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Vorwärts im Batterie-Betrieb

Daimler hat mit dem S 400 sein erstes Hybridfahrzeug auf den Markt gebracht. Hauptprobleme der Elektroautos bisher: die begrenzte Speicherkapazität der Batterien. Nun steht die High-Tech-Batterie der Zukunft, die Lithium-Ionen-Batterie, vor der Marktreife – und ganz vorneweg ein Unternehmen aus Sachsen: Li-Tec.

Von Jörg Münchenberg | 03.07.2009
    Eine unscheinbare Industriehalle am Rande der sächsischen Kleinstadt Kamenz nordöstlich von Dresden. Doch die Idylle trügt. Die kleine Firma Li-Tec, mehrheitlich im Besitz des weltgrößten Spezialchemiekonzerns Evonik, gilt als neue, hoffnungsvolle Adresse der Elektrochemie – von hier aus soll die Elektrifizierung der Autowelt maßgeblich voran getrieben werden. Mit Hilfe von Hochleistungsbatterien, die hier hergestellt werden. Betriebsleiterin Birgit Wetzlich:

    "Eine Zelle besteht ja aus einer Anode, einer Kathode und dazwischen den Seperator. Wir stellen hier die beiden Elektroden Anode und Kathode her, der Seperator in Marl, auch ebenfalls dazu gehörig zum Evonik-Konzern mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass das eben ein mineralischer Seperator ist, der sehr temperaturbeständig ist."

    Denn immer wieder mussten in den letzten Jahren große Batteriehersteller ihre Akkus etwa für Laptops wegen Brandgefahr zurückziehen. Feuer fängt dabei immer eine Folie, die in der Batterie die beiden Pole voneinander trennt. Anders der Li-Tec-Akku mit seiner feuerfesten Keramikfolie:

    "Der keramische Batterieseperator bietet auf der einen Seite eine sehr, sehr gute Batterieperformance. Und auf der anderen Seite erhöht er noch einmal die Sicherheitseigenschaften von solchen Systemen, in denen ja doch viel Energie drin steckt",

    erklärt der zuständige Evonik-Geschäftsführer Hendrik Hahn stolz. Aber schließlich hat sich der 150-Mann-Betrieb auch eine Menge vorgenommen. Die leistungsfähigen Lithium-Ionenzellen sollen den Weg ebnen für massentaugliche Elektroautos. Insofern kommt auch der Einstieg von Daimler nicht wirklich überraschend – der schwäbische Autokonzern hat im März 49 Prozent an Li-Tec übernommen:

    "Wenn man mal weltweit guckt: da sollen bereits im nächsten Jahr vollelektrische Fahrzeuge verfügbar sein. Im Hybridbereich ist das schon heute der Fall, wenn ich beispielsweise an den S-400 denke. Darüber hinaus gibt es hier entsprechende Ankündigungen, die sich bereits alle im Bereich 2010 bis 2012 als Serieneinführung in größerer Stückzahl abzeichnen",

    betont Geschäftsführer Hahn. So plant Daimler, seine E-Smart mit Li-Tec-Batterien auszustatten, die etwa 20 Kilowattstunden speichern sollen. Insgesamt wird allein das Potential in Deutschland auf mehrere hunderttausend Fahrzeuge geschätzt – das wäre für das noch junge Unternehmen ein lukratives Geschäft, auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist:

    "Wir schauen jetzt gerade auf unsere Handlinie, wo die Muster für die kleineren Formate gemacht werden, für die Entwicklungsmuster. Wenn man aber ein Stückchen weiter guckt, da sieht man die Lämpchen blinken. Das heißt, das ist schon die automatische Linie. Da wird unser Standardprodukt, die 40A-Zelle, wird dort schon elektronisch gefertigt. Die kann ins Auto, die kann aber auch in den Stapler, also für das Industriegeschäft."

    Betriebsleiter Christian Junker beschreibt den Blick in den Trockenraum, wo mehrere Frauen bei fast absoluter Lufttrockenheit die Pole sowie den Seperator zu Zellen zusammenfügen.

    ""Eine Maschine kann das natürlich besser – über den Greifer – und auch schneller. Aber das ist ja die ganze Technik, die es bislang noch gar nicht gibt. Die muss ja erst noch entwickelt werden. Deshalb so viele händische Prozesse. Weil das ja erst im Entstehen ist."

    Tatsächlich wird bei Li-Tec inzwischen auch Geld verdient, etwa mit Zellen für Bootsantriebe, Bagger, Gabelstapler oder auch Stromspeicher für Solarkraftwerke. Doch erst der Massenmarkt im Automobilbereich, so Geschäftsführer Hahn, würde auch für Li-Tec den Durchbruch bringen:

    "Das ist gewissermaßen der Anfangspunkt gewesen mit einem quasi Manufakturbetrieb. Mittlerweile verfügen wir aber auch über die entsprechenden automatisierten Fertigungsschritte. Und damit ist hier auch die Ausbringungskapazität zum Jahresende bei 300.000 großformatigen Lithium-Ionen-Zellen zu sehen."

    Ein zentrales Problem der Zellen, ihre Haltbarkeit, konnte inzwischen weitgehend gelöst werden. Das High-Tech-Produkt aus Kamenz könne über einen Zeitraum von zehn Jahren genutzt werden, so zumindest das Ergebnis nach den umfangreichen Test- und Prüfläufen. An der zweiten großen Herausforderung müsse aber noch gearbeitet werden, gibt Geschäftsführer Hahn zu. Bislang nämlich sind die zukunftsweisenden Akkus viel zu teuer:

    "Also wir streben erst einmal eine Reduzierung um bis zu 50 Prozent an. Das heißt Stand heute, also je nach Fahrzeugkategorie, sprich Fahrzeuggewicht, je nach Reichweite, die angestrebt wird, bewegen wir uns da schon noch in einem Bereich von 15.000 Euro."

    Batterien sind hochkomplexe Systeme, doch in Kamenz glaubt man an die Zukunft. Durch die glückliche Verbindung von Chemie- und Fertigungs-Know-How und mit zwei finanzkräftigen Konzernen im Hintergrund habe Li-Tec gute Chancen – auch gegenüber der übermächtigen Konkurrenz aus Asien.

    "Im Bereich der High-Performance-Anwendung, die wir hier anstreben, starten wir hier gewissermaßen alle noch einmal von vorne. Und da ist es eher ein Vorteil als junges Unternehmen, loslegen zu können. Wir haben an der Stelle nicht den "Ballast" der Vergangenheit im Sinne von bestehenden Anlagen. Die möglicherweise nicht geeignet sind, hier die Bedürfnisse der Automobil- oder Industrieanwendungen bedienen zu können. Das ist eher ein Wettbewerbsvorteil. Wir sind als junges Unternehmen schnell und dynamisch. Gleichwohl macht's am Ende des Tages dann doch die schiere Masse, wenn man jetzt an Wettbewerber aus Asien denkt."