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Vor der Parlamentswahl
"Kleptopoly" in Malaysia

Vor der Parlamentswahl in Malaysia erfreut sich ein Brettspiel großer Beliebtheit: Bei "Kleptopoly" muss man sich als Politiker möglichst viele Staatsgelder unter den Nagel reißen. Im wahren Leben haben viele die Korruption unter Regierungschef Najib Razak satt - und setzen auf einen 92-jährigen Ex-Premier.

Von Holger Senzel | 05.05.2018
    Mitarbeiter des Zentrums für den Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft in Malaysia spielen "Kleptopoly": Bei dem Brettspiel nach "Monopoly"-Vorbild geht es darum, sich als Politiker möglichst viele Staatsgelder, Grundstücke und Firmen unter den Nagel zu reißen
    Mitarbeiter des Zentrums für den Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft in Malaysia spielen "Kleptopoly": Bei dem Spiel nach "Monopoly"-Vorbild muss man sich als Politiker möglichst viele Staatsgelder, Grundstücke und Firmen unter den Nagel reißen (AFP/ Mohd Rasfan)
    Der Gesang des Muezzins vermischt sich mit dem Rauschen der Wellen. Der Wind lässt die tausenden Fahnen flattern auf den Perhentian-Inseln vor der Ostküste des malaysischen Festlandes. Statt Plakate mit den Konterfeis der Kandidaten zu kleben, hissen die Wahlkämpfer in Malaysia Flaggen. Weiße Waage auf blauem Grund für die Regierungspartei von Premier Najib Razak, Halbmonde auf Hellblau mit roten Streifen für seinen 92-jährigen Herausforderer Mahatier Mohamad, Grün für die Islamischen. Das ganze Land ist in bunten Stoff getaucht, Panzerattrappen, Autos und Hubschrauber am Straßenrand großflächig mit Parteiwimpeln verkleidet, selbst auf den Bojen weit vor der Küste im Meer wehen Fahnen.
    Sollten die leidenschaftlichen Debatten in den Cafés und auf den Straßen überall im Lande repräsentativ sein, dann ist Malaysia reif für den Wechsel. Najib Razak – Premierminister seit 2009 – scheint bei vielen geradezu verhasst. "Es wird Zeit, dass das Volk aufbegehrt", sagt der politische Journalist James Tsidkenu, "denn diese Regierung ist einfach super, super, super, duper korrupt."
    Weltpolitisch stand der 31-Millionen-Einwohner Staat nicht sehr im Fokus - bis zum Skandal um den Staatsfond 1MDB. 681 Millionen Dollar Staatsgelder fanden sich plötzlich auf dem Privatkonto von Premier Najib Razak. "Ein Geschenk des saudischen Königs", rechtfertigte sich dieser. Der Generalstaatsanwalt von Malaysia ermittelte gegen den Premier und wurde – kurz vor Fertigstellung der Anklageschrift – seines Amtes enthoben.
    Malaysias Regierungschef Najib Razak
    Malaysias Regierungschef Najib Razak gilt als korrupt (dpa/picture-alliance/Fazry Ismail)
    "Najib geht es nur darum, sich selbst zu bereichern"
    "Najib ist ein Monster in der Wahrnehmung der Bevölkerung", sagt sein Herausforderer Mahathir bin Mohamad, "ihm geht es nur darum, sich selbst zu bereichern. Er stielt dem Volk Milliarden – Geld, das für Bildung fehlt, Schulen, Universitäten. Das dürfen wir nicht länger zulassen."
    Dr. Mahathir ist 92 Jahre alt, hat Malaysia 22 Jahre lang als Premierminister regiert, und er war quasi der politische Ziehvater von Amtsinhaber Najib Razak. Aus Wut und Enttäuschung über seinen einstigen Protegé kehrte er aus dem Altenteil auf die politische Bühne zurück. "Diese Wahl ist persönlich" gesteht er offen ein. Eine Geschichte von Freundschaft, Enttäuschung, Verrat. Mahathir glaubt selbst nicht, dass er eine komplette Legislaturperiode durchhalten könnte – ihm geht es vor allem darum, Najib Razak loszuwerden.
