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Vor dem Bildungsgipfel: Sparen oder investieren?

Die Koalitionäre scheinen zu wissen, was dem Land der Dichter und Denker für eine sichere Zukunft fehlt: Investitionen in die Köpfe der Bürger. Bundeskanzlerin Merkel hat die Bildungsrepublik zur Chefsache erklärt. Das kann teuer werden.

Von Jacqueline Boysen, Anke Petermann und Axel Flemming | 09.06.2010
    Angela Merkel, Bundeskanzlerin: "Die Bildungsrepublik ist der beste Sozialstaat."

    Guido Westerwelle, Vizekanzler und Außenminister: "Bildung ist die Aufstiegsfrage, Bildung macht die Gesellschaft durchlässig, und deswegen ist sie für uns auch und gerade ein gesellschaftspolitisches Anliegen."

    Die Koalitionäre schienen zu wissen, was dem Land der Dichter und Denker für eine sichere Zukunft fehlt: Investitionen in die Köpfe der Bürger. Und so versprachen CDU/CSU und FDP zusätzliches Geld für frühkindliche Bildung, Schule und Hochschule, Forschung und Entwicklung.

    "Deutschland wird weiter zu einer Bildungsrepublik entwickelt, wir haben den Schwerpunkt in die Zukunftsinvestitionen bei Bildung gesetzt, das wird in der Koalitionsregierung sehr deutlich. Wir stehen dazu, dass das Zehn-Prozent-Ziel für Bildung und Forschung bis 2015 umgesetzt wird, und wir werden das mit den Ländern auch Schritt für Schritt erarbeiten."

    Optimistisch klang die Kanzlerin noch im vergangenen Jahr. Es war auch damals schon nicht leicht für die CDU-Vorsitzende, den Bundesfinanzminister und die Länder auf dieses Ziel einzuschwören. Ebenso schwierig war es, auf der Haushaltsklausur des Kabinetts die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung vor dem Rotstift zu bewahren. Doch kam die Bundesbildungsministerin ungeschoren davon und gut gelaunt aus den Gesprächen: Der Haushalt der christdemokratischen Ministerin Annette Schavan bleibt unangetastet.

    "Das Ziel steht. Es ist in hohem Maße wie selten zuvor akzeptiert. Und das hat auch seinen Grund darin, dass wir sagen: Wenn dieses Land stärker aus der Krise kommen soll, als es hineingekommen ist, dann ist das der Schlüssel."

    Doch ist zwischen Bund und Ländern und zwischen den politischen Lagern eine offene Fehde ausgebrochen. Zum einen geht es ums Geld, zum zweiten ums Prinzip.

    Die Koalition will stärker als bisher auch private Geldgeber und die Wirtschaft in die Pflicht nehmen. Sie plädiert für ein Umdenken, wenn sie zum Beispiel privat mitfinanzierte Bestenstipendien ausgeben will – ein Projekt, das der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg von der CDU in einer turbulenten Bundestagsdebatte gegen die Kritik der Opposition zu verteidigen suchte:

    "Es geht darum, dass ein staatlicher Euro letztlich durch einen privaten Euro ergänzt wird. Und es geht darum, dass wir auch ein Stück unsere Mentalität verändern. (Zwischenruf:) Ja, das wissen wir wohl: Privatisierung! - (Frankenberg:) Was auch immer sie unter Privatisierung verstehen. Ich verstehe unter Privatisierung, dass die Verantwortlichen in unserer Gesellschaft einen Beitrag zu den wichtigsten Institutionen, nämlich zu den Hochschulen, zu den Forschungs- und Bildungseinrichtungen für die Gesellschaft leisten."

    Während hier die prinzipielle Frage aufgeworfen ist, inwieweit der Staat sich selbst entlasten soll, indem er bewusst auf andere Geldgeber setzt, geht es in der Auseinandersetzung um die Bildungsfinanzierung zwischen Bund und Ländern vor allem um die Einhaltung der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse. Grundsätzlich also muss erheblich gespart werden – doch die Bundesbildungsministerin und Merkel-Vertraute beharrt auf dem vor zwei Jahren von Bund und Ländern verabredeten Ziel, bis zum Jahr 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Bundesrepublik in Bildung investieren zu wollen.

    "Wir werden nicht bescheiden bei Bildung und Forschung. Wir haben 12 Milliarden im Koalitionsvertrag vereinbart. Das ist die Summe für diese Legislaturperiode, um dann bis 2015 das Zehn-Prozent-Ziel zu erreichen."

