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Vorratsdatenspeicherung
Noch viele offene Fragen

Noch gibt es nur Eckpunkte für eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Ob sie vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, lässt sich deshalb bisher nur vermuten. Klagen sind angekündigt. Bundesjustizminister Heiko Maas gibt sich zuversichtlich.

Von Gudula Geuther | 18.04.2015
    Netzwerkstecker sind vor einem Computer-Bildschirm mit Symbolen für "gespeicherte Verbindungen" zu sehen
    Viele Eckpunkte der Vorratsdatenspeicherung sind noch nicht geklärt. (dpa picture alliance / Jens Büttner)
    "Ich fordere im Übrigen alle auf, die der Auffassung sind, dass das nicht grundrechtskonform ist, das Gesetz, wenn es kommt, sofort dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Ich bin da wirklich sehr gelassen. Wir haben das, was das Bundesverfassungsgericht 2010 aufgeschrieben hat, eins zu eins umgesetzt", sagt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).
    Tatsächlich sieht das bisher so aus. Auch wenn vieles erst das Gesetz selbst zeigen kann. Sind Daten wirklich sicher vor Missbrauch? Was genau ist gemeint mit dem Verbot, Bewegungsprofile zu erstellen? Das sind Klippen, die der Gesetzgeber noch umschiffen kann. Ganz anders sieht das möglicherweise mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs aus. Und auf den hoffen denn auch die möglichen zukünftigen Kläger. Denn der EuGH in Luxemburg hatte nicht nur die Europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verworfen. Er hatte in seiner Entscheidung außerdem die Europäischen Grundrechte sehr weit ausgelegt und kritisiert: "Die Richtlinie betrifft in umfassender Weise alle Personen, die elektronische Kommunikationsdienste nutzen, ohne dass sich jedoch die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, auch nur mittelbar in einer Lage befinden, die Anlass zur Strafverfolgung geben könnte. Sie gilt also auch für Personen, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte."
    Keine Speicherung ohne Anlass
    Mit anderen Worten, so die Karlsruher Professorin für Informationsrecht Indra Spieker: "Der EuGH macht deutlich: Anlasslose Speicherungen sind für ihn nicht vorstellbar in Europa." So hatte es anfangs auch die Bundesregierung verstanden. Ein Anlass, der die Speicherung rechtfertigen könnte, wäre dann vielleicht die Terrorwarnung des Innenministers oder eine Großveranstaltung gewesen. Lange Zeit hatte man überlegt - kaum praktikabel, befand man dann, und entschied sich für eine andere Interpretation: An sich habe der Europäische Gerichtshof doch nur die umfassende anlasslose Speicherung gemeint, also die aller Kommunikationsdaten. Unter anderem deshalb hat Heiko Maas auf die Speicherung der E-Mail-Daten verzichtet. Das soll genügen.
    Der Rechtsanwalt Harald Baumann-Hasske widerspricht: "Nach dem Wortlaut der Entscheidung scheint es mir so zu sein, dass sich das nicht nur darauf bezieht, dass wirklich alle Daten flächendeckend erhoben werden, sondern dass generell Daten anlasslos nicht erhoben werden dürfen." Der Plan der Koalition verstößt laut Baumann-Hasske gegen europäisches Recht. Baumann-Hasske ist nicht irgendein Jurist. Er ist der Vorsitzende der ASJ, des Zusammenschlusses der Juristen in der SPD, der Partei von Justizminister Heiko Maas. 70 bis 80 Prozent der Mitglieder sähen es wie er, glaubt der ASJ-Vorsitzende.
    Viele offene Fragen
    Es gibt allerdings auch unter Juristen, die der Vorratsdatenspeicherung skeptisch gegenüberstehen, andere Stimmen. Schon vor Wochen hatte der Staatrechtsexperte Mathias Bäcker gesagt, hätte der EuGH jegliche anlasslose Speicherung verbieten wollen, hätte er sich viele andere Ausführungen im Urteil sparen können. "Man kann die Entscheidung auch so verstehen, dass die Anlasslosigkeit zwar dazu führt, dass besonders strenge Anforderungen gestellt werden müssen, dass diese Anforderungen aber dann auf der Ebene des Datenzugriffs erfüllt werden könnten."
    Das ist ein ähnlicher Ansatz wie ihn Heiko Maas jetzt vertritt. Entscheiden müsste also letztlich wieder der EuGH. Wie könnte es dazu kommen? Das einfachste wäre, das Bundesverfassungsgericht legte ihm nach Eingang der Klagen die Frage vor, findet der SPD-Jurist Baumann-Hasske. Ob es das tun würde, ist offen. Und wenn? Dann ist immer noch nicht ganz sicher, ob sich das Gericht für zuständig halten würde. Wenn die Luxemburger Richter wollten, könnten sie aber Begründungen dafür finden. Vieles ist also offen. Sicher ist nur: Es wird geklagt werden. Unter anderem hat das Gerhard Baum angekündigt. Der FDP-Politiker und frühere Innenminister hat Erfahrung - er war einer der Kläger, die das erste Gesetz zu Fall brachten.