Dienstag, 16. April 2024

Archiv


"W" wie weniger

2002 hatte die Bundesregierung beschlossen, die Besoldung von Professoren zu reformieren. Die W-Besoldung wurde bis 2005 von allen Bundesländern eingeführt. Ob der Staat seinen Professoren seitdem zu wenig zahlt, soll nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Von Armin Himmelrath | 10.10.2011
    "Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung - Professorenbesoldungsreformgesetz vom 16. Februar 2002 § 32. Die Ämter der Professoren und ihre Besoldungsgruppen sind in der Bundesbesoldungsordnung W geregelt."

    W wie Wissenschaft. Für manche Betroffene allerdings eher W wie Wehklagen. So wie für Dorit Gattermann, Professorin an einer großen Universität in Nordrhein-Westfalen. Ihren richtigen Namen will die Gesellschaftswissenschaftlerin nicht nennen. Über ihre finanzielle Situation reden schon.

    "Ich hatte ursprünglich als wissenschaftliche Oberassistentin 500 Euro mehr verdient, hab dann einen Ruf als Professorin bekommen. Die W2-Grundbesoldung liegt eben 500 Euro niedriger, das heißt, ich bin niedriger eingestuft worden. Ich musste das Bundesland verlassen, mir einen neuen Lebensunterhalt aufbauen, das Ganze mit wesentlich weniger Geld, als ich es vorher gewohnt war. Das liegt im Niveau eben so knapp unter einem Hauptschullehrergehalt, mit dem ich dann selbst zurande kommen muss."

    Eine Professorin, die weniger verdient als ein Hauptschullehrer? Dorit Gattermann wundert sich darüber sechs Jahre nach Einführung der W-Besoldung nicht mehr. Sie habe ihren Lebensstandard spürbar einschränken müssen.


    "Das Problem ist, dass von uns Professoren auch verlangt wird und die meisten von uns auch sehr gerne wollen, eben auch im privaten Bereich noch weiter zu arbeiten. Und das heißt zum Beispiel auch: Wissenschaftliche Zeitschriften abonnieren zu können, für die normalerweise früher das Gehalt gereicht hat - das reicht für mich nicht, teure wissenschaftliche Zeitschriften privat zu bestellen oder zum Beispiel auf Kongresse zu fahren. Auch wenn die Uni das nicht finanzieren kann, kann ich mir das eben nicht leisten, auf wissenschaftliche Kongresse zu fahren."

    2002 hatte die Bundesregierung beschlossen, die Besoldung von Professoren zu reformieren. Vorher waren die Lehrstuhlinhaber nach der in den 70er-Jahren eingeführten Besoldungsgruppe C bezahlt worden. Fachhochschulprofessoren bekamen in der Regel die Stufe C2 oder C3, Universitätsprofessoren C3 oder C4. Das bedeutete für einen C4-Professor in Hessen im Durchschnitt knapp 7400 Euro pro Monat.

    Heute beträgt das durchschnittliche Gehalt nach der W-Besoldung dagegen nur gut 6800 Euro - ein Minus von mehr als 560 Euro. Die W-Besoldung wurde bis 2005 von allen Bundesländern eingeführt. Der größte Unterschied: Die Bezüge steigen nicht mehr wie früher automatisch mit dem Dienstalter an. Stattdessen gibt es nur noch ein niedrigeres Grundgehalt, zu dem zusätzlich sogenannte Leistungszulagen bezahlt werden. Wer mehr tut, soll mehr bekommen - das war die Idee.

    2004 hatte sich ein Chemiker auf eine C3-Professorenstelle an der Universität Marburg beworben. Das Verfahren zog sich hin, er wurde schließlich als Professor berufen - doch zwischenzeitlich hatte das Land Hessen auf die W-Besoldung umgestellt, der neue Professor bekam deutlich weniger Geld.

    Dagegen klagte der Wissenschaftler - und führte den Rechtsstreit bis vor das Bundesverfassungsgericht, wo der Fall ab morgen um 10 Uhr mündlich verhandelt wird. Die Bezahlung nach der W-Tabelle und insbesondere die niedrige Grundbesoldung sei seinem Amt nicht angemessen, argumentiert der Chemiker.

