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Vorwurf der Marktmanipulation
Anklage gegen VW-Führungsspitze

Wegen des Abgasbetrugs sind erstmals auch Mitglieder der Führungsspitze bei Volkswagen angeklagt worden, darunter Konzernchef Herbert Diess. Die VW-Chefetage soll Anleger vorsätzlich zu spät über die Manipulationen und drohende Milliardenstrafen informiert haben. Die Beschuldigten bestreiten das.

Von Alexander Budde | 24.09.2019
Das VW-Hochhaus in Wolfsburg
Erstmals zielen Anklagen wegen Marktmanipulationen auf die VW-Führungsspitze (imago stock&people / Michael Gottschalke)
Die neuen Anklagen wegen Marktmanipulation zielen erstmals auf die VW-Führungsspitze. Konzernchef Diess, Aufsichtsratschef Pötsch sowie der frühere Vorstandsvorsitzende Winterkorn sollen Anleger vorsätzlich zu spät über den Diesel-Abgasbetrug und die drohenden Milliardenstrafen informiert haben. Dabei geht es um die milliardenschweren Strafzahlungen und Schadensersatzforderungen in den USA, die mit der Aufdeckung von Manipulationen an der der Software des Diesel-Motors Typ E 189 im Sommer 2015 verbunden waren - ein kursrelevantes Ereignis nach Überzeugung der Anklagebehörde. Die Vorstände börsennotierter Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, die Anleger unmittelbar nach dem Bekanntwerden solcher kursrelevanter Ereignisse in Form von sogenannten Ad-hoc-Mitteilungen zu warnen.
"Dieser Verpflichtung aus dem Wertpapierhandelsgesetz sind die Angeschuldigten nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft nicht nachgekommen", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Klaus Ziehe.
VW-Spitze wusste von Abgasmanipulationen
Die Staatsanwaltschaft verweist auf belastende Aussagen. Demnach sollen Winterkorn, Pötsch und Diess bereits im Sommer 2015 bei verschiedenen Anlässen davon erfahren haben, dass US-Dieselautos nicht den Zulassungsnormen entsprachen.
"Es wurde zunehmend deutlich, dass mit einer Offenlegung des sogenannten "Defeat Device" erhebliche finanzielle Risiken im Milliardenbereich auf das Unternehmen zukommen würden, die sich dann später - wie wir alle wissen - tatsächlich auch durch Zahlungspflichten in Milliardenhöhe verwirklichten."
Den Beschuldigten seien die "aufgrund der Brisanz der Thematik ergebenden erheblichen finanziellen Folgen für den Konzern" bewusst gewesen, dass eine solche Mitteilung an den Kapitalmarkt zwingend notwendig sei. Jeder habe aber bewusst und gewollt davon abgesehen, "um den Börsenkurs der VW-Aktien auf dem bisherigen Stand zu halten und Verluste der VW AG zu vermeiden."
Vorstände und Aufsichtsratschef streiten Vorwürfe ab
Die Beschuldigten bestreiten das. Pötsch, der in der fraglichen Zeit Finanzvorstand war, ließ seinen Anwalt erklären, dass weder "die vorsätzliche Manipulation von Abgaswerten" noch die "beispiellose Schwere der Sanktion" für ihn absehbar gewesen seien.
Die Probleme seien als rein technisch und lösbar beschrieben worden, erklärt auch der Anwalt von Winterkorn. Milliardenschwere Strafen hätten als unwahrscheinlich gegolten - folglich sei auch "die kapitalmarktrechtliche Relevanz" nicht erkennbar gewesen.
Ihr Mandant werde sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen die weder faktisch noch rechtlich begründeten Vorwürfe zur Wehr setzen, kündigten die von Diess beauftragten Anwälte an.
Auch VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner erinnerte an die Unschuldsvermutung: Nach Sichtung von Millionen Dokumenten, Mitarbeiter-Befragungen und umfangreichen internen Ermittlungen gebe es keinerlei Hinweise auf ein Fehlverhalten der Beschuldigten. VW habe alle Informationsplichten erfüllt.
Am Abend wollte der VW-Aufsichtsrat darüber beraten, wie der Konzern mit der Anklage umgehen soll.