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Vor Amtsübergabe an Joe Biden
Donald Trump beeilt sich mit Vollstreckung von Todesurteilen

Die Regierung des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump setzt derzeit alles daran, ausstehende Hinrichtungen zu vollstrecken. Die Exekutionen sollen vor dem 20. Januar vollzogen sein, dem Tag der Amtseinführung Joe Bidens. Biden würde die Vollstreckung vermutlich sofort aussetzen.

Von Thilo Kößler | 11.12.2020
    US-Präsident Donald Trump sitzt mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen beim Beten im Oval Office an seinem Schreibtisch, nachdem er eine Strafgefangene von ihrer lebenslangen Haftstrafe begnadigt hat.
    Der abgewählte US-Präsident Donald Trump sieht trotz baldigem Ende seiner Amtszeit nicht von Hinrichtung ab (imago images / Anna Moneymaker / Pool via CNP / MediaPunch)
    Bis zuletzt versuchten Anwälte und Staatsanwälte, Bürger- und Menschenrechtsorganisationen den 40-jährigen Brandon Bernard vor der Todesstrafe zu bewahren. Bernard starb am Abend des 10. Dezember 2020 im Gefängnis in Terre Haute im US-Bundesstaat Indiana durch eine Giftspritze. Er war 18 Jahre alt, als er einen doppelten Raubmord beging – so jung, wie keiner der anderen Delinquenten zur Tatzeit, denen jetzt die Todesstrafe nach Bundesrecht droht, so Ngozi Ndulue vom Death Penalty Information Center in Washington D.C.
    Doch nicht nur deshalb steht das Todesurteil gegen den Schwarzen Brandon Bernard auf tönernen Füßen, sagt die Forschungsdirektorin der Informationsstelle Todesstrafe: Weil entlastende Beweise nicht berücksichtigt wurden und der Todeskandidat nachweislich nicht die treibende Kraft beim doppelten Raubmord war, seien wichtige Fragen nach seiner Rolle und seiner Schuldfähigkeit ungeklärt.
    Fünf weitere Exekutionen bis 20. Januar geplant
    Fünf der neun noch lebenden Jurymitglieder dieses Prozesses haben ihr Todesurteil gegen Brandon Bernard mittlerweile revidiert. Auch deshalb haben am Dienstag knapp 100 Anwälte, Ankläger, Polizeichefs und Sheriffs aus dem ganzen Land an das Weiße Haus appelliert, das Todesurteil fallenzulassen und in eine lebenslange Haftstrafe umzuwandeln.
    Doch Donald Trump und sein Justizminister William Barr bleiben hart: Erst im Juni dieses Jahres hatten sie das Moratorium gegen die Vollstreckung der Todesstrafe nach Bundesrecht aufgehoben – erstmals seit fast 20 Jahren werden jetzt wieder Todesstrafen nach nationalem, also nicht bundesstaatlichem Recht vollstreckt. Seither haben Trump und sein Justizminister 13 Häftlinge hinrichten lassen. Neben Brandon Bernard sollen bis zum 20. Januar noch fünf weitere Verurteilte exekutiert werden – sie sind allesamt Afroamerikaner. Seit 1896 wurden insgesamt nicht mehr so viele Todesurteile auf Bundesebene vollstreckt, sagt Ngozi Ndulue.
    Vollstreckungen während Amtsübergabe unüblich
    Trump und sein Justizminister haben zudem dafür gesorgt, dass neben der Giftspritze auch andere tödliche Methoden wieder eingesetzt werden dürfen: Gas, elektrischer Stuhl, Erschießungskommandos – alles wieder erlaubt. Auf besondere Kritik stößt nun aber, dass Trump und Barr gegen das ungeschriebene Gesetz verstoßen, in der Phase des Machtwechsels zwischen zwei Präsidenten keine Todesstrafen zu vollstrecken. Beide scheinen es im Gegenteil besonders eilig zu haben, bis zur Amtseinführung Joe Bidens am 20. Januar die Verurteilten hinzurichten.
    Biden gegen Todesstrafe
    Der Grund dafür ist offensichtlich. Der noch amtierende Präsident weiß, dass sein Nachfolger vermutlich noch am Tag der Amtseinführung die Todesstrafe auf Bundesebene wieder aussetzen wird. Biden ist heute ein erklärter Gegner der Todesstrafe. Mit ihrer Demonstration der Macht in den letzten Tagen ihrer Amtszeit haben sich Trump und Barr also auf einen zynischen Wettlauf mit der Zeit eingelassen. Es gehe ihnen um einen politischen Kontrapunkt, vermutet Ngozi Ndulue im Gespräch mit dem Deutschlandfunk: in einer Zeit, in der sich Politik, Justiz und die öffentliche Meinung in immer mehr Bundesstaaten der USA gegen die Todesstrafe wenden, wollen Trump und Barr ein unversöhnliches ideologisches Signal setzen. Sie bewegen sich völlig außerhalb der Norm, sagt die Wissenschaftlerin des Death Penalty Information Center in Washington DC.
    Die Todesurteile mitten in der völlig ungebremsten Pandemie vollstrecken zu lassen, sei zudem besonders rücksichtlos, meint Ngozi Ndulue: In der Corona-Brutstätte des Bundesgefängnisses von Terre Haute in Indiana infizierte sich bei der letzten Exekution ein großer Teil des beteiligten Personals. Die Hinrichtung der einzigen Frau unter den Todeskandidaten musste unlängst wegen der COVID-19-Erkrankung ihrer beiden Anwältinnen auf Ende des Jahres verschoben werden.
    Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020