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Vorsicht vor kleinen Teilchen

Nanomaterialien gelten als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Doch die Partikel, die kleiner sind als ein millionstel Millimeter, werfen immer wieder neue Fragen auf. In einem Gutachten wägen die Sachverständigen des Rats für Umweltfragen Nutzen und Risiken ab.

Von Verena Kemna | 01.09.2011
    Die winzigen Nanomaterialien geben den Wissenschaftlern immer wieder neue Fragen auf. Mit jeder neuen Frage kommen neue Unsicherheiten und mögliche Risiken dazu. In der Wissenschaft gilt die Nanotechnologie längst als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Nanopartikel können zum Beispiel Krebsmedikamente verträglicher machen, auch kratzfester Autolack ist nur mit Nanopartikeln möglich, sie kommen in Lebensmittelverpackungen und Kosmetika vor.

    Aber die winzigen, für das menschliche Auge unsichtbaren Nanopartikel, können eben auch tiefer in den menschlichen Organismus eindringen als andere Partikel.

    In einem Sondergutachten wägen die Sachverständigen auf über 600 Seiten die sprichwörtlichen Risiken und Nebenwirkungen ab. Es geht dabei um gezielt hergestellte Nanomaterialien, nicht um solche, die in der Umwelt vorkommen, erklärt Heidi Foth, die Toxikologin des Sachverständigenrates.

    "Die Nanomaterialien sind zum Teil eine Verbesserung von etablierten Partikeln. Nehmen wir das Weißpigment Titandioxid, durch die Verkleinerung der Größe wird Titandioxid durchlässig und durchsichtig und wir können dieses Produkt benutzen um ultraviolette Strahlung von Textilien, von Gebäuden, aber auch von der menschlichen Haut entfernt zu halten."

    Die Risiken solcher Nanomaterialien lassen sich nicht pauschal bewerten. Einige Materialien seien unbedenklich, andere bergen ein potenzielles Gesundheitsrisiko. So etwa, wenn Nanomaterialien in Wasser und Schmutz abweisenden Sprays verarbeitet werden, wenn immer mehr Produkte mit Nanosilber veredelt werden, wenn Kohlenstoff-Nanoröhren hergestellt und weiterverarbeitet werden. Bei aller Innovation sollen die Risiken möglichst frühzeitig erkannt und gemindert werden.

    "Die Nanomaterialien spielen in der Technik eine sehr große Rolle, haben aber daneben ihren Platz in verbrauchernahen Produkten gefunden. Wenn nun aus einem solchen Produkt nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Nanomaterialien in den Körper eindringen können, empfiehlt der Sachverständigenrat, dass solche bestimmten Verwendungsmuster im Vorfeld eingeschränkt werden."

    Bei der Beurteilung durch die Sachverständigen stehen Vorsorgestrategien im Mittelpunkt. So unterliegen Nanomaterialien und Produkte zwar grundsätzlich dem Stoff- Produkt- und Umweltrecht. In der Praxis jedoch werden nicht immer alle Nanomaterialien rechtlich erfasst. Spezielle Rechtslücken müssten geschlossen werden, so eine Empfehlung des Sachverständigenrates, erklärt Christian Calliess, Rechtsexperte des Sachverständigenrates. Dabei geht es darum, das Vertrauen der Verbraucher in die Nanoprodukte der Zukunft zu stärken. Andernfalls würden Innovationschancen verspielt.

    "Das also nicht etwas passiert, was wir im Bereich der grünen Gentechnik erlebt haben, wo durch fehlende Transparenz und Informationsdefizite, diese neue Technologie in der Öffentlichkeit stark diskreditiert worden ist und sich hier eine übertriebene Risikowahrnehmung etabliert hat. Damit werden dann Innovationschancen verspielt und hier kann das Vorsorgeprinzip ein Instrument der Ausbalancierung von Chancen und Risiken darstellen."

    Nach Einschätzung des Sachverständigenrates müssen Rechtslücken im Chemikalienrecht geschlossen werden. Die Wissenschaftler empfehlen außerdem ein Produktregister für Nanoprodukte. Um mehr Transparenz zu schaffen, müssten Nanoprodukte für jeden Verbraucher erkennbar gekennzeichnet werden, Christian Calliess, Rechtsexperte des Sachverständigenrates.

    " ... und natürlich ist es dort, wo Gefahren für die menschliche Gesundheit drohen, wichtig, ein vorsorgeorientiertes Zulassungsverfahren für Nanomaterialien zu etablieren."