    Das Verwaltungsgericht Gießen gab ihm bereits Recht. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung legten die Gießener Richter den Fall den Verfassungsrichtern in Karlsruhe vor. Verwundert hatten sie mit Blick auf ihre eigene Profession festgestellt, dass Berufsanfänger mit Jura-Examen 2007 im Schnitt mindestens 57.000 Euro Jahresgehalt bekamen, in höheren Positionen sogar um die 100.000 Euro. In dem Beschluss heißt es:

    "Demgegenüber betrug das Jahresgrundgehalt 2007 eines W2-Professors 46.795 Euro und eines W3-Professors 56.823 Euro. Der Hochschullehrer erhält also eine geringere Besoldung als diejenigen, deren Ausbildung zu seinen Aufgaben zählt."

    Und weiter:

    "Die fünfte Kammer teilt die Zweifel des Klägers an den gesetzlichen Regelungen und hat daher das Bundesverfassungsgericht zu einer Entscheidung über deren Verfassungsmäßigkeit angerufen. (...) Nach Auffassung der Kammer entspricht das dem nach Besoldungsgruppe W2 besoldeten Professor zustehende Grundgehalt weder der vom Amtsinhaber geforderten Ausbildung sowie seiner Beanspruchung und Verantwortung noch der Bedeutung und dem Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft."

    Mit anderen Worten: Der Staat zahlt seinen Professoren so wenig, dass es gegen das Grundgesetz mit seinen Regeln für das Beamtentum verstößt. Zwar hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Jahr 2008 in einem Fall entschieden, dass die Grundgehälter gerade noch ausreichen. Doch dieser Einschätzung wollten sich die Gießener Richter nicht anschließen. Und das sei die richtige Entscheidung gewesen, sagt Bernhard Kempen. Er ist Präsident des Deutschen Hochschulverbands und damit so etwas wie das Sprachrohr der gut 40.000 Professoren in Deutschland:

    "Wir haben durch die W-Besoldung einen herben Rückschlag erlitten, was unsere Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich einerseits mit den Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Ausland angeht, aber auch, was den Wettbewerb mit der Industrieforschung angeht. Viele gerade der besten jüngeren Leute gehen heute in die Wirtschaft oder in die Industrie, weil sie dort schlichtweg besser bezahlt werden."

    An ihrer Universität, sagt die Gesellschaftswissenschaftlerin Dorit Gattermann, sei es völlig unklar, unter welchen Bedingungen welche Leistungszulagen bezahlt würden und was man als Professorin schaffen müsse, um sein mageres Grundgehalt aufstocken zu können.

    "Das handeln leider die einzelnen Universitäten sehr unterschiedlich. Es gibt einige Universitäten, die Ordnungen dafür erlassen haben, unter welchen Bedingungen Leistungszulagen gewährt werden. Andere Universitäten halten das leider sehr restriktiv. Ich bin an einer solchen Universität, das ist ein Beispiel dafür, die im Allgemeinen nur das Grundgehalt bezahlen - es sei denn, die Kollegen bekommen einen Ruf an eine andere Universität. Ansonsten bleibt nur das Grundgehalt. Es scheint sich eventuell an meiner Universität jetzt zu verändern, Politik ist aber diejenige, dass Leistungszulagen im Prinzip gar nicht vergeben werden."

    Außerdem, sagt Dorit Gattermann, zwinge die Idee der Leistungszulagen die Professoren zu ethisch fragwürdigem Handeln: Um vermeintliche Leistung zu zeigen, würden zunehmend unfertige Studien oder Teilergebnisse veröffentlicht - Hauptsache, es sieht nach umfangreicher Publikationstätigkeit aus.

    "Für Forscher bedeutet das jetzt im Allgemeinen - die W-Besoldung - dass sie viel publizieren müssen, unabhängig von der Qualität. Das wird im Allgemeinen an der Quantität gemessen, weil es eben an der Expertise der Gutachter im Allgemeinen fehlt. Das heißt für uns eben viel qualitativ minderwertige Arbeit zu publizieren. Da fühlt man sich manchmal ein bisschen wie ein Industriearbeiter und nicht mehr wie ein Wissenschaftler."

    Bernhard Kempen wird morgen vor dem Verfassungsgericht als externer Experte die Kritik des Deutschen Hochschulverbands darlegen. Und seine Meinung ist eindeutig:

    "Das ist ein außerordentlich wichtiger Termin für die Professorinnen und Professoren in Deutschland und damit für die deutsche Wissenschaft, denn es geht darum, Arbeitsbedingungen und Besoldungsbedingungen herzustellen, die im internationalen Wettbewerb tragfähig sind und belastbar sind - davon sind wir momentan weit entfernt."

