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Vor Johnson-Besuch bei Merkel
Kaum neue Kompromiss-Signale zum Brexit

Der neue britische Premierminister Boris Johnson kommt zum Antrittsbesuch nach Berlin. Ein Kompromiss in Sachen Brexit ist nicht in Sicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird eher abwarten, ob sich Johnson überhaupt im Amt halten kann, statt Zugeständnisse zu machen.

Von Stephan Detjen | 21.08.2019
Mecklenburg-Vorpommern: Stralsund, Bundeskanzlerin Angela Merkel
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das bisherige Brexit-Abkommen zwischen EU und Großbritannien stets verteidigt (Stefan Sauer/ZB)
Es kommt die Nummer fünf: Nach Tony Blair, Gordon Brown, David Cameron und Theresa May ist Boris Johnson heute der fünfte britische Premierminister, dem Angela Merkel als Kanzlerin begegnet. Weil es ein Antrittsbesuch ist, gibt es am Abend einen Empfang mit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt. Dann will Johnson verhandeln.
"Ich will einen Deal und wir sind bereit, mit unseren Freunden und Partnern einen Deal zu machen", versicherte Johnson vor der Reise auf den Kontinent.
Merkel pries den Austrittsvertrag
Am Donnerstag wird er auch zu Emmanuel Macron nach Paris fliegen. Nachdem er seiner Vorgängerin May stets vorgeworfen hatte, nur nicht hart genug gegenüber den EU-Partnern aufgetreten zu sein, bereitet Johnson die heimische Öffentlichkeit nun mit britischem Understatement darauf vor, auch selbst mit seiner Forderung nach Nachverhandlungen auf harte Ablehnung zu stoßen.
"Natürlich sind unsere Freunde und Partner auf der anderen Seite des Kanals ein wenig zurückhaltend ihre Haltung zu ändern. Ok - aber ich bin zuversichtlich, dass sie es tun werden."
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Im Berliner Kanzleramt aber wird Johnson heute kaum neue Kompromiss-Signale erhalten. Seitdem der Austrittsvertrag im November letzten Jahres unterzeichnet war, pries Angela Merkel das Ergebnis der Unterhändler in stets ähnlichen Worten als Ausdruck maximaler Kompromissbereitschaft:
"Es ist sozusagen ein diplomatisches Kunststück gelungen. Ein Vertragswerk zu schaffen mit dem Austrittsabkommen, dass die gegenseitigen Interessen berücksichtigt. Deshalb sind die Gefühle zwiespältig: Trauer aber auf der anderen Seite eine gewisse Erleichterung, dass wir bis zu diesem Punkt gekommen sind."
Bald schon der nächste Premier?
Merkel wird Johnson erklären, dass nicht sie die Verhandlungsführerin ist, sondern die EU-Kommission in Brüssel. Mit der aber will Johnson nicht sprechen, solange sie nicht die Bereitschaft erklärt, das Verhandlungspaket wieder aufzuschnüren und besonders die sogenannte Backstop-Regelung zur irischen Grenze aufzugeben.
Bringt Johnson das Thema heute in Berlin zur Sprache, könnte es sein, dass Merkel ihn auf den Balkon des Kanzleramts führt, auf den einstigen Mauerstreifen auf dem gegenüberliegenden Spreeufer zeigt und erklärt, was sie im Frühjahr bei einem Besuch in Dublin zur Bedeutung irischen Grenzfrage gesagt hatte:
"Ich habe 34 Jahre lang hinter dem Eisernen Vorhang gelebt. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Mauern fallen, wenn Grenzen verschwinden und, dass man alles tun muss, damit dieses friedliche Zusammenleben, was hier mit so viel Menschenleben auch bezahlt wurde, weiter erhalten werden kann."
Die Garantie der offenen Grenzen in Irland ist gerade aus Merkels Sicht ein unverzichtbarer Kern des vorliegenden Brexit-Abkommens. Ehe sie Johnson ausgerechnet in dieser Frage Zugeständnisse machen, dürften auch Merkel und Macron eher abwarten, ob sich Johnson angesichts des wachsenden Widerstands im britischen Unterhaus überhaupt bis zum Austrittsdatum im Amt halten kann.
Größer als die Chance, dass Johnson am Ende der Woche mit einem Verhandlungserfolg aus Berlin und Paris zurückkehrt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Merkel noch im Herbst die Nummer sechs aus London im Kanzleramt empfangen kann.