Freitag, 19. April 2024

Archiv

Voyage surprise
Bei der EM freuen sich zwei Dritte

Sollte die deutsche Nationalmannschaft heute Abend gegen Frankreich scheitern, wäre sie Turnierdritter. Genau wie Wales, denn bei der Fußball-Europameisterschaft gibt es kein Spiel um Platz drei. Schade eigentlich? Über Sinn und Unsinn eines Entscheidungsspiels.

Von Victoria Reith | 07.07.2016
    Hal Robson-Kanu (Wales) freut sich über seinen Treffer zum 2:1.
    Hal Robson-Kanu ist mit Wales bereits Dritter bei der EM geworden. (Srdjan Suki/EPA, dpa picture-alliance)
    2006 gegen Portugal, 2010 gegen Uruguay. Bei Weltmeisterschaften wurde die deutsche Nationalmannschaft zwei Mal in Folge Dritter, indem sie das Spiel um Platz drei gewann. Es war jeweils ein versöhnlicher Ausklang nach einem bitteren Ausscheiden, 2006 im eigenen Land nach der Niederlage gegen Italien, 2010 flogen die Deutschen in Südafrika gegen Spanien raus, obwohl sie sich während beider Turniere stark präsentiert hatten.
    Bei Niederlage wäre Deutschland ohne Entscheidungsspiel Dritter
    Sollte Deutschland heute an Frankreich scheitern – und mal ehrlich, die Wahrscheinlichkeit ist gegen die selbstbewussten Gastgeber, die weniger verletzungsgeschwächt und nach dem Sieg gegen Island vergleichsweise ausgeruht sind, zumindest gegeben – wird es für die DFB-Elf kein Spiel um Platz drei geben. Bei Europameisterschaften wurde die Trostrunde 1980 abgeschafft. Damit wäre Deutschland bei einer Niederlage am Ende des heutigen Tages Dritter – ebenso wie Wales. Ist das leistungsgerecht?
    Wahrscheinlich hätten rein spielerisch sowohl Frankreich als auch Deutschland gute Chancen, Wales zu besiegen. Gegen die kampfstarken Waliser mit ihren begeisterten Fans hätte man bestimmt auch ganz gerne gespielt.
    Die brachten es sogar per Twitterabstimmung fertig, den Eiffelturm drei Mal in ihren Nationalfarben erstrahlen zu lassen.
    Aber das Spiel um Platz drei gegen Wales wird es nicht geben. Zumindest kein offizielles.
    Auf der Wiese am Rhein in Köln dürften sich dann auch Gareth Bales Kinder tollen – anders auf den Spielfeldern der französischen Stadien, auf denen Kinder laut UEFA ja nichts mehr zu suchen haben, weil Fußballspiele keine Familienveranstaltungen seien. Das sehen viele Familien, die die Spiele gemeinsam im Stadion oder TV verfolgen, vermutlich anders.
    Erstaunlich, dass die UEFA sich die Einnahmen eines weiteren Spiels entgehen lässt, bei dem es im Gegensatz zu den zahllosen Vorrundenspielen immerhin um einen Platz auf dem Podium ginge. Im Zuge der Turnier-Erweiterung auf 24 Mannschaften hätte man den Teams und Fans dieses zusätzliche Spiel leicht unterjubeln können.
    Wales hatte das Weiterkommen nicht eingeplant
    Einige walisische Spieler und ihre Familien dürften froh sein, wenn ihre Spieler die Trostrunde nicht noch absolvieren müssen. Bei der Planung einmaliger Lebensereignisse hatte wohl niemand einkalkuliert, dass Wales es in die K.o.-Phase schafft. Verteidiger Chris Gunter wurde eigentlich heute als Trauzeuge auf der Hochzeit seines Bruders in Mexiko erwartet – stattdessen stand er gestern noch in Lyon auf dem Platz.
    Und Joe Ledleys eigene Hochzeit soll übermorgen stattfinden. Samstag also, der Tag, an dem bei einer Weltmeisterschaft die Spiele um Platz drei stattfinden würden. Auch wenn die Hochzeit des Mittelfeldspielers vermutlich verschoben wird – seine Braut wird dankbar sein, dass es keine weiteren Spiele gibt, war sie doch schon nach dem Sieg gegen Belgien im "Schockzustand".
    Kein Verlangen nach der Trostrunde
    Nicht nur aus familiären Gründen ist es gut, dass es dieses Spiel bei der EM nicht gibt. Hatten doch bei der WM 2014 weder Brasilien noch die Niederlande Lust auf das Duell der Enttäuschten, wie sogar der DFB vermeldete.
    Man kann also davon ausgehen, dass auch die Deutschen nicht am Spiel um Platz drei interessiert wären – und es auch 2006 und 2010 nur mäßig waren. Außer vielleicht Thomas Müller – aber der ist ja eh nur zum Turnier gefahren, um im Halbfinale auszuscheiden.
    Und sollten die Deutschen heute wirklich rausfliegen – so wären sie wenigstens gemeinsam mit Wales Dritter. Nach einem freundschaftlichen Kick auf der Rheinwiese könnte man darauf anstoßen.