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Vor dem Urteil im Kofferbomber-Prozess

Das Verfahren im Kofferbomber-Prozess um die beiden Libanesen, die im Juli 2006 Sprengsätze in zwei Regionalzügen deponierten, offenbart auch die Lücken der Terrorabwehr in Deutschland. Seit Jahren klagen die deutschen Sicherheitsbehörden, dass sie über zu wenig Personal mit soliden Sprachkenntnissen verfügen und dass es zu wenige qualifizierte Mitarbeiter gibt, die sich im islamischen Kulturkreis oder mit den Gepflogenheiten ihres Gastlandes auskennen.

Von Rolf Clement | 07.12.2008
    "Ja, ja. Hundert Prozent sicher ist man ja nie mehr. Also, dass das so weit gekommen ist, dass das jetzt auch in Deutschland ist. Man kann ja nicht mal mit der U-Bahn fahren, praktisch. Da könnte so etwas auch passieren. Es ist immer ein gewisses Risiko. Aber das wird noch schlimmer, denke ich mir mal."
    "Der kann ja da auch was gelegt haben, dass hier was hochgeht."

    Reaktionen auf Bahnsteigen nach Bekanntwerden der Anschlagsversuche auf zwei Regionalzüge. Am 31. Juli 2006 bestiegen zwei junge Libanesen, jeder mit einem Koffer, zwei unterschiedliche Züge im Kölner Hauptbahnhof.

    Die beiden stiegen beim nächsten Bahnhof wieder aus, ließen aber die Koffer zurück. Getrennt gelangten sie zum Köln/Bonner Flughafen, um von dort über Istanbul nach Damaskus zu fliegen. Anschließend ging die Reise weiter nach Tripoli im Libanon.

    Die Koffer wurden später gefunden und noch an den Bahnhöfen von Hamm und Koblenz als Bomben identifiziert. Die Oberstaatsanwältin bei der Bundesanwaltschaft Duscha Gmel wird am Ende des fast einjährigen Prozesses in ihrem Plädoyer vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht feststellen, dass Deutschland noch niemals so nah vor einem islamistischen Terroranschlag stand wie an diesem Sommertag des Jahres 2006. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, beschreibt, was geschehen wäre, wenn die Bomben denn tatsächlich explodiert wären:

    "Zwei zeitgleiche Bombenexplosionen in Regionalzügen, ein Feuerball durch Brandbeschleuniger, die in den Koffertrolleys zusätzlich vorhanden waren, aber mit der eigentlichen Zündeinrichtung der Bombe nichts zu tun hatten, ausgebrannte Zugwaggons, eine unbestimmte Anzahl an Verletzten und möglicherweise Toten, möglicherweise auch entgleiste Züge."
    Eine Computersimulation macht das Schreckensszenario noch anschaulicher: Durch die beiden Regionalzüge wäre ein Feuerball gerast, unter der Wucht der Detonation wären die Züge auseinandergerissen worden.

    Die Züge seien an diesem Tag nicht sehr voll gewesen, bekundeten Zeugen, es waren Sommerferien. Gar nicht auszudenken, was außerhalb der Urlaubszeit geschehen wäre - dann hätte es besonders viele Jugendliche auf dem Heimweg von der Schule getroffen.

    Der Sachverhalt ist unstrittig: Die beiden Libanesen Youssef El Hajib und Dschihad Hamad schmiedeten ihre Anschlagspläne über Monate hinweg - als Reaktion auf die Mohamed-Karikaturen, die zuerst in Dänemark und dann auch in Deutschland veröffentlicht worden waren und zu einer Welle der Empörung in der islamischen Welt und der muslimischen Gemeinschaft geführt hatten.

    Zunächst hatten die beiden erwogen, während der Fußballweltmeisterschaft 2006 ein Stadion oder eine der Kölner Rheinbrücken ins Visier zu nehmen. Dann aber entstand der Plan mit den Anschlägen auf Regionalzüge. Die präparierten Koffer stellten sie in den Zügen ab und flogen unmittelbar darauf in den Libanon. Doch die Sprengsätze explodierten nicht. Warum nicht?

    Um diese Frage drehte sich im wesentlichen der gesamte Prozess – und sie dürfte entscheidend sein für das zu erwartende Strafmaß. Das fachliche Gutachten gibt zunächst technisch Auskunft: Die verwendeten Gasflaschen konnten nicht explodieren, weil das verwendete Gas Sauerstoff benötigt, um – mittels eines Zünders - eine Explosion auszulösen.

