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Vor 90 Jahren
Der Moby Dick der Lüfte über dem Atlantik

Riesengroß und silberglänzend: Der LZ 127 "Graf Zeppelin" erinnerte Zeitzeugen an einen kolossalen Fisch. Tatsächlich war er das erfolgreichste Luftschiff seiner Zeit. Vor 90 Jahren brach er zu seinem ersten Transatlantikflug auf - dramatischer Zwischenfall inklusive.

Von Mathias Schulenburg | 11.10.2018
    Historisches Foto zeigt das Luftschiff "Graf Zeppelin" über Friedrichshafen am Bodensee.
    Mehr Besatzung als Passagiere an Bord: Ein Flug im Luftschiff "Graf Zeppelin", hier über dem Bodensee, war teuer und spektakulär (picture alliance / arkivi)
    LZ 127 "Graf Zeppelin" war nicht das größte Luftschiff seiner Ära, wohl aber das erfolgreichste. Als es nach neun Dienstjahren stillgelegt wurde, hatte es auf 590 Flügen 34.000 Passagiere befördert und eineinhalb Millionen Kilometer zurückgelegt, entsprechend fast vierzig Erdumrundungen - ohne dass ein Mensch zu Schaden gekommen wäre.
    Ein Riesengoldfisch
    Der bekannte Journalist und Autor Arthur Koestler beschrieb das von ihm für eigentlich nutzlos gehaltene Luftgefährt mit großem Respekt:
    "Der Gestalt nach ein Riesengoldfisch, maß er von der Nase bis zum Schwanz 235 Meter - mehr als das Doppelte eines Fußballplatzes. Er war 35 Meter hoch, so hoch wie ein zwölfstöckiges Haus oder ein mittlerer Kirchturm. Seine glatte Aluminiumhaut schimmerte silbern, und von Weitem sah er in seiner makellosen Glätte wie ein lebendes Tier aus, wie ein gutartiger, kolossaler Moby Dick der Lüfte, der gelassen durch die Wolken schwimmt."
    Tatsächlich kam LZ 127 in der Länge fast an die Titanic heran. Das machte den Start des großen Zeppelins zu einem Spektakel.
    "Auf Kommando ließen die Leute die Schleppseile los und packten zwei waagerecht längs des Gondelbodens angebrachte Stangen. Auf ein zweites Kommando hoben sie den Riesenwal von einem Schiff über ihre Köpfe und warfen ihn buchstäblich in die Luft. Das Schiff erzitterte und schwebte mit einer solchen Geschwindigkeit senkrecht zum blauen Himmel hinauf, dass Haltemannschaft, Hangar, Flughafen und Straßen in Sekundenschnelle zu winzigem Spielzeug zusammenschrumpften."
    Gemächlich über den Atlantik
    So also begann auch der erste Flug von LZ 127 nach New York, am 11. Oktober 1928.
    Die Passagiere bewegten sich - nach heutigen Maßstäben - nur gemächlich über den großen Teich, ohne Rückenwind waren es gerade einmal 115 Kilometer pro Stunde. Das aber hatte den großen Vorzug, dass es bei der üblichen Flughöhe von 300 Metern über der See etwas zu sehen, zu hören und sogar zu riechen gab: Klatschende Riesenwellen, Schiffe, die mit ihren Sirenen grüßten, blasende Wale, Tümmlerhorden, die mit dem Zeppelinschatten spielten. Auch eine frische Seebrise ließ sich wahrnehmen, wenn im Speise- und Aufenthaltsraum oder den Einzelkabinen ein Fenster geöffnet wurde.
    Auf halbem Weg zum Ziel bot sich dem Zeppelin-Kommandanten Hugo Eckener ein Anblick, der Schlimmes ahnen ließ.
    "Gegen sechs Uhr in der Frühe zeigte sich vor uns eine blauschwarze Wolkenwand von sehr häßlichem Aussehen."
    In New York begeistert empfangen
    Ein Fallwind der Gewitterfront drückte die Nase des Zeppelins nach unten; die Überreaktion des diensthabenden Steuermanns riss sie nach oben. Das zerbrechende Porzellan im Aufenthaltsraum war die geringste Folge, denn von einer Stabilisierungsflosse hatte der Sturm die Bespannung zerrissen. Freiwillige kletterten im Sturm auf die Flosse und flickten die Bespannung provisorisch mit Decken und Schnüren. Lady Grace Drummond-Hay berichtete für die amerikanische Hearst-Presse von Bord:
    "Atemberaubende Augenblicke verstrichen, und aus so manchem erbleichten Gesicht sprach die Frage: Müssen wir uns auf den Tod gefasst machen?"
    LZ 127 erreichte New York dennoch fast planmäßig und wurde begeistert empfangen.
    Es folgte eine Serie respektabler Abenteuer, darunter eine Weltumrundung und eine Arktisexpedition, als aber der Nachfolgezeppelin "Hindenburg" katastrophal in Brand geriet, gaben die Nazis den großen Luftschiffen den Rest. Die waren wenig kriegstauglich und stahlen Görings Fliegern die Schau.
    Heute zieht, immerhin, ein kleiner, pfiffiger Nachfolger seine Kreise. Mit dem Zeppelin NT, in Friedrichshafen am Bodensee entworfen und gebaut, können sich auch weniger Betuchte Rundflüge erlauben. Wissenschaftler können sich vom Zeppelin NT ins Blätterdach eines Urwalds abseilen lassen, alles sehr seriös, aber, natürlich, ein Hauch von Indiana Jones ist diesem Gefährt auch zu eigen. Deshalb wird es ja so geschätzt.