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Vor 90 Jahren
Erster Reichsparteitag in Nürnberg

Insgesamt acht Mal wurde der Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg abgehalten. Erst in einer Halle, dann auf der Zeppelinwiese. Diese bot einer halben Million Menschen Platz, um Hitlers Ansprachen zu folgen. Am 19. August 1927 begann der erste Parteitag in Nürnberg.

Von Monika Köpke | 19.08.2017
    Die Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg
    Die Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg (dpa / picture alliance / Daniel Karmann)
    "Hier treffen sich Menschen, da drüben sitzen zwei und trinken ihr Mittagsbier. Also das ist normaler Alltag hier. Ich finde das auch nicht falsch, sondern ganz richtig, dass sich die Nürnberger ihr Gelände wieder zurückerobern und sich nicht von Nazibauten das Gebiet stehlen lassen."
    Alexander Schmidt ist Historiker im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände auf dem Nürnberger Zeppelinfeld. Wo heute die Steine bröckeln und die Natur sich ihr Terrain zurückerobert, inszenierten die Nationalsozialisten ihre Parteitage. Nach München und Weimar in den Jahren zuvor begann am 19. August 1927 vor 30.000 Zuschauern der erste Parteitag in Nürnberg.
    "An der Spitze des Fackelzugs marschiert die Kurpfalz, dahinter die Gaue Baden, Bayern, Schlesien und Rheinfranken."
    Parteitage als Propagandaveranstaltungen
    Die Entscheidung für Nürnberg hatte ganz pragmatische Gründe: Nach seinem Putschversuch im November 1923 hatte Hitler in vielen Städten Deutschlands Redeverbot. Nicht aber in Nürnberg. Hier konnte er sich auf das Wohlwollen der örtlichen Polizeibehörde verlassen.
    "Es ist eine fast endlose Marschkolonne, die hier am Führer vorbeizieht."
    Programmatische Bedeutung hatten die Parteitage nicht. Berüchtigte Ausnahme war der Parteitag von 1935, auf dem die Nürnberger Rassegesetze verkündet wurden. Ansonsten waren sie reine Propagandaveranstaltungen. Ihr Zweck war die Demonstration von Stärke, das Zelebrieren von Gemeinschaft und das Einschwören auf den "Führer". Ihr wichtigstes Gestaltungsmerkmal: Masse.
    Ein Radio-Reporter damals: "Zeppelinwiese in Nürnberg: In dieser Stunde sind hier die politischen Leiter zum Appell für den Führer angetreten. Verschwunden sind die Rasenflächen. Die Bohlen, die Schottersteine, verschwunden unter einer riesigen braunen Fläche, gebildet aus über Hunderttausenden politischen Leitern im Braunhemd."
    Zuschauertribünen für eine halbe Million Menschen
    Während Hitler in den ersten Jahren noch in der Luitpoldhalle seine Ansprachen gehalten hatte und das Zeppelinfeld lediglich für Aufmärsche nutzte, bekam Albert Speer nach der Machtergreifung den Auftrag, auf dem Gelände eine 'Tempelstadt der Bewegung' zu errichten. Noch 1933 begannen die Bauarbeiten. Der Historiker Alexander Schmidt schildert:
    "Also, wir sitzen jetzt hier auf der jederzeit öffentlich zugänglichen Haupttribüne, die früher eine der wichtigsten Orte für die Reichsparteitage war. Unter uns liegt jetzt eine große Aufmarschfläche für um die 200.000 Menschen. Ausgerichtet ist das alles auf den Platz, an dem Hitler gesprochen hat, nämlich die Rednerkanzel, die sich genau in der Mitte des ganzen Areals befindet. Dahinter die Tribüne für die Ehrengäste. Das Ganze strahlt wirklich eine klare Hierarchie aus."
    Gewaltige elf Quadratkilometer umfasste das gesamte Gelände. Zu den Gebäuden, die von Speers Plänen realisiert wurden, gehörte eine 60 Meter breite und zwei Kilometer lange Paradestraße aus Granit, die an den Zuschauertribünen für eine halbe Million Menschen vorbeiführte. Außerdem eine Kongresshalle im Stil eines aufgeblähten römischen Pantheons und, im Zentrum des Ganzen, die Zeppelintribüne - ein monströser Altar aus weißem Kalkstein, auf dem Hitler über die Köpfe der Massen hinweg seine Ansprachen hielt.
    "Ich würde undankbar sein, wenn ich nicht jedes Jahr von Neuem das Glück empfinden könnte, wenigstens diese Tage in Nürnberg und diese Stunden bei euch und unter euch zu sein."
    Eine Woche Ausnahmezustand in Nürnberg
    Eine knappe Woche dauerte das seit 1933 alljährliche Spektakel. Jede Showeinlage war zuvor penibel einstudiert worden: die endlosen Paraden trommelnder Hitlerjungen, die nächtlichen Fackelmärsche, die gigantischen Lichtinstallationen oder die Formationsflüge der Militärmaschinen.
    Für Nürnberg bedeutete jeder Parteitag: Horden von Betrunkenen, die grölend durch die Straßen zogen, stinkender Unrat in jeder Ecke und eine boomende Prostitution.
    Am 2. September 1939 sollte der neunte Parteitag in Nürnberg beginnen. Sein Motto: Parteitag des Friedens. Ende August wurde er überraschend abgesagt. Am 1. September überfiel die deutsche Wehrmacht Polen und entfesselte damit den Zweiten Weltkrieg.