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Vulkanismus am Vesuv
Computermodell soll vorhersagen, an welcher Stelle Magma austritt

Schon die Vorhersage, wann ein aktiver Vulkan das nächste Mal ausbrechen wird, stellt eine Herausforderung dar. Noch schwieriger ist die Prognose, wo genau das passieren wird. Denn oft genug bahnt sich das Magma neue Wege. Ein neues Computermodell soll nun helfen, den Ausbruchsort einzugrenzen.

Von Dagmar Röhrlich | 01.08.2019
150 Quadratkilometer sind die Phlegräischen Felder groß – und damit kaum kleiner als Liechtenstein. Unter diesen "brennenden Feldern" westlich des Vesuvs verbirgt sich in der Tiefe ein Supervulkan, der bereits mehrfach so heftig ausgebrochen ist, dass seine Asche halb Europa überzogen hat. Zurück blieb ein riesiger Einbruchskrater, eine Caldera – und die ist inzwischen dicht besiedelt:
"Supervulkane wie die Campi Flegrei haben riesige Magmareservoire und das Potential zu sehr großen Ausbrüchen. Um die vielen Menschen, die in der Caldera leben, besser zu schützen, wollen wir den Vulkan besser verstehen, denn schon kleine Ausbrüche wären gefährlich."
Und die Phlegräischen Felder sind mit den Kratern kleinerer Ausbrüche geradezu übersät, beschreibt Eleonora Rivalta vom GFZ, dem Geoforschungszentrum Potsdam.
Verlässliche Prognosen für frühzeitige Evakuierungen
"So stellt sich die Frage, wo der nächste kleinere Ausbruch stattfinden wird. Wenn wir das mit einiger Wahrscheinlichkeit wüssten, könnten wir Evakuierungen besser planen und Risiken besser abschätzen."
Bisher beruhten die Modellrechnungen dafür auf statistischen Auswertungen vergangener Eruptionen. Dahinter steckt die Annahme, dass die Schlote, die sich dabei gebildet haben, Schwachstellen im Untergrund sind, über die das Magma beim nächsten Mal leichter aufsteigt. Das Problem: Viele Schlote wurden nur ein einziges Mal genutzt, die Annahme ist also vermutlich falsch:
"Wir haben deshalb die statistischen Methoden unterfüttert mit dem aktuellen physikalischen Wissen darüber, welche Faktoren die Ausbreitung des Magmas steuern. Denn Magma geht seltsame Wege: Die können gebogen sein oder verdreht. Wir wissen inzwischen, dass dahinter der tektonische Stress steckt: Das tektonische Spannungsfeld bestimmt, wie das Magma fließt."
Kombination aus Geophysik und Statistik
Die Berechnungen, die Eleonora Rivalta entwickelte, beruhen auf der Lage der Magmakammer und - da sich das Stressfeld nicht direkt messen lässt - auf sehr vielen Rechendurchgängen mit unterschiedlichen Annahmen zu den Eigenschaften dieses Felds. Anhand vergangener Ausbrüche wurde das Modell dann mit Hilfe statistischer Verfahren kalibriert.
"Wir berechnen, ob das Magma unter den Parametern des physikalischen Modells auch an der richtigen Stelle ausbricht. Dabei stimmen wir diese Parameter so lange ab, bis das passiert. Mit diesem kalibrierten Spannungsfeld kann ich dann künftige Ausbrüche vorhersagen."
Für die Campi Flegrei erwies sich die Treffsicherheit des Systems als sehr hoch. In den Berechnungen spiegelt sich die langsame Verlagerung der Magma-Schlote wider. Und: Das Rätsel um den Ort der bislang jüngsten Eruption ist gelöst.
Auch weitere Vulkane im Blick
"Unsere Berechnungen zeigten, dass dieser Ausbruch zwar nicht an dem Ort mit der höchsten Wahrscheinlichkeit stattfand, aber an einem mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Der Monte Nuovo, der bei dem Ausbruch von 1538 entstand, liegt auf einem Ring um das Calderazentrum herum. Und wir wissen jetzt, dass Ausbrüche prinzipiell überall auf diesem Ring stattfinden können."
Ebenso ein paar Kilometer weiter im Nordosten der Caldera. Dort befindet sich das Gebiet mit der höchsten Ausbruchswahrscheinlichkeit. In jedem Fall liegt die Risikozone nicht in dem Teil der Caldera, der unter Wasser ist, sondern mitten im dicht besiedelten Küstengebiet der Region Kampanien. Als nächstes soll das Verfahren an zwei weiteren Vulkanen erprobt werden, dem Ätna auf Sizilien und dem Piton de la Fornaise auf La Réunion im Indischen Ozean.