    Beim Bildungsgipfel im vergangenen Dezember hatte der Bund sich bereit erklärt, 40 Prozent dieser Aufwendungen zu übernehmen – eine erhebliche Steigerung. Die Länder aber stellen ihrerseits das 10-Prozent-Ziel infrage: So fing der scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch bereits an, bei den Bildungsausgaben zu sparen und eine Verschiebung der angestrebten Zielmarke zu diskutieren.

    Während auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Wolfgang Böhmer für eine kritische Prüfung aller Bildungsausgaben plädiert, warnt sein parteiloser Kultusminister Jan Hendrik Olbertz: Der Rotstift müsse, wenn überhaupt, sehr sorgfältig angesetzt werden. Die Bedingungen in den Ländern seien so unterschiedlich, dass ohnehin hier eher in die frühkindliche Förderung, dort eher in soziale Brennpunkte und andernorts in notleidende Hochschulen investiert werden müsse.

    Derzeit investieren Bund, Länder, Wirtschaft und private Haushalte in Deutschland insgesamt mehr als 200 Milliarden Euro in Bildung und Forschung. Im Jahr 2008 wuchsen die Bildungs- und Forschungsinvestitionen um 5,5 Prozent, also doppelt so stark wie die Wirtschaft insgesamt. Der Anteil von Bildung und Forschung am Bruttoinlandsprodukt ist damit auf 8,6 Prozent gestiegen.

    Ob diese Steigerung anhält, hängt entscheidend von den Verhandlungen beim morgigen Bildungsgipfel im Kanzleramt ab: Die Bundeskanzlerin hat die Ministerpräsidenten der Länder zu sich geladen – und sie wird sich wieder einmal mit deren Forderungen auseinandersetzen müssen. Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck hat bereits vor dem Bundesrat die Muskeln spielen lassen.

    "Es hilft nichts, wenn Frau Schavan da mal ein paar hundert Millionen und dort mal ein paar hundert Millionen für das eine oder andere Programm zur Verfügung stellt, wir brauchen diese zusätzlichen Milliarden im System. Einer dauerhaften Ausgabe müssen auch dauerhafte Einnahmen gegenüberstehen."

    Diese Gleichung mit einer Unbekannten löst der Sozialdemokrat, in dem er einen höheren Anteil aus den Umsatzsteuereinnahmen für die Länder fordert.
    Der Sozialdemokrat Beck weiß um die Macht der Länder, die sämtliche optimistischen Zusagen des Bundes und das Ziel der Kanzlerin torpedieren können.

    Schule ist Ländersache – und seit der Föderalismusreform erst recht. Wenig wahrscheinlich, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, obgleich Annette Schavan, eigentlich Verfechterin des Föderalismus, in einem Zeitungsinterview auch schon mal offen über eine Grundgesetzänderung sinniert hat. Die Lage ist, wie sie ist, sagt sie heute und verweist darauf, dass der Bund auch trotz aller verfassungsmäßiger Einschränkungen die Länder bei der Finanzierung erheblich unterstützt: Der milliardenschwere Ausbau der Ganztagsschulen – ein Projekt ihrer sozialdemokratischen Amtsvorgängerin Edelgard Bulmahn – ist das Paradebeispiel dafür.

    Auch für Forschung und Lehre an Hochschulen empfangen die sechzehn Länder Geld aus der Bundeskasse, aber sie sind in aller Regel zur Kofinanzierung verpflichtet: Gibt der Bund zum Beispiel beim BAföG zusätzliche Unterstützung, so müssen die Länder anteilig mit bezahlen. Und sie dürfen das aus der Schatulle des Bundesfinanzministers stammende Geld nur zweckbestimmt für Bildungsausgaben einsetzen – dagegen wehrt sich das Land Schleswig-Holstein, das angesichts knapper Kassen selbst über Zuschüsse aus Berlin verfügen möchte, wie Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, nicht müde wird zu beklagen:

    "Faktisch sind nach der Föderalismusreform die Länder für die Hochschulen zuständig, und wir haben eben jetzt den Eindruck, dass die Länder nun beginnen in dieser Phase, wo der Bund sagt: Jawohl, wir geben euch den Pakt für Forschung und Innovation, auch das Qualitätspaket, wir wollen hier wirklich etwas tun -, dass die Länder da – kompensatorisch gleichsam - versuchen, den Hochschulen das Geld wieder wegzunehmen. Ganz dramatisch jetzt eben in Schleswig-Holstein, aber eben auch Grund zur Sorge in Hessen."

