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"Vor zehn Jahren hätten sie dich dafür noch verbrannt"

Vor neun Jahren Micheil Saakashvili in Georgien an die Macht. Er wurde von einer gewaltlosen Jugendbewegung unterstützt, die auf Freiheit, Toleranz und Stabilität hoffte. Doch die meisten Hoffnungen wurden enttäuscht. Besonders in der Kultur kam wenig voran. Junge Künstler werden schlecht ausgebildet, kaum gefordert und fürchten Repressionen.

Von Thomas Franke | 20.04.2013
    "Ich werde alles tun, um das Land zu verlassen."

    Mari Sukhishvili ist 21 Jahre alt und studiert an der Kunsthochschule in Tiflis.

    "Ich habe in vier Jahren nichts gelernt. Alles, was ich kann, habe ich mir selbst beigebracht, auch mithilfe des Internets."

    Ihre Freundin Nino Kavdzadze nickt. Sie ist 25 Jahre alt, hat vor vier Jahren die Akademie abgeschlossen und produziert, wie auch Mari, vor allem Grafiken.

    "Ich habe mein gesamtes Wissen durch Erfahrung in meinem Job gewonnen. Aber nichts aus der Kunsthochschule, wirklich nichts."

    Sie würden dort meistens Stillleben malen, erzählen sie. Die beiden Nachwuchskünstlerinnen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit online. Ihre Verbindung zum Rest der Welt. Dort schauen sie sich auch zeitgenössische Kunst an. Die Generationen vor ihnen konnten nicht mal das. Georgiens Kulturschaffenden, besonders denen, die nicht etabliert sind, fehlt Austausch. Um in Georgien in den Genuss staatlicher Unterstützung zu kommen, muss man vorsichtig sein, erläutern Nino Kvadzadse und Mari Sukhishvili.

    "Es gibt Fonds. An die kannst du dich wenden und einen Projektantrag zu schreiben. "

    "Da mögen sie unsere Sachen nicht."

    "Niemand mag das."

    "Sie sind Experimente nicht gewöhnt, und an jungen Künstlern nicht interessiert. Sie mögen alte Sachen."

    "Bilder, meistens in Öl."

    Beide machen vor allem düstere Grafiken ihrer Träume und Visionen. Viele erinnern an japanische Darstellungen. Sie stellen in Georgien nicht aus. Mari Sukhishvili:

    "Wenn ich meine Bilder öffentlich zeigen würde, gäbe es viele negative Reaktionen. Ich sei der Teufel und so etwas. Aber es wird jetzt ein bisschen besser."

    "Vor zehn Jahren hätten sie dich dafür noch verbrannt."

    Dann erzählen sie von einer Party der jungen Künstler.

    "(…) Da waren plötzlich einige Priester ..."
    "Die kamen und haben alles zerstört."

    "Ein fetter Typ hat mich festgehalten, wollte mich in die Kirche bringen."
    "Die haben das DJ-Pult zerstört, alles."

    "Wir diskutieren nicht mit solchen Leuten. Sie hassen uns. Sie sagen: Wie kannst Du das tun? Du bist Christin."

    Die junge Autorin Miriam Bekauri provoziert behutsam, denn sie möchte das Bewusstsein ihrer Leser öffnen. Unter anderem mit ihrer Erzählung Debi. Debi ist behindert.

    Debi steht vor dem Spiegel und grinst. Ihr Hemd ist bis zum Kinn hochgezogen und sie stimuliert ihre gewölbt aufstrebenden Brüste.

    "Man muss solche Themen in der georgischen Gesellschaft so platzieren, dass sich niemand aufregt, sonst kann es lebensgefährlich werden. Ich wollte mit der Erzählung sagen, dass so etwas normal ist, auch unter Minderjährigen."

    Die beiden jungen Künstlerinnen Nino und Mari hingegen haben der Gesellschaft frühzeitig den Rücken gekehrt. Es gibt nur wenig Berührungspunkte dieser jungen Außenseiter mit der Gesellschaft. Selbst im Film wird nur das gefördert, was die Klischees des georgischen Kinos reproduziert. Das ist zwar auch schön und handwerklich hervorragend, aber weiter kommt man so nicht.

    "Um ehrlich zu sein, ich möchte wirklich etwas verändern. Aber das wird nicht passieren."

    "Ich muss malen, was ich fühle und ich fühle viel, und ich fühle Zorn. Ich bin kein großer Redner. Ich versuche, meine Gefühle in meinen Bildern auszudrücken."