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Vorläufige Entwarnung für Verbraucher

Am Wochenende wurden in Niedersachsen rund 800 Milchproben getestet. Das Ergebnis: Die Aflatoxin-Belastung lag deutlich unter dem Grenzwert. Zumindest die Milch darf wieder in den Handel.

Jule Reimer im Gespräch mit Georg Ehring | 04.03.2013
    Georg Ehring: Können die Behörden für die Verbraucher schon eine Entwarnung geben? In Niedersachsen lag die Belastung der Milchproben unter den Grenzwerten – die Konzentration von Aflatoxin in Futtermitteln war also nicht so hoch, dass das Gift die Milch ungenießbar machen würde. Anderen Meldungen zufolge hat sich der Skandal um belastete Futtermittel am Wochenende eher ausgeweitet. Jule Reimer ist bei uns im Studio, müssen sich zumindest die Verbraucher keine Sorgen mehr machen?

    Jule Reimer: Am Wochenende haben die Molkereien, Landwirte und auch die Behörden in dem mit Abstand am stärksten betroffenen Bundesland Niedersachsen in großem Umfang Milchproben untersucht, und in jedem Fall lag die Aflatoxin-Belastung deutlich unterhalb des Grenzwertes, also Entwarnung für die Verbraucher und die große Mehrheit der Milchviehbetriebe, deshalb darf jetzt auch die große Mehrheit der Betriebe wieder bei den Molkereien Milch anliefern. Beschränkungen gibt es noch für Innereien. Leber und Nieren von Schweinen, Rindern oder Geflügel, die das belastete Futter gefressen haben, könnten belastet sein, denn hier reichert sich das Schimmelpilzgift leichter an. Eier und Fleisch gelten weiterhin als unbedenklich für den Verzehr – das war ja von Anfang an der Fall.

    Ehring: Weitgehende Entwarnung für die Verbraucher, gilt das denn auch für die betroffenen Bauern?

    Reimer: Das kommt drauf an. Im Gegensatz zu den Milchproben haben die niedersäch¬sischen Behörden bei Futtermittelproben erneut Aflatoxin-B1-Werte über dem Erlaubten ermittelt. Zudem hat sich die Zahl der bundesweit betroffenen Höfe auf rund 4500 erhöht, da ein Futtermittelhersteller erst mit Verspätung den Behörden seine Lieferlisten übergeben hatte. Auch liegen bisher kaum Ergebnisse aus anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt vor. Und viele Landwirte haben Verluste eingefahren durch die Sperrung ihrer Höfe, da muss gefragt werden, wer die übernimmt.

    Ehring: Welche Lücken in der Überwachung hat der belastete Mais denn aufgedeckt?

    Reimer:Die Eigenkontrollen der Wirtschaft haben in diesem Fall vollkommen versagt. Der Importeur des belasteten Maises – das ist der Agrarhandelskonzern Töpfer International - sowie die deutschen Zwischenhändler und Futtermittelhersteller waren alle zu Eigenkontrollen verpflichtet. Die belastete Ladung kam schon Ende November in Deutschland an. Ende Dezember genommene Stichproben hätten Aflatoxin-Werte deutlich unter den Höchstwerten gezeigt, hatte sich der Futtermittelherstellerverband DVT am Freitag verteidigt. Deshalb vermutet der Verband belastete Nester in der Lieferung. Aber diese Nester-Problematik ist der Branche bekannt.

    In der Konsequenz forderte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer heute morgen im Deutschlandfunk:

    "Wir wollen das ganze Kontrollsystem grundlegend verändern und wollen in Zukunft mehr staatliche Kontrollen haben, damit wir auch wirklich da prüfen können, wo die großen Risiken sind, und wollen dafür kostendeckende Gebühren nehmen. Also wir wollen nicht mehr, dass der Steuerzahler die Kontrollen bezahlt, sondern wir wollen, dass der Verursacher, die Futtermittelindustrie, in Zukunft die Kontrolleure und die Kontrollen bezahlt, und wir erhoffen uns davon auch deutlich bessere und intensivere Kontrollen."

    Eine Forderung, der sich übrigens auch Bundeslandwirtschafts¬ministerin Ilse Aigner angeschlossen hat.

    Ehring: In kurzer Zeit sind mit Pferdefleisch und Eiern aus überbelegten Ställen und jetzt Aflatoxin mehrere Lebensmittel-Affären aufgedeckt worden – zwei davon von Niedersachsen kurz nach dem Regierungswechsel hin zu einer rot-grünen Regierung dort. Ist das Zufall?

    Reimer: Jein. Erst einmal ist Niedersachsen in der Summe von solchen Skandalen sowieso häufiger betroffen. Nicht, weil die Niedersachsen schlechter produzieren würden, sondern weil es mit Abstand der größte Agrarstandort in Deutschland ist und hier einfach viel produziert wird. Klar ist, dass sich die Grünen mit dem Thema Verbraucherschutz profilieren, deshalb mag der Regierungswechsel auch in der Ernährungsbranche jetzt zu einer größeren Sensibilisierung führen. Aber ich meine, dass auch Schwarz-Gelb im Fall der überbelegten Legehennenställe und hier im Fall der Futtermittel früher oder später vor die Presse gegangen wäre, nur nicht unbedingt vor der Landtagswahl.