    Youssef El Hajib behauptet, er habe die Kofferbomben bewusst so konstruiert, dass eine Explosion unmöglich gewesen sei. Denn er habe der Gasflasche keinen Sauerstoff hinzugefügt. Der Sprengsatz war eine Attrappe, mehr nicht, sagt der Angeklagte.

    Zwar räumte er ein, sich anfangs aktiv an den Vorbereitungen für den Anschlag beteiligt zu haben. Doch dann starb sein Bruder im Libanon, und er habe von diesem Plan abgelassen. El Hajibs Anwalt Johannes Pausch:

    "Allein der Umstand, dass er mit seiner Schwester und deren Kindern am Telefon gesprochen hat, hat ihm einfach nochmal vor Augen geführt, was passieren könnte, wenn diese Tat wirklich zu Ende geführt wird."

    Die Bundesanwaltschaft schenkt dieser Darstellung keinen Glauben. Sie steht auf dem Standpunkt, dass die beabsichtigte Explosion nur durch eine technische Panne verhindert worden sei, die Beschuldigten hätten bis zuletzt an ihrer Absicht festgehalten, bei diesen Anschlägen Menschen zu töten.

    Die Ankläger begründen dies so: Erstens hätten die Täter viele Spuren an den Koffern hinterlassen - das hätten sie niemals getan, wenn sie nicht sicher davon ausgegangen wären, dass die Spuren bei der Explosion vernichtet worden wären.

    Zweitens hätte eine Attrappe nicht so aufwändig konstruiert werden müssen wie die benutzten Bombenkoffer. Drittens zeige das stark islamistisch geprägte familiäre Umfeld, dass sich El Hajib mit der Ideologie des Heiligen Krieges identifiziert habe.

    Wochenlang gingen die Argumente hin und her. Der Prozess stieß immer wieder an dieses Problem: Der einzige Zeuge, Dschihad Hamad, sitzt im Libanon in Haft und war nicht bereit, in Deutschland auszusagen. So mussten dessen Einlassungen in Beirut aus zweiter, teilweise aus dritter Hand eingebracht werden. So wurde der Prozess auch zu einem Spiegelbild der Stärken und Schwächen der Terrorismusbekämpfung in Deutschland.

    Dass die beiden Libanesen nicht während der Fußballweltmeisterschaft zugeschlagen haben wie ursprünglich geplant, reklamiert die Bundespolizei als einen Erfolg für sich. Der Präsident der Bundespolizeidirektion Potsdam, Martin Seeger:

    "Wir haben festgestellt, unmittelbar und nach diesen Anschlagsversuchen, dass die Reisenden in den Zügen und auf den Bahnhöfen sehr, sehr aufmerksam gewesen sind und sehr oft die Bundespolizei bei Gepäckstücken, die offensichtlich herrenlos umherstanden, gerufen haben. Wir haben sehr viele Informationen auch bekommen von der Bevölkerung. Das ist dann naturgemäß im Laufe der Zeit danach wieder abgeflacht."
    Tatsächlich sind in Deutschland schon mehrere Anschläge im Vorfeld aufgedeckt und verhindert worden - nicht so die geplanten Anschläge auf die Regionalzüge. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, meint, dass die beiden sogennanten Kofferbomber Täter sind, ...

    "... die noch nicht lange in Deutschland gewesen sind, und von daher war auch die Aufklärung im Vorfeld sehr schwierig beziehungsweise gar nicht möglich. Wir haben hier schlicht Glück gehabt."

    Ein weiterer Aspekt: Das Bundeskriminalamt entschloss sich zu einer neuen Form der Öffentlichkeitsfahndung. BKA-Präsident Ziercke:

    "Wir sind ja sehr breit eingestiegen erstmals in Deutschland mit einer so offenen Videofahndung. Wir waren uns relativ sicher, dass aufgrund dieses Materials auch ein Fahndungserfolg möglich sein müsste. Wir haben mit Reaktionen der Tatverdächtigen gerechnet, weil auch Hintergrundmaßnahmen noch geschaltet waren. Und dieses Kalkül ist letztlich aufgegangen."

    Aufgrund dieser Fahndung wird Youssef El Hajib an seinem Studienort Kiel festgenommen, wohin er Anfang August 2006, also wenige Tage nach dem Attentatsversuch, zurückgekehrt war – übrigens nicht durch Hinweise deutscher Fernsehzuschauer, sondern durch Hinweise aus dem Libanon, wo die Bilder ebenfalls veröffentlicht wurden.

