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Votum für Europa und den Euro

Christdemokrat René van der Linden, ehemaliger Senatspräsident der Niederlande, sieht nun die Chance auf eine stabile Regierung. Die Wähler hätten sich für Europa entschieden. Dass der Rechtspopulist Wilders Verluste hinnehmen musste, sei gut für die Niederlande und Europa.

René van der Linden im Gespräch mit Friedbert Meurer | 13.09.2012
    Friedbert Meurer: Die Niederlande, unsere Nachbarn, sie haben gewählt. Und den Zahlen zufolge wird der amtierende Ministerpräsident Mark Rutte auch der künftige Regierungschef des Landes sein. Seine Partei der Rechtsliberalen landete auf Platz eins der Parlamentswahlen, gefolgt von den Sozialdemokraten. Beide könnten vielleicht gemeinsam eine Koalition jetzt bilden. Wichtigstes Thema der Wahl bildete die Europolitik, und da hat der Rechtspopulist und Eurogegner Geert Wilders mit seiner Partei PVV, Partei der Freiheit, einen klaren Dämpfer erhalten. Er hatte die Duldung der alten Regierung aufgekündigt und damit überhaupt erst Neuwahlen ausgelöst.

    - René van der Linden ist Christdemokrat, war bis letztes Jahr Präsident des niederländischen Senats. Das ist sozusagen das Oberhaus der niederländischen Politik. Guten Morgen, Herr van der Linden!

    René van der Linden: Guten Morgen!

    Meurer: Ihre Partei, die Christdemokraten waren ja bisher Juniorpartner in der Regierung, jetzt hat sie sehr schlecht abgeschnitten, von 21 auf 13 Sitze gefallen. Woran lag es?

    van der Linden: Das ist natürlich eine sehr schwere Niederlage, die wir zu verarbeiten haben. Ich glaube erst mal, wir sind nicht mehr die Volkspartei, die wir in der Vergangenheit immer gewesen sind. Zweitens: Es hat auch in der Partei Konflikte gegeben. Und drittens: Ich denke, dass der Zweikampf Rutte-Samson sich auch für uns ganz schwer dargestellt hat, weil die Zielwähler haben strategisch gewählt und für die Sozialdemokraten war es wichtig, dass Samson größer wurde. Viele von der sozialistischen Partei sind zu den Sozialdemokraten gegangen und von unserer Partei sind die Wähler zu Rutte gegangen, die Liberalen.

    Meurer: War es ein Fehler, Herr van der Linden, dass Ihre Partei sich hat in der Regierung tolerieren lassen von Geert Wilders?

    van der Linden: Das ist, wenn man sich das heute ansieht, sicher ein Fehler gewesen. Die Hoffnung war ja damals, dass damit auch die PVV von Wilders runtergebracht werden könnte. Und ich glaube, dass für uns jetzt die Sache ist, dass wir in die Opposition gehen, damit wir uns auch wieder neu organisieren können.

    Meurer: Haben Sie einen Rat an die Christdemokraten in Deutschland, wie sie einen ähnlichen Absturz vermeiden können?

    Van der Linden: Ich glaube, dass man die Zwei nicht vergleichen kann. Die CDU ist eine breite Volkspartei, die das immer gewesen ist, hat eine starke Position, hat auch mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel eine wichtige Persönlichkeit, die sehr gut in die Wahlen führen kann. Und die CDU ist immer eine viel besser organisierte Partei gewesen. Ich kenne die CDU gut, auch die CSU, und ich glaube nicht, dass man das vergleichen kann.

