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Vor den Europawahlen
Schwieriger Kampf gegen Fake-News

Migration und innere Sicherheit – diese Themen könnten vor den Europawahlen für digitale Desinformationskampagnen genutzt werden. Die EU hat Gegenmaßnahmen auf den Weg gebracht. Aber das reiche nicht, meinen Experten.

Von Katharina Peetz | 20.02.2019
    Eine Frau sitzt auf einem Sofa und liest die Zeitung "The Daily Fake News".
    Der Kampf gegen Fake-News beschäftigt Politik und Experten vor der Europawahl 2019 (Unsplash / rawpixel)
    Bei der Verbreitung von falschen Informationen unterscheiden Experten drei Arten: völlig frei erfundene Informationen, manipulierte Inhalte wie nachbearbeitete Fotos und falsch eingeordnete Inhalte. Letztere seien beispielsweise bei der Bundestagswahl 2017 am häufigsten vorgekommen, erklärt Alexander Sängerlaub.
    Er ist Kommunikationswissenschaftler und bei der Stiftung Neue Verantwortung, einer Denkfabrik für Digitalthemen, Projektleiter für den Bereich Desinformation in der digitalen Öffentlichkeit. Im Europawahlkampf sieht er ähnliche Themen im Fokus von Desinformationskampagnen wie bei der Bundestagswahl:
    "Migration, innere Sicherheit, Straftaten und solche Geschichten sind so die Top-Themen, die wir wahrscheinlich auch zur Europawahl sehen werden. Es ist aber auch viel Misstrauen gegen Eliten, Misstrauen gegen die europäischen Institutionen, wo Desinformationen geteilt werden. Es ist natürlich ein Unterschied zwischen legitimer Kritik, zu sagen, wir wünschen uns, dass Europa demokratischer wird, wenn es zum Beispiel um die Rechte des Parlaments geht und was wirklich Desinformation oder Lügen sind, die über die Institutionen verbreitet werden."
    Soziale Medien spielen als Nachrichtenquelle kaum eine Rolle
    Anders als beispielsweise in den USA sei die Öffentlichkeit in Deutschland weniger durch Desinformation zu beeinflussen, glaubt Alexander Sängerlaub. Das liege unter anderem daran, dass Medien in Deutschland grundsätzlich eine höhere Glaubwürdigkeit zugeschrieben werde. Soziale Netzwerke würden nur in geringem Maße als Nachrichtenquelle genutzt. Mit Blick auf die anderen EU-Staaten müsse man differenzieren:
    "Sie müssten sich eigentlich jedes Land einzeln angucken, und müssen herausfinden, gibt es öffentlich-rechtliche Medien, gibt es vielleicht geopolitische Interessen aus anderen Ländern, die dort eine Rolle spielen. Zum Beispiel haben Sie einfach in Osteuropa eine höhere russischsprachige Bevölkerung, die konsumieren vielleicht mehr Heimatmedien. In Russland gibt es aber keine Presse- und Meinungsfreiheit. Also, da kriegen Sie viel mehr Staatspropaganda."
    Gesetzliche Regeln schwierig umzusetzen
    Schwierig sei es, gesetzliche Maßnahmen gegen Desinformation auf europäischer Ebene durchzusetzen. Die EU-Kommission hat im Herbst vergangenen Jahres einen Verhaltenskodex für die Bekämpfung von Desinformation im Internet aufgesetzt. Damit verpflichten sich Internet-Plattformen wie Facebook und Google unter anderem zu mehr Transparenz bei politischer Werbung. Bis zur Europawahl wollen Facebook und Google jeweils sogenannte Wahlwerberegister freischalten. Alexander Sängerlaub begrüßt das grundsätzlich:
    "Es ist quasi der Versuch, bessere Transparenz herzustellen, welche Werbung dort geschaltet wurde. Es ist auch gar nicht so schlecht gemacht, weil ich nach Begriffen suchen kann und mir anschauen kann, wer schaltet dazu gerade Werbung, wer wird damit erreicht, wieviel wurde für die Werbeanzeige ausgegeben. Das Problem ist aber, dass die Werbetreibenden sich selber einordnen müssen, ob ihre Werbung in das Wahlwerberegister fällt oder nicht. Wenn ich aber Desinformation bewusst verbreiten will auf den Plattformen, schalte ich einfach eine Werbung, die gar nicht in diese Kategorie fällt und damit unter Umständen gar nicht angezeigt wird im Wahlwerberegister."
    Eine Hand steckt einen Umschlag in eine Wahlurne vor der Europafahne. Symbolfoto.
    Die Glaubwürdigkeit der Medien ist in Deutschland weitaus höher als beispielsweise in den USA (dpa / ZB / Peter Endig)
    Ein weiteres Problem sei, dass die Plattformen ihre Daten beispielsweise nicht für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung stellten. Dadurch sei es schwierig, effektive Regulierungsansätze zu entwickeln.
    Auch Bürger tragen Verantwortung
    Am Ende liegt damit ein großer Teil der Verantwortung bei den EU-Bürgern selbst, so Alexander Sängerlaub:
    "Weil letztlich sind wir darauf angewiesen, dass wir alle verstehen, was Informationen sind. Wie ich gute und schlechte Informationen trennen kann, wie ich vielleicht eine Information nachrecherchieren kann, ob ich unterscheiden kann, ob Russia Today im Vergleich zur Süddeutschen Zeitung auch eine gute Quelle ist oder eher nicht. Das alles sind Verantwortungen, die heute viel mehr auf den Nutzer übertragen und transferiert werden, weil wir an so vielen Stellen online Informationen direkt konsumieren oder präsentiert bekommen von Werbetreibenden, von Politikern, von PR, von anderen Akteuren."
    In Anbetracht von Desinformationskampagnen ist digitale Bildung der Schlüssel zur notwendigen Medienkompetenz.