    Für diese Fahndungsaktion musste Videomaterial ausgewertet werden, das auf zwei Vorort-Bahnhöfen und im Hauptbahnhof von Köln aufgenommen wurde. Die Fahnder des Bundeskriminalamtes mussten dabei mit ungeahnten Schwierigkeiten kämpfen.

    Beide Züge durchfuhren auf ihrer Strecke drei Bahnhöfe in Köln. In einem davon mussten die Täter eingestiegen sein. In diesen drei Bahnhöfen gab es insgesamt 225 Kameras, deren Bilder nun überprüft werden mussten.

    Um die möglichen Täter herauszufiltern, musste Videomaterial im Gesamtumfang von 545 Tagen gesichtet werden. Dies geschah unter großem Zeitdruck, weil die Polizei befürchten musste, dass noch weitere Koffer dieser Art unterwegs sein könnten. Zudem war keinesfalls ausgeschlossen, dass es die beiden Attentäter nach den zwei Fehlversuchen nicht noch einmal probieren würden.

    So arbeitete eine Kommission des Bundeskriminalamtes rund um die Uhr, kam allerdings zunächst nicht weiter. Die Videobänder ließen sich nicht abspielen, weil die Software der BKA-Computer nicht kompatibel mit jener der Bundespolizei war. Zwei Tage verstrichen, bis die richtige Software beschafft und auf die BKA-Computer aufgespielt war. Dann erst konnte mit der Sichtung des Materials begonnen werden.

    Die Defizite jedoch blieben – die Qualität der Aufnahmen lässt bis heute zu wünschen übrig. Polizeipräsident Martin Seeger von der Bundespolizeidirektion Potsdam:

    "Ich kann generell sagen, dass wir - das ist mittlerweile auch geschehen - uns durchaus schärfere Bilder gewünscht hätten, die jetzt auch mittlerweile gewährleistet sind."

    Nicht nur schärfere Bilder, sondern ganz neue Fahndungsmöglichkeiten erhofft sich Seeger von einer neuen Technologie, die zur Zeit in einem Pilotprojekt entwickelt wird:

    "Gesichtsfelderkennung: Wo wir uns wünschen würden, dass die Technik soweit ist, dass wir ein Gesicht einspeisen biometrisch in die Fahndung, und dass die Kamera dann automatisch reagiert, wenn sie dieses Gesicht im Reisendenstrom feststellt."

    Das hätte in diesem Fall nicht greifen können, da die mutmaßlichen Attentäter nicht zum Kreis der bereits vorher Verdächtigten gehörten. Aber in anderen Fällen kann die neue Technologie durchaus hilfreich sein.

    Zugute kam den beiden Libanesen, dass die Öffentlichkeit in Deutschland der Bedrohung durch Terroristen nur wenig Aufmerksamkeit schenkt. Tatsächlich sind die beiden Bombenkoffer keinem einzigen Bahnreisenden aufgefallen. Sie wurden von Köln bis Hamm beziehungsweise Koblenz – den Zielorten der Regionalzüge – transportiert, ohne dass sie Aufmerksamkeit erregt hätten.

    Erst an der Endstation in Hamm bemerkte ein Bahnmitarbeiter den abgestellten Koffer im mittlerweile leeren Zug. Er rief bei der zuständigen Stelle der Bahn an – dort wurde er aufgefordert, den Koffer wieder zurück nach Dortmund zu nehmen, um ihn bei einem Bahn-Fundbüro abzugeben.

    So schleppte der Bahnbedienstete den schweren Koffer über einen holprigen Bahnsteig in Hamm ins Abteil des Zugführers. In Dortmund rief er einen Mitarbeiter an, der den Koffer zum Fundbüro bringen sollte. Wiederum wurde der Bombenkoffer holpernd über den Bahnsteig gezogen und eine Treppe hinunter getragen. Dabei riss eine Trageschlaufe.

    Scheppernd fiel der Koffer einige Stufen die Treppe hinunter. Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn dabei die Bombe explodiert wäre. Als im Fundbüro dann endlich der Koffer geöffnet wurde, war das Entsetzen groß.