    Stichwort Bundesland Hessen: Kurz bevor er den anstehenden Abgang verkündete, provozierte nämlich Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch seine Parteifreunde mit umstrittenen Sparvorschlägen. Die Union hatte ja versprochen, bei der Bildung und der Kinderbetreuung draufzulegen. "Nicht finanzierbar" kontert nunmehr der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Wie Kürzen geht, exerziert der scheidende Sparkommissar im eigenen Land vor: 30 Millionen Euro weniger für die Hochschulen, 45 Millionen weniger für die Schulen. Studierende und Schüler protestieren.

    "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut ..."

    Seit einem Jahr demonstrieren Schüler und Studierende gegen Kürzungen bei der Bildung. Gegen die Vorreiterrolle, die Hessen unter den Bundesländern beim Sparen an Schulen und Hochschulen einnimmt, gehen in diesen Tagen vereinzelt auch Eltern, Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter und sogar Hochschulpräsidenten auf die Straße. Wobei Hessens scheidender Ministerpräsident Roland Koch stets betont:

    "Hochschulausgaben hat's in Hessen nie mehr gegeben als im letzten Jahr. Und sie werden, wenn Sie Forschung, Entwicklung und Hochschule nehmen, weiter steigen. Nur die Frage, ob die Anstiegsgeschwindigkeit so sein kann, wie wir das vor der Wirtschaftskrise mal gehofft haben, ist, wenn man nicht sagen will, das haben wir nicht geplant, o.k., machen wir halt wieder Schulden, wahrscheinlich nicht möglich."

    Also nicht kürzen, sondern "nur" den vereinbarten finanziellen Anstieg reduzieren. Wie das geht, exerziert Hessen vor. Das Wissenschaftsressort machte den Anfang. Die Hochschulen hatten sich an Vereinbarungen gehalten und mehr Studierende aufgenommen. Nun aber stockt das Land die Mittel nicht wie erwartet auf, sondern will von 2011 an 30 Millionen Euro pro Jahr kürzen. Das sind nur zwei Prozent des Hochschuletats. Hessens Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann, CDU, versteht die Aufregung über den sogenannten Pakt nicht. Sie sieht nur Vorteile für die Hochschulen:

    "Fünf Jahre Planungssicherheit für ein Budget, das fest bestehen bleibt: 1,4 Milliarden Euro. Dieses Angebot wird kein anderer Bereich im Land bekommen."

    Doch acht von zwölf hessischen Hochschulpräsidenten bedankten sich bei der Ministerin nicht für das hervorragende Angebot. Stattdessen unterschrieben sie das Papier zähneknirschend - unter Protest - und nur unter folgender Drohung, so Detlev Buchholz, Rektor der Frankfurter Fachhochschule:

    "Wer nicht am Hochschulpakt teilnimmt, für den gibt es in der Finanzierung keine Grenze nach unten. Das hätte tatsächlich die Hochschule vollends in den sicheren Ruin getrieben. Jetzt haben wir zumindest noch eine Chance diesen vielleicht abzuwenden."

    Finanzminister und Wissenschaftsministerin dementierten umgehend, gedroht zu haben. Die Studierenden auf der Straße pfiffen ihre gedeckelten Präsidenten öffentlichkeitswirksam aus, gaben sich hinter vorgehaltener Hand aber solidarisch mit den bedrängten Hochschulleitern. Die fürchten nun, die Lehre ausdünnen zu müssen und in der Spitzenforschung nicht mehr mit besser gestellten Nachbar-Bundesländern mithalten zu können. Nora Weismann vom Asta der Wiesbadener Rhein-Main-Hochschule blickt düster in die Zukunft.

    "Für mich als Studentin bedeutet es, dass mein Fachbereich, der eh schon unterfinanziert ist, am Ende, wenn's richtig drastisch kommt, wahrscheinlich der erste ist, der komplett gestrichen wird. Sozialwesen war schon unter Studiengebühren der Fachbereich, der unterfinanziert war, wir sind immer unterfinanziert …"

    ... wie übrigens der gesamte Bildungssektor in Hessen, klagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW. Nun werde die Talfahrt fortgesetzt. Auch bei den Schulen. Die Sparliste für diesen Bereich hat Hessens liberale Bildungsministerin Dorothea Henzler noch gar nicht herausgerückt, möglicherweise geht es der Lehrerfortbildung an den Kragen, argwöhnt die Opposition.

