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Vorwurf der Beihilfe zur Körperverletzung

Vor rund drei Jahren sorgte eine Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft Göttingen und des Bundeskriminalamtes bei dem Mediziner Markus Choina für Aufsehen. Er galt als deutscher Komplize des spanischen Dopingarztes Eufemiano Fuentes, dem Blutaustausch unter anderem beim deutschen Radprofi Jan Ullrich vorgeworfen wird. Inzwischen ist es in der Causa Choina relativ still geworden.

Von Thomas Purschke | 28.06.2009
    Am 17. August 2006 wurden von der Staatsanwaltschaft Göttingen, verstärkt durch Beamte des Bundeskriminalamtes, das Wohnhaus des Mediziners Markus Choina im niedersächsischen Bad Sachsa und seine Arbeitsstätte in der Helios-Klinik im thüringischen Bleicherode durchsucht. Bilder vom Zugriff der Ermittler liefen abends in der "ARD-Tagesschau". Gegen den 53-jährigen Chef-Arzt war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz eingeleitet worden. Der Verdacht lautete, dass Choina einer der Zulieferer von Dopingmitteln an den spanischen Doping-Arzt Fuentes sei.

    Es seien umfangreiche Beweismittel sichergestellt worden, teilten die Ermittler damals mit. Mit seiner Aussage vor der Staatsanwaltschaft bestätigte der deutsche Radprofi und Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche im Juli 2007, dass Choina bei ihm im Jahr 2005 Bluttransfusionen durchgeführt habe.

    Choina hatte seine Chefarzt-Tätigkeit in Bleicherode unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen im Sommer 2006 aufgegeben. Inzwischen soll er seinen Lebensmittelpunkt von Bad Sachsa nach Spanien verlegt haben. Sein Anwalt Jorg Estorf bestätigte nun, dass sich sein Mandant auf 13 Seiten gegenüber der Göttinger Justizbehörde zu den Vorwürfen geäußert habe, und dass er eine strafbare Handlung von Choina in Verbindung mit Blutdoping aber nicht sehe.

    Auf Anfrage erklärt der Göttinger Oberstaatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner nach nunmehr fast dreijähriger Ermittlungstätigkeit, das man gegen Choina noch immer "wegen des Verdachts des Inverkehrbringens von Medikamenten zu Dopingzwecken im Sport und auch der Körperverletzung" ermittle. Ein von seiner Behörde an das spanische Justizministerium gerichtetes Rechtshilfeersuchen wurde erst kürzlich abgelehnt mit der Begründung, dass das Ermittlungsmaterial im Zusammenhang mit der "Operacion Puerto" des Madrider Doping-Arztes Fuentes nicht zugelassen worden sei. Beschwerde gegen die Ablehnung wollen die Göttinger nicht einlegen. Zum Blutdoping äußerte der Staatsanwalt, dies falle nicht unter das Arzneimittelgesetz. Ob der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt sein könnte, werde derzeit noch geprüft.

    Eigenblut-Transfusionen sind in Deutschland bis zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes 2007 nicht strafbar gewesen. So argumentiert auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft Freiburg, Wolfgang Maier, im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Doping-Mediziner der Freiburger Uniklinik Andreas Schmid und Lothar Heinrich.

    Diesen Aussagen der Staatsanwaltschaften von Freiburg und Göttingen widerspricht der Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke aus Heidelberg. Eigenblut-Transfusionen ohne ärztliche Indikation, das heißt ohne therapeutische, medizinische Grundlage, seien kriminell, weil sie in jedem Fall eine Körperverletzung darstellten. Für Franke ist dies ein Beispiel für den geringen Aufklärungswillen der deutschen Justiz, es beweise den geringen physiologischen und rechtlichen Sachverstand deutscher Staatsanwaltschaften beim Einsatz invasiver Methoden und rezeptpflichtiger Drogen zum Betrug im Sport. Aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes im Jahr 2000 zum DDR-Doping folgt, so Franke, dass es sich bei solchen nicht ärztlich indizierten Taten stets um "Beihilfe zur Körperverletzung" handele.