    Meurer: In Deutschland gibt es keine erfolgreiche Partei rechts von CDU und CSU, bei Ihnen die Partei von Geert Wilders. Ist diese Partei sozusagen am Ende angelangt, steigt Wilders jetzt aus der Politik aus?

    van der Linden: Nein, das glaube ich nicht. Ich bin ja sehr froh – und das ist eine gute Nachricht für die Niederlande und auch für Europa -, dass Wilders auch große Verluste hinnehmen musste. Und ich hoffe, dass das sich weiter durchsetzt, weil es für die Niederlande und auch für das Ansehen unseres Landes kein gutes Bild gibt. Aber er will ohne Zweifel weitermachen. Dies ist natürlich eine sehr interessante Entwicklung, weil er mit großem Gewinn gerechnet hatte.

    Meurer: Wollen die Niederländer, Ihre Landsleute, Herr van der Linden, klar und deutlich die bisherige Euro-Rettungspolitik fortgesetzt sehen? Ist das die Botschaft dieser Parlamentswahl?

    van der Linden: Die Botschaft dieser Parlamentswahl ist meiner Ansicht nach, dass Europa und die Europadebatte gewonnen hat, dass die Leute Europa wollen und dass sie nicht Europa ablehnen. Und auch, dass sie mit dem Euro weitermachen wollen – unter der Bedingung wie auch in Deutschland, dass alle Mitgliedsstaaten, auch im Süden, die starken Bedingungen der Europäischen Union, insbesondere des Euros, auch durchsetzen.

    Meurer: Wie wahrscheinlich ist es, dass es eine, ich nenne es mal, große Koalition geben wird von Rechtsliberalen, der Partei des alten und wohl auch neuen Ministerpräsidenten Mark Rutte, und der Partei von der Arbeit, also der Sozialdemokraten?

    van der Linden: Das ist hoffentlich eine neue Koalition, die für die Niederlande gut wäre. Aber es ist nicht einfach, weil die Partei von der Arbeit, die hat das mit einem linken Programm mit besetzt und die wird unbedingt auch als Gewinner versuchen, ihre Programmpunkte, die unterschiedlich sind von den Liberalen, durchzusetzen. Und das kann bedeuten, dass es noch eine Zeit dauert, bevor wir eine neue Regierung haben.

    Meurer: Wir hatten jetzt vorgezogene Parlamentswahlen, Herr van der Linden. Ein bisschen gewinnt man in Deutschland den Eindruck, in den Niederlanden gibt es viele Regierungswechsel. Es regieren mal die einen und mal die anderen. Sind die Niederländer eher gewillt, ihre Parteimeinung zu ändern? Was unterscheidet da die Niederlande von Deutschland?

    van der Linden: Ich sehe dies als einen Fortschritt, dass es wieder große Parteien gibt, dass es auch Koalitionen möglich macht von zwei oder vielleicht drei Parteien. Es war ja die Angst, dass wir in einer Vier-, Fünf-Parteien-Koalition zurechtkommen sollten. Und ich bin überzeugt, dass diese zwei Parteien auch die Verantwortung übernehmen für eine stabile Regierung. Wir hatten ja letztes Mal das erste Mal in der Geschichte der Niederlande eine Minderheitskoalition, die ja die Unterstützung hatte von der Wilders-Partei, aber ich glaube nicht, dass das für unser Land eine gute Sache ist.

    Meurer: Wünschen sich die Menschen in den Niederlanden also Stabilität in Zeiten der Krise?

    van der Linden: Das ist meiner Ansicht nach auch, was die Wähler gezeigt haben. Zwei unerwartet große Parteien - und das deutet darauf, dass die Wähler auch große Parteien sehen wollen in einer Krisensituation.

    Meurer: Die Niederlande haben gewählt, Mark Rutte, der bisherige Ministerpräsident, bleibt wohl Regierungschef und es könnte auf eine große Koalition von Ruttes Partei, den Rechtsliberalen, mit den Sozialdemokraten hinauslaufen. Ich sprach mit René van der Linden von den Christdemokraten, er war bis letztes Jahr Senatspräsident in den Niederlanden. Herr van der Linden, danke und auf Wiederhören.

    van der Linden: Okay - auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.