    Nur eines steht fest: 45 Millionen Euro sollen im kommenden Bildungsetat gekürzt werden.

    Deutschland stand ja international am Pranger, weil die Herkunft aus schwierigen sozialen Verhältnissen die Bildungschancen für Kinder so stark beeinträchtigt. Eliteschulen und Elitehochschulen, die Hessen komfortabel unterstützt, helfen wenig, dieses Problem zu lösen. Gut ausgestattete staatliche Kitas schon, samt früher Förderung der Kleinsten. Sie können ein Stück Chancengerechtigkeit herstellen. Doch der vereinbarte Ausbau frühkindlicher Betreuung gehört für Roland Koch ebenfalls nicht zu den Tabuzonen beim Sparen. Der CDU-Politiker will den 2013 geplanten Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für alle Kinder ab zwei Jahren kippen. Die Frage sei:

    "Was passiert eigentlich, wenn der Rechtsanspruch dazu führt, dass wir unter größter Belastung der Kommunen vielleicht 35 Prozent als Zielzahl der Plätze erreicht haben, aber 50 oder 60 Prozent es fordern, und wenn das die Stadt in den heutigen Finanzierungsbedingungen leisten soll, sie am Ende ist."

    Dazu, dass Kommunen schneller am Ende sind, trägt Hessens schwarz-gelbe Landesregierung allerdings selbst bei, indem sie ihnen im kommenden Jahr 400 Millionen Euro wegnehmen will.
    Schon in der Vergangenheit knauserten Städte und Gemeinden, zum Beispiel beim Kita-Personal. Für manche Wiesbadener Eltern war das in der Vergangenheit sogar Anlass, ihr Kind in einen kirchlichen Kindergarten wechseln zu lassen.

    Doch seit einem Dreivierteljahr schreibt Hessen das Verhältnis von Erziehern zur Anzahl der Kinder sogar vor. Deshalb haben die Kommunen mehr Erzieherinnen eingestellt. Allerdings lässt die Regierung Koch nun ausgerechnet die Städte auf den Kosten sitzen, die schon vor dem September vergangenen Jahres Personal aufstockten, um die Kita-Gruppen - wie vom Land gewünscht - zu verkleinern. Die Kommunen dagegen, die den Personalschlüssel erst verbesserten, nachdem die neuen Mindeststandards landesweit in Kraft traten, bekommen das bezahlt. Auch das: Sparen auf Hessisch.

    Und was zeigt ein Blick in östliche Bundesländer, zum Beispiel ein kritischer Blick nach Brandenburg?

    So lebendig ist es selten in der Staatskanzlei in Potsdam. Aber am 1. Juni durften über 100 Kinder aus märkischen Grundschulen in das Regierungsgebäude der Landeshauptstadt. Eingeladen hatte Ministerpräsident Matthias Platzeck, um mit ihnen den internationalen Kindertag zu begehen.

    "Kinder sind willkommen" lautet das Motto des Tages, aber auch für die Landesregierung von Brandenburg überhaupt. Schon im Koalitionsvertrag, den die Sozialdemokraten mit der LINKEN geschlossen haben, heißt es in der Präambel:

    Im Zeitalter des Wissens hängt die Zukunft unseres Gemeinwesens von nichts anderem so sehr ab wie von den Fähigkeiten und Kenntnissen seiner Menschen. Gute Bildung darf deshalb so wenig wie irgend möglich von sozialer oder regionaler Herkunft abhängen. Wir wollen Chancengleichheit für alle. Deshalb investieren wir in die Bildung – von der Kita über unsere Schulen bis zu den Hochschulen.""

    Darauf verlässt sich Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht und fordert, dass ein gutes Aufwachsen in Brandenburg für alle Kinder eine Aufgabe sei, der wir uns immer aufs Neue stellen müssten, so der SPD-Politiker und betont:

    "Wir haben einen Konsens hingekriegt im Kabinett und auch in den beteiligten Fraktionen, dass wir gesagt haben: Es gibt einen Bereich, wo wir auf keinen Fall sparen dürfen, das ist unsere Zukunft, das sind unsere Kinder und deshalb bin ich von diesen drastischen Sparmaßnahmen ausgenommen worden."

