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Vor EU-Gipfel
Juncker zieht positive Bilanz seiner Amtszeit

Kurz vor der Europawahl hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Bilanz seiner Amtszeit gezogen - und ist weitgehend zufrieden. Als Fehler sieht er jedoch an, sich im Jahr 2016 angesichts der vielen Lügen nicht in die Brexit-Kampagne eingemischt zu haben.

Von Bettina Klein | 07.05.2019
EU-Kommissionspräsident Juncker steht an einem Rednerpult und zieht eine Bilanz seiner Amtszeit.
EU-Kommissionspräsident Juncker ist mit der Bilanz seiner Amtszeit weitgehend zufrieden. (ERIC VIDAL / AF)
Jean Claude Juncker ist noch ein halbes Jahr im Amt. Vielleicht sogar noch etwas länger. Die reguläre Zeit der Kommission endet am 31. Oktober. Und es könnte gut sein, dass sie wegen der Entwicklungen beim Brexit oder wegen unklarer Verhältnisse nach der Europawahl darüber hinaus noch weitermacht. Der Kommissionspräsident dürfte also noch das ein oder andere Mal vor die Presse treten. Trotzdem zog Jean Claude Juncker heute Bilanz - zwei Tage vor dem informellen Gipfel in Sibiu, bei dem sich 27 Staats- und Regierungschefs über die Zukunft der Europäischen Union unterhalten werden.
Er wechselte heute wie stets vom Französischen ins Deutsche ins Englische. Niemand versteht England, aber alle verstehen Englisch, scherzte Juncker mit Blick auf den Brexit einerseits und diejenigen anderseits, die sich zuvor die Übersetzungskopfhörer aufgesetzt hatten. Welche Hoffnungen und welche Befürchtungen er mit dem Austritt der Briten verbinde, wurde er im Laufe der Pressekonferenz gefragt.
Er habe weder Ängste noch Hoffnungen, allerdings sei die Sphinx ein offenes Buch im Vergleich zum britischen Parlament. Wenn die Briten gehen, dann gehen sie, wenn sie bleiben wollen, bleiben sie, so der Kommissionspräsident. Und er nannte als einen von zwei Fehlern, die er bedauere: sich während der Brexit-Kampagne angesichts der vielen Lügen nicht eingemischt zu haben. Das hatte er dem damaligen Premier Cameron versprochen. Falsch, sich daran gehalten zu haben.
Arbeit zu wenig gewürdigt
Insgesamt empfindet Juncker seine Leistungen und die seiner Kommission nicht so richtig gewürdigt, diesen Eindruck konnte man gewinnen. Der Juncker-Plan heißt nicht mehr Juncker-Plan, denn seit dieser ein Erfolg ist, nennen ihn alle Investitionsplan. Sich mehr auf die wichtigen Dinge in Europa zu konzentrieren, wovon jetzt alle reden, groß bei den großen, klein bei den kleinen Dingen - das habe schon diese Kommission versprochen und es auch so gemacht.
Zu den bleibenden Erinnerungen zählt für ihn, dass Griechenland in der Eurozone geblieben ist. Was heute selbstverständlich klingt, war es damals keineswegs. "Wenn ich jetzt die Memoiren derer lese, die dabei waren, kriege ich den Eindruck, dass ich damit nichts zu tun hatte. Meine Erinnerung ist eine völlig andere."
Dass die EU nach der Wirtschafts- und Finanzkrise gemeinsam wieder auf die Beine kam, rechnet Juncker ebenfalls als Erfolg - im siebten Wachstumsjahr. 348 Gesetzesvorschläge der Kommission wurden im Laufe dieser Amtszeit angenommen oder gebilligt. 20 Top-Errungenschaften. Darunter die neue EU-Datenschutzrichtlinie, das Ende der Roaminggebühren und der Verteidigungsfond. Zu den zehn noch nicht bewältigten Aufgaben gehört noch immer die Reform des Asylsystems und der nächste mehrjährige Finanzrahmen, der eigentlich noch vor den Europawahlen verabschiedet sein sollte.
Bei seiner indirekten Wahlempfehlung nahm der Kommissionspräsident dann eine Anleihe bei Emmanuel Kant. "Wenn jeder so wählen würde ich, wie würde die Europäische Union am Tag nach der Wahl aussehen?" Dies, so Juncker, sollte sich jeder vorher fragen.