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Vorhofflimmern
Wenn das Herz aus dem Rhythmus gerät

Herzrhythmusstörungen lassen sich medikamentös gut behandeln, allerdings oft mit großer Müdigkeit als Nebenwirkung. Als Alternative eignet sich eine Ablation: Gezielte Stromstöße isolieren die Störenfriede, also die Stellen, die zu den Fehlzündungen neigen.

Von Wolfgang Noelke | 15.10.2019
Ein Stethoskop liegt vor einem Kardiogramm.
Herzrhythmusstörungen können medikamentös unterdrückt werden. Eine neue, andere Behandlungsmethode verspricht weniger Nebenwirkungen (imago/Science Photo Library)
"Gefühlt habe ich grundsätzlich bei Aufregung Herzrasen. Das konnte sich bis dahin steigern, dass ich meinen Puls im Hals gespürt habe. In der letzten Zeit, wenn ich die Treppen hochgestiegen bin oder besonders steile Treppen, dann eine gewisse Luftknappheit und ganz fürchterliche Müdigkeit..."
...sind typische Symptome des Vorhofflimmerns. Diese 46 Jahre alte Patientin, die anonym bleiben möchte, ist auf ein Medikament angewiesen, das sie regelmäßig einnehmen muss, um ihr inzwischen chronisches Vorhofflimmern zu unterdrücken. Die Müdigkeit ist als Nebenwirkung der Medikation geblieben. Das vermindert die mit höherem Alter wachsende Gefahr, dass sich wegen der bei den Attacken sinkenden Pumpleistung des Herzens irgendwo Blutgerinnsel entwickeln, die einen Schlaganfall auslösen können. Für das Vorhofflimmern sind defekte Zellen verantwortlich, die im Herzschlag-Orchester nicht mehr richtig mitspielen.
Fehlschläge des Paukenspielers
"Wenn wir bei dem Bild des Orchesters bleiben, dann müssen wir sagen, dass die Paukenspieler, die weit hinten stehen im Orchester, gelegentlich zu Fehlschlägen neigen beim Vorhofflimmern. Und wenn sie kurze Zeit hochfrequent poltern, auf der Pauke, dann können sie den Takt des ganzen Orchesters durcheinanderbringen. Und das ist eine der Grundlagen der Therapie des Vorhofflimmerns: wir isolieren sozusagen die Paukenschläger vom Rest des Orchesters. Wir machen eine Katheter-Ablation, wir isolieren die Stellen, die zu den Fehlzündungen neigen – das ist in den Lungenvenen – wir isolieren diese Stellen vom Rest des Herzens, so dass sie weiter Fehlzündungen machen können, wie sie wollen, dass sie eben nicht übergeleitet wird auf den Rest des Herzens."
So Tagungspräsident Prof. Dr. Dirk Böcker, Chefarzt der Inneren Medizin und Kardiologie im Marienhospital Hamm. Die bekannte Alternative zur Medikation ist die Verödung störender Zellen, mittels gezielter Stromstöße.
"Wir wissen, dass zumindest im Anfangsstadium von Vorhofflimmern diese Fehlzündungen häufig aus dem Bereich der Einmündungsstellen der Lungenvenen in den linken Herzvorhof kommen. Deshalb ist ein wesentliches Prinzip der katheterbasierten Therapie des Vorhofflimmerns die Isolierung dieser Lungenvenen vom Rest des Herzens."
Katheter-Ablationen verhindert Fehlzündungen im Herzen
Ablation heißt dieser Eingriff, für den zunächst der Ort störender Zellen ermittelt werden muss. Der Leipziger Kardiologe, Dr. Philipp Sommer präsentierte unter anderem eine, wie ein winziger Golfball aussehende, mit dem Computer verbundene, bis zur Lungenvene eingeführte Katheterspitze...
"...mit 122 so ganz flachen, goldfarbenen Elektroden, die alle in der Lage sind, Elektrogramme zu detektieren. Jede einzelne Elektrode kann dann auch abladiert werden. Sie sehen, das Graue hier, ist die Lungenvene. Man pickt sich dann mit der Maus genau die Elektroden heraus, die um die Vene herummarschieren – also wenn die Vene ungefähr hier ist, sagt man, nimm den, den, den, den, den, kreiert dann im Prinzip diesen Kreis und kann dann mit einem Mal auf die Taste drücken und sagen, jetzt bitte brennen diese ganze Vene mit einer Katheterpositionierung, dann isolieren. Hat natürlich schon den Vorteil, dass es deutlich schneller geht. Die Isolationen bei diesen Devices sind in der Regel bei 30 Sekunden bis einer Minute erreicht."
Mit messbarem Erfolg bei einer erst kleinen Patientengruppe. Deswegen bestehe noch Forschungsbedarf, so Tagungspräsident Böcker, um Medikation einst zu ersetzen.
"Die Prozedur dauert etwa eineinhalb bis zwei Stunden, und sollte zumindest in erfahrenen Kliniken gemacht werden. Die Erfolgsrate einer einzelnen Prozedur liegt, je nachdem wie fortgeschritten das Krankheitsbild ist, in der Größenordnung von 75 bis 80 Prozent. Bei einem Teil der Patienten muss die Prozedur wiederholt werden und dann kommt man auf eine Gesamterfolgsrate in der Größenordnung von 85, bis 90 Prozent."