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Vorbild USA
Quecksilber aus Kohlekraftwerken - die unterschätzte Gefahr

Die Betreiber von Kohlekraftwerken in Deutschland tun zu wenig gegen die Quecksilberemissionen ihrer Anlagen, warnen Umweltverbände. Vor allem die Kraftwerke in Nordrhein-Westfalen blasen das hochgiftige Schwermetall in die Luft. Dabei wären Gegenmaßnahmen möglich.

Von Ralph Ahrens | 18.06.2014
    Das Braunkohle-Kraftwerk der RWE in der Ortschaft Neurath.
    Das Braunkohle-Kraftwerk der RWE in der Ortschaft Neurath, Nordrhein-Westfalen (picture alliance / dpa /Hans-Joachim Rech)
    Deutsche Braun- und Steinkohlekraftwerke pusten jedes Jahr mehr als 5.000 Kilogramm Quecksilber in die Luft. Diese Belastung vom Mensch und Umwelt ist zulässig. Denn alle Kraftwerke halten den Tagesgrenzwert von 30 Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abgas meist ein. Ein Großteil dieses Metalls setzen Kraftwerke in Nordrhein-Westfalen frei. Wibke Brems, energiepolitische Sprecherin der Grünen im Düsseldorfer Landtag:
    "Wir haben aktuell mehr als 2.000 Kilogramm Quecksilberemissionen in Nordrhein-Westfalen. Davon sind mehr als 1.500 aus den Braunkohlekraftwerken. Und wir könnten diese Zahlen etwa um 40 Prozent reduzieren, wenn wir Grenzwerte wie in den USA einhalten würden."
    USA haben die weltweit schärfsten Quecksilber-Grenzwerte
    Das zeigte eine Analyse von Barbara Zeschmar-Lahl, Umweltwissenschaftlerin aus Oyten. So gab der amerikanische Präsident Barack Obama Ende 2011 bekannt, dass Kohlekraftwerke in den USA ab April 2016 die weltweit schärfsten Grenzwerte für Quecksilberemissionen einhalten müssen. In den USA darf danach in knapp zwei Jahren kein Steinkohlekraftwerk mehr als 1,4 Mikrogramm im Monatsmittel per Kubikmeter emittieren. Der Grenzwert für Braunkohlekraftwerke ist nicht ganz so niedrig. Diese Werte lassen sich nicht einfach so erreichen, weiß Christian Tebert von der Hamburger Beratungsfirma Ökologie und Politik, kurz Ökopol.
    "Das schafft man nur noch durch echte Quecksilberabscheidetechnik - also entweder durch Zugabe von Aktivkohle oder Zugabe von diesen Bromsalzen."
    Bereits heute halten etwa 100 von 600 Kohlekraftwerken in den USA diese Werte durch Zugabe von Aktivkohle oder Bromsalzen ein. Sie holen damit oft mehr als 95 Prozent des Quecksilbers aus dem Rauchgas - und das wohl auf recht preiswerte Art und Weise.
    "Da gibt es Rechnungen, die sagen, dass der Strompreis dann um 5 tausendstel Cent steigen würde mit Aktivkohleeindüsung: also 0,005 Cent pro Kilowattstunde. Und das Bromidverfahren soll noch billiger sein."
    20 Cent im Jahr gegen giftige Emissionen
    Für eine vierköpfige Familie, die im Schnitt im Jahr 4.000 Kilowattstunden verbraucht, würde sich dadurch die jährliche Stromrechnung um maximal 20 Cent erhöhen. Für Wibke Brems von den Grünen in Nordrhein-Westfalen ist daher klar:
    "Wir fordern, dass die Grenzwerte in der EU und damit auch in Deutschland deutlich niedriger sein sollten als sie es bisher sind."
    Und: Die Möglichkeit schärferer Grenzwerte besteht. In der EU wird zurzeit diskutiert, was künftig als "Stand der Technik" für Kohlekraftwerke gilt und welche Quecksilberemissionen Genehmigungsbehörden künftig maximal erlauben dürfen. Dabei schaut die EU besonders auf solche Anlagen, die fortschrittlich sind.
    Der Blick über den Teich wäre nötig
    Doch dieses Konzept, so Christian Tebert von Ökopol, "beruht normalerweise darauf, dass es in Europa genügend fortschrittliche Anlagen gibt. Nun gibt es die zur Quecksilberabscheidung - ich sage mal - nicht mal in Deutschland."
    Folgerichtig sollte in der Erarbeitung des künftigen Stands der Technik in der EU der Stand der Technik in den USA berücksichtigt werden.
    "Der Blick über den Teich wäre da nötig, ist aber wenig üblich, bräuchte gute Beziehungen, bräuchte eine exakte technische Berichterstattung - und die ist schwierig zu organisieren. Insofern habe ich gerade die Befürchtung, dass diese erfolgreiche US-Technik nicht ausreichend hier in Europa berichtet wird."
    Neue Richtlinien sollen acht Jahre gelten
    Zurzeit bemühten sich Umweltverbände, über die Erfolge in vielen US-amerikanischen Kohlekraftwerken konkrete Daten zu erhalten. Ob das rechtzeitig gelingt, ist offen: So will die EU-Kommission den neuen Stand der Technik für Kohlekraft noch dieses Jahr festlegen.
    Das Absurde sei dabei, so Christian Tebert, dass der Stand der Technik für Kohlekraftwerke erst wieder in acht Jahren überarbeitet wird. Solange will Wibke Brems auf keinen Fall warten.
    "Solange das noch nicht geschehen ist, haben wir hier natürlich als Land Nordrhein-Westfalen schon die Aufgabe zu gucken, an welchen Standorten könnte man mit Pilotprojekten noch mal ganz konkret auch hier nachweisen, es geht technisch, es ist umsetzbar und es ist auch wirklich finanziell absolut im Rahmen."