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VW-Abgasskandal
Anleger fürchten um Schadenersatz

Nicht nur Autokäufer, auch die Aktionäre fühlen sich von VW wegen des Abgasskandals betrogen. Sie werfen dem Autobauer vor, sie zu spät über den Sachverhalt informiert zu haben. Um ihr Recht auf Schadenersatz einzuklagen, müssen sich die Anleger jedoch beeilen - am 18. September diesen Jahres verjährt ihr Anspruch.

Von Michael Braun | 17.08.2016
    Der Name Volkswagen ist auf einem Schild bei der Hauptversammlung in Hannover zu sehen
    Die Privataktionäre von VW wollen nicht einen individuellen Kursschaden einklagen, sondern einen pauschalen Schadenersatz von knapp 60 Euro pro Aktie. (picture alliance / dpa / Peter Steffen)
    Es eilt für VW-Aktionäre. Auch sie, nicht nur die Autokäufer, fühlen sich von VW wegen des Dieselgateskandals betrogen. Wer Schadenersatz will, muss sehen, dass die Tat nicht verjährt, die sie VW vorwerfen. VW soll seine Eigentümer zu spät über die Manipulationssoftware, den aufkommenden Streit mit amerikanischen Umweltbehörden und den daraus erwachsenen Strafen, zu spät also über kursrelevante Tatsachen informiert haben:
    "Dass diese Probleme kursrelevant sind, haben wir dann ja aus der Reaktion des Aktienkurses im September 2015 bei Bekanntgabe dieser Probleme gesehen. Er ist ja dramatisch zusammengebrochen. Und hier ist der Beleg eigentlich geführt, dass es sich insoweit um eine kursbeeinflussende Tatsache handelt, die nach dem Wertpapierhandelsgesetz ad hoc gemeldet werden muss in dem Moment, wo sie bekannt ist."
    So der Anlegeranwalt Klaus Nieding von der Frankfurter Kanzlei Nieding & Barth. Wann der Markt, die Anleger, die Eigentümer hätten informiert werden müssen, mag umstritten sein. Beim Landgericht Braunschweig liegen Hinweise vor, VW habe sich "spätestens 2007" für eine manipulierende Software entschieden und sei damit publizitätspflichtige Risiken eingegangen.
    Anleger müssen Klagekosten tragen
    Tatsächlich hat VW erst am 22. September 2015 um 11.39 Uhr den Kapitalmarkt informiert. Doch der Aktienkurs war schon zuvor eingebrochen. Schadenersatz können sich nun, so Roland Klaus von der Interessengemeinschaft Widerruf, die ausrechnen:
    "Die die Aktie in einem Zeitraum gekauft haben, von dem man nachweisen kann, dass zu diesem Zeitpunkt die Unternehmensführung von Volkswagen bereits über die Manipulationen wusste, es aber unterlassen hat, das zu veröffentlichen. Konkret ist damit der Zeitraum seit 2013 gemeint. Und die zweite Voraussetzung ist, dass die Anleger diese Papiere zur Veröffentlichung der Abgasaffäre, also im September 2015, im Depot hatten."
    Um ihr Recht auf Schadenersatz wahrzunehmen, darf der Anspruch nicht verjähren. Das tut er aber am 18. September dieses Jahres. Es sei denn, betroffene Anleger klagten, um die Verjährung zu stoppen. Klagen müssen sie aber als Individuum, weil das Landgericht Braunschweig ein Kapitalanlegermusterverfahren erst Ende dieses, Anfang nächsten Jahres eröffnen kann, also nach Ablauf der Verjährungsfrist.
    Privataktionäre in Streitgenossenschaften bündeln
    Damit fallen die Klagekosten auch beim individuellen Kläger an. Ältere Rechtsschutzversicherungen decken die Kosten ab. Neuere Verträge haben den Versicherungsschutz für Kapitalanlagen vielfach ausgeschlossen, berichtet eine Kölner Kanzlei. Um die Kostenrisiken des Prozesses auszuschließen, kann man einen Prozesskostenfinanzierer beauftragen. Roland Klaus:
    "Die Prozessfinanzierung richtet sich in erster Linie an diejenigen, die tatsächlich eher risikoavers sind, die sagen, ich will nicht schlechtem Geld potenziell gutes Geld hinterherschmeißen, ich möchte keinerlei Kostenrisiko haben. Für die kommt das in Frage."
    Dafür müsse der Aktionär dem Prozessfinanzierer bei Erfolg ein Drittel des Schadenersatzes abtreten und mindestens 100 Aktien mit Kursschaden besessen haben.
    "Wenn man die Prozessfinanzierung in Anspruch nehmen möchte, dann sollte man sich bis Ende August bei der Interessengemeinschaft Widerruf gemeldet haben, weil dann letztendlich die restliche Zeit noch gebraucht wird, um das Verfahren entsprechend anzustoßen vor der Verjährungsfrist."
    Pauschaler Schadenersatz von 60 Euro pro Aktie
    Klaus leitet die Interessenten dann an eine bekannte Tübinger Kanzlei weiter. Anwalt Nieding, zugleich Vizepräsident einer großen Aktionärsvereinigung, will nicht potenzielle Kläger vermitteln, sondern hat für sie einen eigenen Weg konzipiert:
    "Wir versuchen, die Privatanleger, die Privataktionäre in sogenannte Streitgenossenschaften zu bündeln und mischen diese Streitgenossenschaften immer so, dass wir Leute mit kleinen Schadenersatzansprüchen und Leute mit großen Schadenersatzansprüchen zusammen haben, sodass sich aus diesem Mix dann eine Querfinanzierung ergibt. Unter dem Strich kostet es die Leute zwischen 600 und 800 Euro maximal inklusive aller Kosten der Gegenseite und des Gerichts, um mit einem Klageverfahren hier die Verjährung zu unterbrechen und damit die ganze Instanz abzudecken."
    Eingeklagt werden soll nicht ein individueller Kursschaden, sondern ein pauschaler Schadenersatz von knapp 60 Euro pro Aktie. Damit bleibt dem Anleger der schwere Nachweis erspart, er hätte die Aktien nicht gekauft, wenn er von den Abgasmanipulationen gewusst hätte. Dem Landgericht Braunschweig liegen schon Schadenersatzklagen von knapp vier Milliarden Euro vor. Für die ist die Verjährung unterbrochen.