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Vor der Agarministerkonferenz
Demonstration für eine klimafreundliche Landwirtschaft

Die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen für mehr Klimaschutz reichen vielen Menschen nicht aus. Vor der Agrarministerkonferenz in Mainz forderten Demonstranten, die Landwirtschaft mit Blick aufs Klima stärker in die Pflicht zu nehmen - und sie grundlegend zu reformieren.

Von Anke Petermann | 23.09.2019
Demonstranten mit einem Banner, auf dem steht: "Wir haben es satt"
Die Demonstranten haben die Agrarpolitik von EU und Bundesregierung satt. Sie fordern, dass die Agrarförderung sich mehr nach artegerechter Tierhaltung und klimaschonender Wirtschaftsweise ausrichtet (Deutschlandradio/Anke Petermann)
"Humus fürs Klima" und "Regenwürmer statt synthetischer Düngemittel" steht auf Transparenten. Ein junger Familienvater und eine pensionierte Ärztin gehen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union auf die Straße.
"Weil es uns ein Anliegen ist, dass wir leckeres Essen kriegen, das auch gesund ist. Und auch Essen, wovon Menschen leben können, die das produzieren."
"Es gibt ja viele Rückstände, das ist bekannt, es gibt Nahrungsmittel, die gezüchtet sind, die selektioniert sind auf bestimmte Eigenschaften, die haben bei weitem nicht mehr den ernährungsphysiologischen Wert, den ein Nahrungsmittel, ein Apfel zum Beispiel hat, der sich über viele Jahrzehnte, über eine lange Zeit entwickelt hat."
Kann die Ärztin und Biologin Gisela Bräuninger gerade noch vollenden, bevor sich der kleine Demonstrationszug unter Johlen und Pfeifen in Bewegung setzt. Initiiert hat ihn unter anderem der Verein "Solidarische Landwirtschaft, den es mittlerweile in vielen Großstädten gibt. Solawi hat in Mainz 300 Mitglieder, Franziska Jockers ist eine von vier angestellten Bio-Gärtnerinnen.
"Solidarische Landwirtschaft" will Alternative sein
"Das Ganze ist in Gemüseanteilen verteilt, und es sind 120 Haushalte, die wir mit Gemüse versorgen das ganze Jahr. Und es ist gewünscht, dass Mitglieder auf dem Acker helfen, aber keine Pflicht. Wir haben den großen Vorteil, dass wir direkt an der Stadt dran sind und Mitglieder in 20 Minuten bei uns auf dem Acker sind. Damit Menschen wieder mehr ihr Essen in die Hand nehmen."
Start der Demo im Vorfeld der Agrarministerkonferenz in Mainz
Start der Demo im Vorfeld der Agrarministerkonferenz in Mainz (Deutschlandradio/Anke Petermann)
Das Interesse ist größer als die Kapazität des Vereins. Und auch im ländlichen Umland entdecken Verbraucher die Solidarische Landwirtschaft, soeben formiert sich im rheinhessischen Nierstein ein Verein. Solawi ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, ABL, die mit zur Demonstration im Vorfeld der Agrarministerkonferenz aufgerufen hat. Der Protest richtet sich auch gegen die Fördersystematik innerhalb der Europäischen Union. Georg Janßen ist Bundesgeschäftsführer der ABL. Die vertritt kleinbäuerliche Familienbetriebe und sieht diese von Brüssel benachteiligt.
Gerechtere EU-Subventionierung gefordert
"Bisher war es so, wer am meisten Fläche hat, hat am meisten Direktzahlungen bekommen. 20 Prozent der Betriebe bekommen 80 Prozentz aller EU-Steuergelder. Das ist ungerecht. Und das muss geändert werden. Da sind die Minister aber auch dran, weil der Druck größer wird. Das Geld wird weniger, was in Brüssel verteilt wird, also muss es gerechter verteilt werden."
Kriterien sollten sein, was dem Klima und den Tieren nutzt, so fordern auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND, und andere Naturschutzverbände. Nicht die reine Fläche sollte bezuschusst werden, sondern das, was in der sogenannten zweiten Fördersäule im Ansatz schon, aber laut Kritikern nicht ausreichend berücksichtigt wird:
"Vielgliedrige Fruchtfolgen, kleinere Schläge, damit Landschaftselemente eingebaut werden können, Hölzer, Hecken und so weiter, damit die Artenvielfalt gefördert wird. Das muss im Vordergrund stehen: Die Weidehaltung bei den Kühen, mehr Platz im Stall. Das sind Qualitätsmerkmale, an denen man eine Agrarreform und die Direktzahlungen ausrichten muss. Und nicht, wer am meisten Fläche hat, bekommt am meisten Schotter. Das hat dazu geführt, dass das außerlandwirtschaftliche Kapital immer mehr Betriebe übernimmt. Allein in Mecklenburg-Vorpommern sind schon 40 Prozent der Betriebe in den Händen des außerlandwirtschaftlichen Kapitals. Die Minister und Ministerinnen müssen hier in Mainz ein klares Signal dagegen setzen."
Denn agrarfremde Investoren, so begründet Kleinbauernfunktionär Janßen, seien nicht am Wohlergehen des Bodens interessiert, sondern am Gewinn. 'Stop Land Grabbing' steht auf dem Pappschild, das ein Demonstrant in die Höhe reckt: Schluss mit dem Landraub. Auch der Braunkohle sollten keine landwirtschaftlichen Flächen mehr geopfert werden, verlangen die Protestierer in Mainz:
"Danke schön!"