    Diese Sorglosigkeit, ja der Leichtsinn im Umgang mit einem herrenlosen, über die Maßen schweren Gepäckstück ist schon bemerkenswert. Zumal nach den immer wieder vorgebrachten Terrorwarnungen, die deutlich machten, dass die Gefahr von Anschlägen gewachsen ist. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm:

    "Die Bedrohung ist nach unserer Einschätzung sehr real, erheblich nach wie vor. Sie hat nach unserem Eindruck in den letzten Monaten in den zurückliegenden Jahren eher zugenommen als abgenommen. Das wird weitgehend in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen."

    Doch mangelndes Bewusstsein ist nicht der einzige Risikofaktor – es gibt noch andere Defizite. Beamte des Bundeskriminalamtes werden ins Ausland entsandt, um an den dortigen Botschaften die einschlägige Szene zu beobachten, offizielle Informationen einzuholen oder im persönlichen Kontakt Erkenntnisse zu sammeln. So hatte auch der entsprechende Verbindungsbeamte im Libanon Dschihad Hamad in einem Gefängnis in Beirut vernommen und sein familiäres Umfeld untersucht.

    Die Berichte, die er nach Deutschland lieferte, waren im Düsseldorfer Prozess von großer Bedeutung. Allerdings: Der BKA-Beamte war – wie so viele andere auch – des Arabischen nicht mächtig. Er musste sich ausschließlich auf die Übersetzung eines Dolmetschers verlassen. Das Bild, das er sich bei diesen Vernehmungen machen konnte, war also nur ein mittelbares.

    Seit Jahren klagen die deutschen Sicherheitsbehörden, dass sie über zu wenig Personal mit soliden Sprachkenntnissen verfügen; dass es zu wenige qualifizierte Mitarbeiter gibt, die sich zum Beispiel im islamischen Kulturkreis auskennen oder mit den Gepflogenheiten ihres Gastlandes vertraut sind. Ein Misstand, der bei weitem nicht behoben ist.

    Dabei machte auch dieser Prozess wieder deutlich, wie wichtig die Berichte der deutschen Beamten im Ausland sind. Die Aussage des libanesischen Komplizen im Gefängnis von Beirut - er könne sich nicht erklären, warum die Bombenkoffer nicht explodiert seien, wo es doch das gemeinsame Ziel gewesen sei, möglichst viele Menschen in den Tod zu reißen – diese Aussage wurde im Düsseldorfer Prozess zu einem der wesentlichen Belastungsmomente.

    Kein Wunder also, dass die Verteidigung alles daran setzte, diese Vorwürfe zu entkräften – so versuchten die Anwälte den Nachweis zu erbringen, dass das Geständnis des libanesischen Häftlings unter Folter zustande gekommen sei – was die deutschen Verbindungsbeamten kategorisch und geradezu empört zurückwiesen. Die Frage steht im Raum, ob es möglicherweise den deutschen Beamten an einer kritischen Distanz zu den libanesischen Ermittlungsmethoden gefehlt hat.
    Ins Leere ging die Suche nach einem möglichen dritten Tatbeteiligten – was den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach sich gezogen hätte. Der Verdacht lag nahe – stützen sich doch islamistische Attentäter häufig auf ein entsprechendes Netzwerk. Im Fall der Kofferbomber war das aber nicht erkennbar. Allerdings sagt Verfassungsschutz-Präsident Fromm:

    "Es ist so, dass eine Vernetzung in dem üblichen Sinne, dass es sich um eine Gruppe handelt, die in irgendeiner Weise verbunden ist mit einer Organisation, womöglich im Ausland, dass das so hier zwar nicht vorlag, dass es aber durchaus Verbindungen gegeben hat ins Ausland zu ebenfalls offenbar islamistischen Personen in Skandinavien und in die Heimatregion, das spielt schon eine Rolle. Aber es gab offensichtlich keine Steuerung durch eine Organisation."

    Doch selbst, wenn eine gemeinsame Organisation oder gar eine Vernetzung bei den geplanten Kofferbomben-Attentaten nicht erkennbar geworden sind: Das familiäre Umfeld des Angeklagten El Hajib wirkte doch in das Prozessgeschehen hinein.

    Ein Beispiel dafür ist El Hajibs Bruder Chaled, der in Schweden lebt und intensiven Kontakt mit dem Angeklagten hatte. Zwar betonte El Hajjib immer wieder, dass sein Bruder nichts von Anschlagsplänen gewusst habe. Chalid selbst weigerte sich aber, im Prozess auszusagen. So konnte seine wirkliche Rolle letztendlich nicht geklärt werden.

