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Vorteilhafte Ausgangsposition

Umwelt. - Vor über 20 Jahren wurde das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht vereinbart, in dessen Rahmen ozonschädliche Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als Treib- und Isoliermittel verboten wurden. Sogenannte H-FCKW wurden indes als Ersatzstoffe zugelassen - und deren atmosphärische Konzentration steigt immer mehr an.

Von Volker Mrasek | 02.03.2009
    Während der 90er Jahre häuften sich H-FCKW noch beständig in der Atmosphäre an. Doch damit war genau zur Jahrhundertwende Schluss. Produktion und Verbrauch der FCKW-Ersatzstoffe erreichten ihren Höhepunkt, danach gingen sie zurück. Weil die Industriestaaten Ernst machten mit dem Ausstieg aus der H-FCKW–Herstellung. Der Grund: Die Stoffe sollten nur eine Übergangslösung sein. Denn auch sie enthalten immer noch ozonschädigendes Chlor – nur nicht so viel wie die reinen FCKW. Die Auswertung der jüngsten Beobachtungsdaten zeigt aber jetzt: Seit 2004 nehmen H-FCKW wieder zu, und das auch noch ungewöhnlich stark. Der Atmosphärenchemiker Stephen Montzka von der US-Wetterbehörde Noaa:

    "Zwischen 2004 und 2007 hat sich die Zuwachsrate der wichtigsten H-FCKW teilweise verdoppelt. Den stärksten Anstieg zeigt ein Stoff namens H-FCKW 142b. 2007 waren seine Emissionen zweimal so hoch, wie man noch einige Jahre vorher erwartet hatte."

    Montzka und seine Arbeitsgruppe glauben auch den Grund für diesen Trend zu kennen:

    "Unsere Messstationen sind über den ganzen Globus verteilt. Dadurch können wir feststellen, wo die Emissionsquellen für H-FCKW sind. Nach unseren Ergebnissen gab es eine Verschiebung der Emissionen von mittleren in tiefere nördliche Breiten. Daraus kann man ableiten: In der EU, in Nordamerika und Japan gehen die Emissionen von H-FCKW zwar weiter zurück; in Ländern wie China und Mexiko aber steigen sie an."

    Das ist nicht einmal illegal. Denn Entwicklungs- und Schwellenländer dürfen im Moment noch so viel H-FCKW herstellen, wie sie möchten. Und sie können die Produktion in den nächsten Jahren sogar noch weiter steigern.

    "H-FCKW waren als vorübergehende Ersatzstoffe vorgesehen. Entwicklungsländer dürfen sie aber noch bis 2013 nutzen. Erst dann wird eine Obergrenze für die Produktionsmengen festgesetzt, auf dem Stand von 2010. Im Moment jedoch gibt es noch keinerlei Beschränkungen für ihre Verwendung in Entwicklungsländern."

    Es hat den Anschein, als kurbelten Schwellenländer wie China und Mexiko die H-FCKW-Produktion extra noch einmal an. Um sie dann 2013 auf einem umso höheren Niveau einfrieren zu können. Den Schaden hat die Ozonschicht. Zwar geht der Chlor-Gehalt der Atmosphäre weiterhin zurück, infolge des schon längeren Verbots von FCKW. Doch weil H-FCKW nun wieder zulegen, verlangsamt sich der Erholungsprozess. Mit Sorge sieht man das auch bei der WMO, bei der Welt-Meteorologie-Organisation in Genf. Deren Ozon-Experte, der Norweger Geir Braathen:

    "Ein Beispiel für eine Substanz, die uns Sorgen macht, ist H-FCKW 22. Sie wird in Klimaanlagen verwendet. Wenn dieser Ersatzstoff in der Erdatmosphäre weiter so stark zunimmt, kann er auf jeden Fall zu einer neuen Bedrohung für die Ozonschicht werden."

    Es gibt ein weiteres Problem mit den nicht mehr so gerne gesehenen Isolier- und Treibmitteln, wie Stephen Montzka erläutert:

    "Diese Substanzen wirken gleichzeitig als Treibhausgase und erwärmen das Klima, genauso wie Kohlendioxid. Wenn wir ihre gesamten Emissionen betrachten, dann zeigt sich: 2007 war der Erwärmungseffekt durch H-FCKW bereits 30 Prozent stärker als in den Jahren vor 2004. Er entsprach immerhin 2,6 Prozent der globalen Kohlendioxid-Emissionen."

    Das klingt nicht nach einem besonders hohen Anteil. Doch wenn man sich klar macht, wie hart um kleinste Klimaschutzerfolge gerungen wird, dann ist das schon ein beachtenswerter Beitrag der H-FCKW zur globalen Erwärmung.