    Etwa 40 Prozent der Professoren in Deutschland beziehen ihr Gehalt aktuell nach der W-Besoldungstabelle. Für den Staat sei das ein gigantisches Sparprogramm gewesen, für die Lehrstuhlinhaber eine Zumutung, sagt Bernhard Kempen.

    "Sie dürfen davon ausgehen, dass die W-Besoldung in der sogenannten Grundbesoldung deutlich abgesenkt ist, und zwar in der Größenordnung 800 bis 1000 Euro abgesenkt ist gegenüber der C-Besoldung. Und es wird dann zum Trost erklärt, ihr könnt ja durch besondere Leistungsbezüge die Differenz aufstocken."

    Professorenbesoldungsreformgesetz, § 33: Leistungsbezüge.
    In den Besoldungsgruppen W2 und W3 werden nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften neben dem als Mindestbezug gewährten Grundgehalt variable Leistungsbezüge vergeben:
    1. aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen,
    2. für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung und Nachwuchsförderung sowie
    3. für die Wahrnehmung von Funktionen oder besonderen Aufgaben im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung oder der Hochschulleitung.


    Besondere Leistungen - wie will man die messen? Gibt es dafür universitätsübergreifende objektive Kriterien? Und wie wollen die Länder und Hochschulen sicherstellen, dass die Professoren auch gerecht bewertet werden? Bernhard Kempen:

    "Das mag in der Theorie ja alles stimmen und die Professorinnen und Professoren in Deutschland sind leistungsfähig und haben hier Möglichkeiten, aber das Problem liegt darin, dass die Besoldungstöpfe gedeckelt sind. Das heißt, selbst dann, wenn Sie nah am Nobelpreis tätig sind und exzellente Wissenschaft machen, heißt das noch lange nicht, dass Sie eine Garantie haben, in den Genuss dieser Zulagen zu kommen. Das heißt, Sie bleiben zurückgeworfen auf die Grundbesoldung, und die ist wie gesagt abgesenkt gegenüber der bisherigen Besoldung."

    Weder das hessische Wissenschaftsministerium noch das hessische Innenministerium, das offiziell für die Landesbeamten und damit auch für den Marburger Professor und dessen Bezahlung zuständig ist, wollten sich auf Anfrage zu der morgigen Verhandlung äußern. Im Vorfeld werde man keine Erklärung abgeben, hieß es nur knapp.

    Ein kleines Arbeitszimmer im Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Leibniz-Universität Hannover. Hier arbeitet Christoph Biester. Der Sozialwissenschaftler hat gerade vor ein paar Wochen seine Doktorarbeit beendet. Sein Thema: Die Einführung der W-Besoldung an den deutschen Universitäten.

    "Ich hab diese ganzen Leistungsbezügeverordnungen untersucht. Also von allen Universitäten, 86 Stück an der Zahl, (...) und da muss man schon sagen, dass das sehr uneinheitlich ist. Diese Leistungsbezügeverordnungen sind von ganz einfachen Zwei-Seiten-Modellen, ganz einfach gestrickt, für gute und besonders gute Leistungen, oder ganz komplexe, zehn- bis 15-seitige Leistungsbezügeverordnungen, in denen die Leistungszulagen über bestimmte Stufen, über einen prozentualen Verteilungsschlüssel über die Professoren verteilt werden, wo man die Stufen kombinieren kann, welche auslassen kann oder dann noch einen Sonderzuschuss beantragen kann - also, das ist ganz diffizil."

    Mit anderen Worten: In Sachen Leistungszulagen herrscht an den Universitäten ein Tohuwabohu. Bis zu 23 Einzelkriterien werden zur Überprüfung der Forschungsleistung genutzt, noch einmal genauso viele Kriterien sind es bei der Lehre. Mal werden entsprechende Preise berücksichtigt, mal die Zahl der Publikationen oder der Doktoranden, mal die wöchentlichen Unterrichtsstunden oder das Einwerben von weiteren Forschungsgeldern.

    Christoph Biester wollte wissen, ob eher quantitative Aspekte zählen oder eher qualitative. Und er suchte nach Mustern - ob etwa bestimmte Bundesländer verstärkt auf bestimmte Kriterien setzen. Doch klare Absprachen, Strategien oder übergreifende Konzepte in Sachen Leistungszulagen gibt es offenbar nicht. Er richtete die Homepage www.w-besoldung.net ein. Und dort äußerten sich tatsächlich etliche Lehrstuhlinhaber im Gästebuch:

    "Eine doch mehr oder weniger große Unzufriedenheit oder Empörtheit, die sich natürlich leicht in so einen anonymen Blog schreibt, das muss man auch sagen. Also, der klassische Vergleich mit dem Oberstudienrat oder dem Lehrer, der halt mehr verdient, oder dass man das alles nicht messen kann - das wird eigentlich häufig berichtet."

