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Vorstandsbeschluss
AfD will Höcke nun doch ausschließen

Der AfD-Bundesvorstand will ein Parteiausschlussverfahren gegen den umstrittenen Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke einleiten. Darüber müssen nun die Schiedsgerichte der Partei entscheiden. Höcke selbst kritisierte, der Beschluss sei machtpolitisch motiviert.

13.02.2017
    Der Thüringer AfD-Chef und Fraktionsvorsitzende, Björn Höcke, verfolgt am 26.01.2017 im Plenarsaal des Thüringer Landtages in Erfurt (Thüringen) die Debatte.
    Björn Höcke im Thüringer Landtag (dpa / picture-alliance / Martin Schutt)
    Wie die Parteispitze mitteilte, erhielt ein entsprechender Antrag am Montag in einer Telefonkonferenz die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Der Bundesvorstand der AfD besteht laut Parteiangaben aus 13 Mitgliedern. Ende Januar hatte der Vorstand schon einmal über einen Ausschluss Höckes beraten, dann aber lediglich ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn beschlossen.
    Petry: "Wichtiger Tag für die AfD"
    "Die Dresdner Rede vom 17. Januar hat nun für den Bundesvorstand das Maß des demokratisch Erträglichen innerhalb einer bürgerlich-freiheitlichen Partei überschritten", sagte AfD-Chefin Frauke Petry. Sie bezeichnete die Entscheidung als "Abschluss eines Prozesses", der schon einige Zeit andauere. Schon im Dezember 2015 habe der Bundesvorstand Höcke, der auch AfD-Fraktionschef in Thüringen ist, nahegelegt, darüber nachzudenken, ob er noch in der richtigen Partei sei. Petry zeigte sich überzeugt, dass die "große Mehrheit" der AfD hinter dem jetzt beschlossenen Parteiausschlussverfahren stehe. Sie sprach von einem "wichtigen Tag für die AfD". Es sei ein klares Signal, dass die Partei ihren "bürgerlich-freiheitlichen Kurs fortsetzen wird".
    Höcke hatte auf einer Veranstaltung in Dresden mit Verweis auf das Holocaust-Mahnmal unter anderem gesagt: "Wir Deutschen (...) sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Außerdem forderte er eine 180-Grad-Wende im Umgang mit der deutschen Vergangenheit. Seine Rede löste bundesweit Empörung aus.
    Höcke reagiert mit Unverständnis
    Höcke reagierte mit Unverständnis auf das Parteiausschlussverfahren. "Es ist meine Überzeugung, dass ich weder gegen die Satzung noch die Grundsätze der Partei verstoßen habe", erklärte Höcke in Erfurt. Er sehe dem Verfahren vor dem parteiinternen Schiedsgericht "gelassen entgegen". Er habe die Entscheidung des Bundesvorstands "mit Bedauern und in tiefer Sorge um die Einheit der Partei zur Kenntnis genommen." In einer weiteren Stellungnahme am Nachmittag fügte Höcke hinzu, der Beschluss sei machtpolitisch motiviert, gefährde den Meinungspluralismus in der Partei und besitze Potenzial zur Spaltung.
    Der AfD-Landesvorstand Thüringen stellte sich hinter Höcke. In einer Erklärung hieß es, Ziel sei es offenbar, "missliebige Personen aus der Partei zu drängen". Und weiter: "Die Alternative für Deutschland ohne Björn Höcke ist keine Alternative mehr".
    Meuthen und Gauland ergreifen Partei für Höcke
    Zu den Vorstandsmitgliedern, die das Ausschlussverfahren befürworten, zählen Partei-Chefin Petry und die Spitzenkandidatin der baden-württembergischen AfD für den Bundestag, Alice Weidel. Der zweite Parteivorsitzende, Jörg Meuthen, stimmte nach eigenen Worten dagegen. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich glaube nicht, dass dieses Verfahren aussichtsreich ist, und ich halte es auch nicht für richtig, obwohl diese Rede wirklich sehr daneben war."
    Auch die Vorstandsmitglieder Alexander Gauland und André Poggenburg gelten als Befürworter Höckes. Gauland nannte das Ausschlussverfahren gegen Höcke am Montag "völlig verfehlt". Höcke habe "an keiner Stelle die Ordnung der Partei verletzt", sagte Gauland im Mitteldeutschen Rundfunk.
    Schiedsgerichte nicht immer auf Vorstandslinie
    Laut Petry habe in erster Instanz das zuständige Landesschiedsgericht des AfD-Landesverbandes Thüringen über den beantragten Parteiausschluss zu befinden. Anschließend ist möglicherweise das Bundesschiedsgericht gefragt, das in der Vergangenheit mehrfach Beschlüsse des Bundesvorstands aufgehoben hatte. Im Mai 2016 forderte der Bundesvorstand in einem Beschluss, dass AfD-Mitgliedern nicht mehr bei Veranstaltungen von Pegida als Redner oder mit Parteisymbolen auftreten sollen. Auch eine Auflösung des Landesverbandes Saarland, der Kontakte zu Neonazis pflegte, wurde vom Bundesvorstand beschlossen, aber später vom Bundesschiedsgericht verhindert.
    Besorgnis und Zustimmung bei anderen Parteien und in Zivilgesellschaft
    Der Grünen-Politiker Volker Beck erklärte, Höcke sei "kein singuläres Problem". Beck verwies auf die AfD-Unterorganisation "Der Flügel", der Höcke angehört. Sie sei ein Sammelbecken für alles, was rechts von rechts stehe, sagte Beck. Er forderte eine Beobachtung solcher Gruppierungen durch den Verfassungschutz.
    Auch SPD-Vize Ralf Stegner plädierte für die Beobachtung der gesamten Partei. Wer wesentliche Teile der Verfassung ablehne, gehöre nicht ins Parlament, sondern sei ein Fall für den Verfassungsschutz, sagte Stegner der "Welt".
    Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, sagte der "Heilbronner Stimme", ein Parteiausschluss Höckes sei überfällig, auch wenn die Umsetzung noch unsicher sei, da "das parteiinterne Schiedsgericht vermutlich mit höckischen Gesinnungsgenossen besetzt ist".
    Einen möglichen Ausschluss aus der AfD regelt die Bundessatzung der Partei. Darin heißt es in Paragraf 7, Absatz 5: "Verstößt ein Mitglied vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei und fügt es der Partei dadurch einen schweren Schaden zu, kann der zuständige Vorstand bei dem für das Mitglied zuständigen Landesschiedsgericht den Parteiausschluss beantragen."
    (nch/jasi/vic/nin)