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Vor 90 Jahren starb Roald Amundsen
Die Rettungsaktion, die in einer Tragödie endete

Es sollte eine heldenhafte Rettungstat werden: Am 18. Juni 1928 machte sich der norwegische Polarfahrer Roald Amundsen mit einem Flugboot auf die Suche nach General Umberto Nobile, der mit seinem Luftschiff in der Arktis verschollen war. Die Maschine stürzte ab, Amundsen und fünf Begleiter kamen ums Leben.

Von Irene Meichsner | 18.06.2018
    Die Aufnahme zeigt den norwegischen Polarforscher Roald Amundsen (1872-1928), welcher 1911 als Erster den Südpol erreichte, der als erster mit dem Schiff die Nordwest-Passage bereiste und als einer der ersten die Arktis in der Luft überquerte. | Verwendung weltweit
    Der norwegische Polarforscher Roald Amundsen (1872-1928) erreichte 1911 als erster Mensch den Südpol (R3577_bifab_121773)
    "Achtung, Achtung, hier Welle 401, Roma, San Paolo. Wir suchen Luftschiff 'Italia', wir suchen Nobile. Wir sind seit 32 Stunden ohne Nachricht. Seid Ihr in Not, braucht Ihr Hilfe? Wir warten, wir warten."
    Sieben Wochen lang hat das Drama um den italienischen General Umberto Nobile und den Absturz seines Luftschiffs "Italia" über dem arktischen Packeis die Welt in Atem gehalten. Am 24. Mai 1928 hatte Nobile den Nordpol überflogen. Am nächsten Morgen war der Funkkontakt abgebrochen. In seinem Hörspiel "SOS rao rao Foyn – Krassin rettet Italia" schilderte der Rundfunkpionier Friedrich Wolf die folgende Rettungsaktion, an der auch der norwegische Polarheld Roald Amundsen beteiligt war, als einen beispiellosen Akt internationaler Solidarität.
    "Und diese Hilfe wurde nur möglich durch das modernste Nachrichtenmittel: durch das Radio!"
    Bereit, sofort zu starten
    Amundsen saß gerade bei einem Festbankett der Zeitung "Aftenposten" in Oslo, als die Nachricht von der vermissten "Italia" hereinplatzte. Als junger Mann hatte er die Nordwestpassage durchquert und später als erster Mensch den Südpol erreicht. Jetzt bat die norwegische Regierung den 55-Jährigen, sie bei einer Hilfsaktion zu unterstützen.
    "Schweigen machte sich breit, und alle Augen waren auf Amundsens grimmige Miene gerichtet",
    schrieb die "New York Times" über die denkwürdige Szene. Jeder im Raum wusste um den Konflikt zwischen Amundsen und Nobile. Sie waren 1926 mit dem Luftschiff "Norge" zum ersten Mal zum Nordpol geflogen, hatten sich danach über die Frage, wer von beiden den größten Anteil des Ruhms für sich beanspruchen durfte, aber heillos zerstritten. Doch jetzt, wo der ehemalige Kamerad in Not war, zögerte Amundsen nicht:
    "'Teilen Sie der Regierung mit', sagte er in einem Ton wie ein Peitschenknall, 'dass ich bereit bin, sofort zu starten'."
    Die "Italia" hatte Proviant für mindestens einen Monat an Bord. Aber, so Amundsen zu einem Reporter:
    "Vergessen Sie nicht, wie unglaublich schwierig die Lage ist. Ohne Kenntnis der genauen Position des Luftschiffs ähnelt die Suche nach ihm einem Blinde-Kuh-Spiel."
    Von einer Eisscholle in der Nähe der Foyn-Insel schickten die Überlebenden des Unglücks, darunter Nobile, verzweifelte SOS-Rufe. Bis der Funkkontakt wiederhergestellt war, dauerte es gut zwei Wochen. Derweil wurden alle Vorbereitungen für eine internationale Rettungskampagne getroffen. Norwegen steuerte zwei Flugzeuge bei, die erst mit Schiffen zur Basisstation auf Spitzbergen transportiert werden mussten.
    Amundsen meldete sich nicht
    Amundsen brannte darauf, aktiv zu werden, sah sich aber, wohl aufgrund der alten Animositäten, durch Italiens Ministerpräsident Mussolini ausgebremst. Ein norwegischer Geschäftsmann stellte einen Kontakt zur französischen Regierung her, die Amundsen schließlich ein Flugboot vom Typ Latham 47 und Kapitän René Guilbaud, einen der erfahrensten Piloten der französischen Marine, zur Verfügung stellte.
    "Bei dieser Expedition geht es nicht ums Business, hier stehen Menschenleben auf dem Spiel",
    sagte Amundsen, bevor er am 16. Juni mit dem Nachtexpress von Oslo nach Tromsø im Norden des Landes fuhr, wo er sich mit Guilbaud treffen wollte.
    "Extraausgabe! Extraausgabe! - Das Allerneueste über die Nobile-Expedition! - Roald Amundsen, der große Polarforscher, mit Hauptmann Guilbaud am 18. Juni mittags gestartet! Extraausgabe! - Extraausgabe! ... "
    Sieben Stunden sollte der Flug von Tromsø nach Spitzbergen dauern. Aber Amundsen meldete sich nicht mehr. Die Unruhe wuchs von Tag zu Tag.
    Fischer hatten gesehen, wie ein Flugzeug in einer dichten Nebelwand verschwunden war. Erst Monate später wurden einige Wrackteile des Flugzeugs aus dem Meer gefischt. Wie sich das Unglück ereignete, bei dem Roald Amundsen, René Guilbaud und ihre vier Begleiter ums Leben kamen, blieb ein Rätsel. Dass es ihres Einsatzes gar nicht bedurft hätte, war besonders tragisch. Nobile wurde am 23. Juni 1928 von einem schwedischen Piloten in Sicherheit gebracht. Die anderen Überlebenden der "Italia" mussten noch warten, bis sie am 12. Juli von dem russischen Eisbrecher Krassin geborgen wurden.