    Manche der Blogger ließen sich dann tatsächlich auch noch von dem Sozialwissenschaftler interviewen. Diese Gespräche, sagt Christoph Biester, seien sehr aufschlussreich gewesen. Und noch einen zweiten Aspekt erforschte Christoph Biester in seiner Studie: Wie die Hochschulleitung mit der neuen W-Besoldung umgegangen ist.

    "Jetzt ist es so, dass ja Professoren mit den Kanzlern, Rektoren, Präsidenten - je nachdem, wer gerade zuständig ist im Rahmen der Berufungsverhandlungen - auch das Gehalt verhandeln."

    Wie handhaben die Führungskräfte in den Universitäten die Einführung der neuen Besoldungsordnung für ihre Professoren?

    "Da kommt raus, dass es drei Typen gibt: so einen unternehmerischen Typus, der einen starken Fokus auf das eigene Budget hat und die Produktion der Leistungsbezügeverordnung und die Einführung der W-Besoldung an ein Beratungsunternehmen abgegeben hat und auch das Ansinnen verfolgt, ein persönliches Gehalt zu zahlen. Den zweiten Typus, das ist ein Management-Typus, der versucht, dieses Instrument irgendwie mit einzuklinken in andere Instrumente der Hochschulsteuerung und versucht, das einfach erstmal irgendwie gängig zu machen und zu benutzen. Und dritter und letzter Typus ist ein bürokratischer, der nichts weiter macht, als eine Landesverordnung in dem Fall in eine Richtlinie zu gießen."

    Eine entscheidende Frage aber kann auch Christoph Biester nach seiner Untersuchung nicht beantworten - die Frage, ob die Einführung der Leistungsbezüge tatsächlich zu einer besseren Arbeit der Professorinnen und Professoren geführt hat.

    "Ob es funktioniert, wissen wir gar nicht so genau. Irgendwie funktioniert das - also Leute kriegen Leistungszulagen, der verwaltungstechnische Ablauf geht auch. Aber ob das tatsächlich eine Wirkung hat, also, ob die Professorinnen und Professoren tatsächlich mehr arbeiten - wage ich mal nicht zu bezweifeln, aber wir können das nicht feststellen."

    Niemand könne schließlich sagen, welche Auswirkung eine monatliche Leistungszulage von 150 Euro auf die Produktion eines Fachartikels gehabt habe. Und es könnte ja auch sein, dass sich die Leistung der Professoren nach dem Lebensalter richtet - und dass die Jungen zwar aktiver seien, aber vielleicht nicht wegen der W-Besoldung. Auch nach der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht, sagt Christoph Biester, werde ihm also das Forschungsmaterial rund um die W-Besoldung nicht ausgehen.

    Die bisherigen Forschungsergebnisse aus Hannover überraschen Bernhard Kempen vom Deutschen Hochschulverband nicht - weder die differenzierte Haltung seiner Professorenkollegen zur W-Besoldung noch die Uneinheitlichkeit, mit der das Gesetz in den Ländern umgesetzt wurde.

    "Wir haben überhaupt nichts gegen Wettbewerb, und wir sind auch nicht grundsätzlich dagegen, dass es flexible Besoldungsbestandteile gibt. Darüber kann man politisch schon nachdenken. Ich halte das nicht für politisch so unklug, zu sagen: Wir wollen Anreize schaffen. Aber das Problem liegt an zwei Stellen. Erstens: Dann muss auch genügend Geld da sein, und zwar theoretisch ja für alle genug Geld da sein, die besondere Leistung bringen, dass diese Leistung dann auch tatsächlich honoriert wird. Und zweitens müsste dann auch mal intensiv darüber nachgedacht werden - und zwar nicht von Professoren, sondern vom Gesetzgeber in den 16 Bundesländern - was heißt denn eigentlich besondere Leistung? Wie wollen wir das denn festlegen?"