    Sozialdemokrat Rupprecht sieht den Bund bei den Ausgaben für Bildung stärker in der Pflicht. Dieser müsse sich mehr engagieren und dürfe sich gerade hier nicht der Verantwortung entziehen, sagte er nach seiner Teilnahme an der letzten Kultusministerkonferenz.
    Auch das – vergleichsweise – "arme Land" Brandenburg habe bewiesen, dass es mehr Geld als vorher für den Bildungsbereich ausgebe.

    Es will sogar den Personalschlüssel in Kindertagesstätten und die Ganztagsangebote an Schulen weiter verbessern. Konkret heißt das nach den Plänen von Rupprecht, dass zusätzliches pädagogisches Personal an den Schulen eingesetzt werden soll, sprich: Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen.

    Das Bundesland Brandenburg gibt, im Vergleich zur Vorgängerregierung, insgesamt mehr als 40 Millionen Euro zusätzlich für den Bildungsbereich aus. Und nicht nur das: Mit rund fünf Millionen Euro soll auch das auf Bundesebene in den 90er-Jahren gestrichene Schüler-Bafög wieder eingeführt werden. Als erstes Bundesland will Brandenburg vom nächsten Schuljahr an Abiturienten aus einkommensschwachen Familien monatlich in Abhängigkeit vom Haushaltseinkommen 50 oder 100 Euro zahlen.

    Etwa 4000 Schüler könnten das in Anspruch nehmen, hat man in Potsdam ausgerechnet. Der Landtag verabschiedete bereits das entsprechende Gesetz mit der Regierungsmehrheit von SPD und der Linken.

    Doch die gut klingenden Vorhaben ernten nicht nur Lob und Anerkennung. Kritik übt beispielsweise die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW. Für Günther Fuchs, den GEW-Vorsitzenden in Brandenburg, kommt die Unterstützung zu spät:

    "Dort, wo wir eigentlich was tun müssten, an den Übergängen nämlich in Fünf und Sechs, wo wir den Schülern überhaupt die Möglichkeit geben müssten, in den gymnasialen Bildungsgang hineinzugehen - dort werden sie nämlich rausgekegelt durch den Leistungsdruck, weil die Eltern, die das Geld nicht haben, nicht den Schülern die Nachhilfe bezahlen können -, da machen wir gar nichts. Da setzen wir uns hin und sagen, das bleibt alles so, wie es ist. Und die, die sich da durchgesessen haben, berechtigterweise: Ihr könnt noch mal was kriegen. Dort muss man ansetzen. Das ist eine falsche Politik. Und die diskutieren wir bei Rot-Rot genauso, als wär's bei Rot-Schwarz gewesen.

    Rot-Rot verweist hingegen darauf, Erfahrungen sammeln zu wollen, das neue Gesetz soll bis Ende 2013 evaluiert werden. Peter-Paul Humpert, der Geschäftsführer des Landkreistages von Brandenburg, sieht das ehrgeizige Projekt mit großer Skepsis, denn:

    ""Es droht ein fulminanter Fehlstart. Die Vorbereitungen, um das Gesetz pünktlich umzusetzen, sind überhaupt noch gar nicht getroffen. Uns fehlt insbesondere vom Land die Software, die wir brauchen, um die Anträge bearbeiten zu können; die wird frühestens im Frühherbst vorliegen ..."

    Auch ein anderer Aspekt macht dem Land zu schaffen: Die Zahl der Studienberechtigten geht in Brandenburg zurück. Dem will das nördliche Bundesland mit einer gezielten Werbekampagne entgegenwirken. Motto: Studiert in Brandenburg.

    Nicht aus purem Altruismus werbe man für Brandenburg als Bildungsland der Zukunft, sagt die Wissenschaftsministerin Martina Münch und hebt hervor:

    "Wir haben gute Universitäten. Wir möchten unsere Plätze auch voll auslasten, die wir haben. In einigen Studienfächern haben wir sehr viele Bewerber und eine sehr große Nachfrage, aber in anderen Studienfächern - und das betrifft vor allem die sogenannten MINT-Fächer, also Mathematik, Ingenieur, Naturwissenschaften und Technik -, da könnten wir durchaus noch mehr Studienanfänger gebrauchen. Und deswegen werben wir, weil wir wissen, wir haben auch viel zu bieten."

    Doch auch in Brandenburg stößt der Wille nach Bildungsförderung an die Grenzen der dazu notwendigen Finanzkraft. Finanzminister Helmut Markov, Die LINKE, zog deshalb vorerst die Notbremse und verkündete letzte Woche im Parlament eine Haushaltssperre.