    Wie aber ist die Aussage El Hajibs zu werten, er habe seinen Komplizen im Unklaren darüber gelassen, dass die Kofferbomben gar nicht einsatzfähig waren? Sein Anwalt Johannes Pausch:

    "Er hat dann ja beschlossen, dass er für sich als derjenige, der maßgeblich an der Konstruktion beteiligt war, diese nicht zu Ende führt, ohne Dschihad Hamad darüber zu informieren und diesen einzuweihen, weil deutlich geworden ist für ihn, dass Dschihad Hamad auf jeden Fall wollte, dass dieser Plan zu Ende geführt wird, er es aber nicht mehr wollte."

    Wusste der Komplize wirklich nichts davon? Auch das konnte wohl endgültig nicht geklärt werden – nicht zuletzt deshalb, weil er in Düsseldorf nicht aussagte. Alle Hinweise stützen sich auf Aussagen aus zweiter Hand. Einen eigenen Eindruck konnte sich das Gericht in Düsseldorf nicht verschaffen.

    Der Grund dafür liegt tiefer: Es gibt kein Rechtshilfeabkommen zwischen Deutschland und dem Libanon – was sich bereits in anderen Verfahren negativ bemerkbar machte. Es liegt im Ermessen der libanesischen Behörden, ob sie einem Hilfeersuchen aus Deutschland nachkommen oder nicht.

    Die Düsseldorfer Bitte um die Überlassung von Vernehmungsprotokollen des im Libanon inhaftierten Komplizen wurde erst nach über zweieinhalb Jahren beantwortet – zu einem Zeitpunkt, da es für den Angeklagten in Düsseldorf gerade sehr günstig war.

    Das fehlende Rechtshilfeabkommen ist sicherlich ein Hindernis für eine erfolgreiche, grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Hier besteht angesichts der Vielzahl von Verfahren gegen Angeklagte aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens politischer Handlungsbedarf.

    Allerdings offenbarte das Verfahren gegen Youssuf El Hajjib auch die Lücken der Terrorabwehr in Deutschland. Ob mit Blick auf die technische Ausstattung der Sicherheitsorgane oder mit Blick auf die sprachlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter - die Defizite behindern nicht nur die Aufklärung möglicher Straftaten, sie betreffen auch die Früherkennung und Prävention.

    Wenn der Kofferbomber-Prozess abgeschlossen ist, steht in Düsseldorf gleich das nächste Verfahren an – diesmal gegen die sogenannte Sauerlandgruppe. Gemeinsam ist beiden Verfahren, dass die Attentäter scheiterten und ihre Pläne nicht ausführen konnten. Die Sauerland-Gruppe wurde noch in der Planungsphase verhaftet.

    Und doch gibt es viele Unterschiede: Die Sauerland-Gruppe ist größer, eindeutig nach außen vernetzt und damit auch in ihrem Tatansatz anders zu bewerten. Hier handelt es sich um mindestens drei Angeklagte, ein vierter Verdächtiger könnte noch dazukommen.

    Die Angeklagten sehen sich dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ausgesetzt, möglicherweise auch in einer inländischen Vereinigung. Sie versuchen, sich gegen diesen Vorwurf zur Wehr zu setzen, indem sie behaupten, die Gruppe habe es zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Anschlagsvorbereitungen noch gar nicht gegeben.
    Aber von beiden Gruppierungen ging dasselbe Signal aus: Deutschland stand in beiden Fällen sehr dicht vor einem Terroranschlag.

    Youssef El Hajib wird nun aller Voraussicht nach am kommenden Dienstag sein Urteil erfahren. Die Verteidigung forderte Freispruch – der Angeklagte habe ja den Deutschen nur einen Schrecken einjagen wollen. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslänglich.

    Zu Prozessbeginn zeigte der damalige Sprecher des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Ulrich Thole, den Rahmen auf, der dem Gericht im Falle eines Schuldspruches zur Verfügung steht:

    "Dem Angeklagten droht grundsätzlich eine lebenslange Freiheitsstrafe. Hier ist angeklagt ein vielfacher Mordversuch. Bei Mordversuch kann ein Gericht auf lebenslängliche Freiheitsstrafe erkennen. Es muss es aber nicht. Das heißt, der Senat könnte hier auch eine zeitige Freiheitsstrafe verhängen."