.

Von Mathias Schulenburg | 09.06.2019
    Hamburger Hafen mit Anlegesteg, Ausflugsschiff und Elbphilharmonie im Hintergrund.
    Das "Hamburger Hafenkonzert" fand erstmals am 9. Juni 1929 statt (picture alliance / Ulrich Baumgarten)
    Musik:
    "Schöner Gigolo
    armer Gigolo
    denke nicht mehr an die Zeiten"
    Der "Schöne Gigolo" war in Deutschland der Schlager des Jahres 1929. Am Ende des Ersten Weltkriegs ernährte der Soldatenberuf hierzulande seinen Mann nicht mehr. Ein Teil der Freigesetzten tauschte die Stiefel gegen Lackschuhe und versuchte, in den "Wilden 20er-Jahren" ein Zubrot als Eintänzer oder Gigolo zu verdienen.
    Eine der ältesten Rundfunksendungen Deutschlands
    Wohl auch, um ein wenig Licht in die allgemeine Nachkriegsmisere zu bringen, setzte der Vorläufer des Norddeutschen Rundfunks, NORAG, ein Projekt in Gang, das sich zur ältesten Seriensendung der Rundfunkgeschichte auswachsen sollte und bis heute Bestand hat: Das wöchentliche "Hamburger Hafenkonzert", das am 9. Juni 1929, einem Sonntag, zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Die Vorgabe des damaligen Intendanten Hans Bodenstedt an seinen Mann fürs Seemännische, Kurt Esmarch, war:
    "Schaffen Sie etwas ganz Neues, eine Sendung, die nach Teer und Tang riecht, eine Sendung, in der die See zu den Hörern spricht, die See und die Männer, die sich ihr verschrieben haben."
    "Willkommen in Hamburg, wir freuen uns, Sie im Hamburger Hafen begrüßen zu können!"
    Und so geschah es. Aus einer der ersten Sendungen:
    "Die NORAG grüßt vom Dampfer 'Hamburg' der Hamburg-Amerika-Linie alle Hörer nah und fern in Stadt und Land, an der See und auf der See, alle unsere Landsleute im Auslande und all unsere plattdütschen Landslütt. Wir stehen mit unserem Mikrofon auf der Peilkompassbrücke des Ozeandampfers, auf dem heute unser Hafenkonzert spielt."
    Zwar waren weder Tang noch Teer bei aktiven Seefahrern beliebt, aber die meisten Zuhörer fuhren nicht zur See, selbst Kurt Esmarch hatte sich zeitweilig als Hilfsschreiber beim Finanzamt durchschlagen müssen. Als Redakteur bestand Esmarch darauf, dass das Hafenkonzert von einem Schiff aus zu senden sei. Zum Auftakt spielte das Altonaer Sinfonieorchester an Bord der "Antonio Delfino" die Ouverture zu "Die lustigen Weiber von Windsor". Viele Hörer fanden die Weiber nicht lustig, weil ihre primitiven Detektorradios die Geigen nur schlecht übertrugen. Fortan wurde kräftige Blasmusik bevorzugt.
    Ein echtes Hamburger Original
    Frauen durften beim Hafenkonzert erst in den 1950er-Jahren mitmachen, weil, wie jeder Seemann weiß, Frauen an Bord Unglück bringen.
    Nicht so an Land. Hermine Hansen, Kneipenwirtin Hafenstraße 104, war gerngesehener Gast im "Hafenkonzert". Sie hatte für die Seeleute Schlafplätze vermittelt und die Heuer verwaltet, wofür diese ihr dankbar waren. Kurt Grobecker, NDR-Redakteur und Hamburg-Chronist, erzählt:
    "Dass sich die Seeleute zu Weihnachten über keine andere Stimme so sehr gefreut haben wie über die von Hermine Hansen. Sie war ein Original, eines der wenigen weiblichen in der Schifffahrt und keineswegs nur in der 'Branche' bekannt. Als Seeleute im südamerikanischen Santos einmal auf die Idee kamen, ihrer Hamburger Wirtin einen Gruß zu schicken, schrieben sie auf einen Bierdeckel nichts weiter als 'Hermine Hansen' und klebten eine Briefmarke darauf. Für die Post war das kein Problem."
    Heute bietet das Hafenkonzert auch Reportagen Raum. Hier begleitet Sandra Lattusek, Stadtführerin, Besucher durch den Alten Elbtunnel:
    "Wir haben heute nur noch diesen Betondeckel, 80 cm dick. Und darüber haben wir so ein bisschen Schlick. Die Queen Mary ist das größte Kreuzfahrtschiff, das noch drüber darf, beim höchsten Hochwasser, deswegen muss sie auch leider immer warten, wenn dieses dann doch nicht erreicht wird. Und man spricht von 70 Zentimetern Abstand zum Deckel."
    Reporterin: "Erstaunte Blicke bei den Teilnehmern. Für viele unvorstellbar."
    Teilnehmerin: "Was?!"
    Hafenkonzert hat noch heute viele Fans
    Das Hamburger Hafenkonzert erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit, schließlich macht selbst Udo Lindenberg mit:
    Musik:
    "Er will nicht, dass die andern sagen:
    Der kann ja wirklich nicht mehr viel vertragen
    und nun singt er sein Lied
    in den stürmischen Wind ..."