    "Dieses Land galt als Modell für den Aufstieg eines Entwicklungslandes. Wachstum und Wohlstand nach der Unabhängigkeit waren beispielhaft. Malaysia war eine Erfolgsgeschichte, ein asiatischer Tiger. Das ist lange vorbei."
    Verklärung der Regierungszeit von Dr. Mahathir
    Auch Dr. Mahathir – wie ihn alle in Malaysia nur nennen – war als Premier kein Musterdemokrat. Ähnlich wie Singapurs Staatsgründer Lee Kuan Yew regierte er das Land autoritär und mit harter Hand, war gefürchtet und geschätzt. Doch 15 Jahre später hat sich seine Regierungszeit längst verklärt, und die meisten Malaysier denken vor allem an die bemerkenswerten wirtschaftlichen Erfolge und atemberaubenden Wachstumsraten während seiner Amtszeit. Fragt man heute in Malaysia nach Dr. Mahathir, dann bekommen die Menschen – egal ob alt oder jung – leuchtende Augen und geraten ins Schwärmen.
    "In Malaysia darf man erst mit 21 Jahren wählen – ich bin 18. Ich würde wohl Mahatier wählen. Ja, ich bin jung und er ist alt, aber ich glaube seinen Versprechen. Und ich glaube, er wäre gut für dieses Land. Meine Eltern schwärmen immer noch von der Zeit, als er Premier war, als Malaysia ein stolzes und ehrliches Land war. Wissen Sie, wir wollen wieder stolz sein auf unser Land – und momentan ist die Regierung so korrupt, und die ganze Welt redet nur über Skandale. Malaysia hat einen so schlechten Ruf in anderen Staaten, es ist mir echt peinlich – da muss sich etwas ändern."
    Eine Wahlkampfveranstaltung des Amtsinhabers. Najib Razak spricht von Schicksalswahlen – das Überleben Malaysias hänge von seiner Wiederwahl ab. Darunter macht er es nicht. Er hat großzügig Geschenke gemacht, Fördergelder verteilt für vielerlei Projekte in den Provinzen – neue Straßen, Wohnsiedlungen, Industriegebiete.
    Großer Beliebtheit erfreut sich bei den Wählern derweil "Kleptopoly" – ein Brettspiel nach dem Vorbild von Monopoly, bei dem es darum geht, sich als Politiker möglichst viele Staatsgelder, Grundstücke und Firmen unter den Nagel zu reißen.
    Der malaysische Politiker Mahathir Mohamad
    Mahathir Mohamad, 92, hat Malaysia 22 Jahre lang als Premierminister regiert und tritt nun aus Wut über Amtsinhaber Najib Razak nochmal als Kandidat bei den Parlamentswahlen an (AFP/ Manan Vatsyayana)
    Gesetz gegen Fake News als Waffe gegen Kritiker
    "Wenn es keinen Wahlbetrug gibt", ist dieser Taxifahrer überzeugt, "dann wird Dr. Mahatier der nächste Premier." Allerdings ermittelt jetzt auch der Staatsanwalt gegen den 92-jährigen Kandidaten wegen Verbreitung von Falschinformationen. Unter Najib Razak hat Malaysia als einziges Land der Welt ein Gesetz gegen fake news verabschiedet.
    "Alles, was der Regierung nicht passt, können sie jetzt als fake news bestrafen", empört sich Journalist Tdsikenu. " Wer die Opposition lobt oder die Regierung kritisiert – fake news. Sie können jede Website verbieten mit der Begründung: fake news. Es läuft darauf hinaus, das Volk zum Schweigen zu bringen, jede Opposition im Keim zu ersticken. Die Regierung begeht ein Verbrechen am malaysischen Volk. Sie steuert auf eine Diktatur zu."
    Womöglich retten auch die Religiösen Najib Razak doch noch das Amt. Schon bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren erlitt der unbeliebte Premier massive Stimmenverluste – setzte sich am Ende aber gegen die zersplitterte Opposition durch. Der Islam Malaysias war lange eher moderat – wurde aber in den vergangenen Jahren zunehmend orthodoxer. Ganze Landstriche sind mittlerweile in die grün-weißen Fahnen der islamischen Partei getaucht.