    Zum Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter, das noch für dieses Jahr angekündigt ist, will Bernhard Kempen keine Prognose abgeben. Er setzt bei der Verhandlung vor allem auf eines:

    "Wir wünschen uns vor allen Dingen Klarheit. Wir wollen, dass das Bundesverfassungsgericht deutlich macht, was Beamtenbesoldung im Falle von Professoren bedeutet. Und das bedeutet, dass da Eckpunkte eingezogen werden müssen: Was muss der Gesetzgeber tun? Darf er überhaupt flexible Besoldungsbestandteile in dieser Weise einführen? Was heißt Grundbesoldung und damit Alimentation? Was bedeutet das auch im Funktionsvergleich mit anderen Beamten, die längst nicht so hoch qualifiziert sind wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler? Das sind alles Punkte, die das Bundesverfassungsgericht jetzt klären sollte. Und wir sind zuversichtlich, dass das Gericht hier die erforderliche Klarheit herbeiführen wird."

    Wie diese Klarheit aussehen müsste, das steht für den Präsidenten des Deutschen Hochschulverbands allerdings längst fest:

    "Wenn Sie sich das mal anschauen, dass es hier um Personen geht, die eine - ja, eine höhere Qualifikation können Sie in keinem Ausbildungsgang erreichen. Dass hier die höchste Qualifikation erreicht ist und gleichzeitig eine immense Verantwortung, nämlich für das Schicksal junger Menschen in der Ausbildung, aber auch für Forschung, auf die wir alle angewiesen sind, dass das hier getragen und geleistet werden soll, dann muss da auch eine andere Grundbesoldung rauskommen. Da kann es nicht sein, dass wir im Vergleich mit anderen Beamten in anderen Funktionsbereichen geradezu schlechter da stehen, sondern die Grundbesoldung muss deutlich nach oben."

    Plus gegebenenfalls weitere Leistungszulagen, wenn ein Professor eine bestimmte Funktion an der Universität übernimmt. Dass der Leistungsaspekt generell in Frage gestellt werden wird, erwartet auch Sozialwissenschafter Christoph Biester nicht:

    "Also, wer den Dekan macht, hat ja früher nichts gekriegt, außer einen Haufen Arbeit, und jetzt ist es so, dass es dafür eine Leistungszulage gibt - im Schnitt 447 Euro, also im Schnitt über die ganzen Universitäten. Und das finde ich durchaus eine sinnvolle Einrichtung, also, dass die Leute man entschädigen kann für die Übernahme von solchen Ämtern. Oder wenn sie sich besonders engagieren, man ihnen im Prinzip ein bisschen Geld immerhin geben kann. Man muss dazu sagen, dass die Beträge ja immer noch vergleichsweise gering sind."

    Während bei Managern in der freien Wirtschaft der leistungsabhängige Bonus-Anteil am Gehalt schon mal 40 Prozent ausmachen kann, liegen entsprechende Vergleichszahlen für die deutschen Professoren noch nicht vor - die Landesämter für Besoldung geben diese Daten nicht heraus. Auch die nordrhein-westfälische W2-Professorin Dorit Gattermann wehrt sich nicht grundsätzlich gegen Leistungsaspekte in der Besoldung. Doch erst einmal, sagt sie, müsse beim Grundgehalt nachgebessert werden. Und da sei die morgige Verhandlung ein wichtiger Meilenstein, um Druck auf die Politik zu machen.

    "Ich freue mich, dass es überhaupt endlich verhandelt wird erstmal nach doch jetzt über sechs Jahren W-Besoldung. Meine Erfahrungen sind eigentlich so, dass bei Gericht auch die Richter eher, wenn sie sich intensiv damit beschäftigen, auch verwundert sind. Einmal über die Höhe der Abzüge, damals im Vergleich zur C-Besoldung, und auch darüber, dass die einzelnen Universitäten das eben überhaupt nicht anwenden, dass sie keine Leistungsbezüge vergeben. Dass das Gesetz also nicht so durchgeführt wurde, wie es vielleicht ursprünglich mal intendiert war bei der Gesetzesbildung."

    Und obwohl sich die im Verfahren vertretenen Hessischen Landesministerien im Vorfeld der Verhandlung nicht äußern wollten, signalisierten sie doch Übereinstimmung mit dem Professorenvertreter Bernhard Kempen. Zwar nicht in der Sache, wohl aber, was die Bedeutung des Rechtsstreits angeht. Bernhard Kempen:

    "Ein Verfahren mit großer Signalwirkung - also, was auch immer da rauskommen wird, es wird so sein, dass es nicht folgenlos bleiben wird. Die Länder werden - und zwar in einer Parallelaktion - dem Spruch aus Karlsruhe folgen."