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Wachablösung bei der Europäischen Zentralbank

Es sind stürmische Zeiten für einen Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank. Wegen der Euro-Schuldenkrise wird der neue Mann Mario Draghi ungewöhnliche Wege gehen müssen. Seine größte Herausforderung dürfte es sein, Vertrauen zurückzugewinnen.

Von Michael Braun | 01.11.2011
    Die Märkte bekamen es bestätigt: Wer sich auf Euro-Gipfelbeschlüsse verlässt, könnte verlassen sein. Und deshalb war klar, als gestern in Griechenland das Referendum lanciert wurde: Die Europäische Zentralbank ist die einzig handlungsfähige Institution in Euroland, und ihr seit Mitternacht amtierender neuer Präsident Mario Draghi wird alles tun müssen, um die Märkte zu beruhigen. Timo Klein, Chefvolkswirt des Analysehauses Global Insight, sagte, die EZB müsse sich bemühen,

    "… dass wenigstens von ihr keine weitere Unsicherheit zusätzlich ausgeht, sondern dass sie einen gewissen Anker der Stabilität darstellt. Damit sind natürlich die Handlungsmöglichkeiten von Draghi eher noch etwas weiter eingeschränkt."

    Eine Herausforderung für Draghi, die EZB aus dem Aufkauf von Staatsanleihen zu lösen, diese Aufgabe dem Rettungsfonds EFSF zu überlassen und zurückzufinden vom Staatsfinanzierer zur sauberen geldpolitischen Institution, diese Herausforderung wird auf die Zukunft vorgetragen. Die EZB hat heute schon Anleihen aus Spanien und Italien aufgekauft, ihren Bestand von gut 170 Milliarden Euro also weiter aufgestockt. Und schon kommen die ersten Spekulationen, die Notenbank werde schon am kommenden Donnerstag die eigentlich erst für Dezember erwartete Zinssenkung beschließen.

    Mario Draghi gibt sich als einer, der mit solchen Schwierigkeiten rechnet, der sie annimmt. Bei seinen Freunden, erzählte er einmal, sei er nicht als einer bekannt, der unmöglichen Aufgaben aus dem Weg gehe:

    "Friends tell me that I rarely shy way from impossible tasks”"

    Die EZB aus der Rolle des Staatsfinanzierers herauszubugsieren, wird eine diese Aufgaben sein. Die andere und vornehmste: Für Preisstabilität zu sorgen. Sein Heimatland ist da alles andere als vorbildlich mit aktuell 3,8 Prozent Inflation, das Doppelte von dem, was die EZB für Euroland erreichen will und auch deutlich mehr als der Euroland-Durchschnitt von drei Prozent. Doch Draghi wird in der Szene nicht als einer wahrgenommen, der als mit italienischer Leichtigkeit daherkommt und eine Politik vor allem für sein Land machen werde. Stefan Bielmeier, der Chefvolkswirt der DZ Bank:

    ""Die Mandate der EZB sind klar. Und Herr Draghi wird sich letztlich an dem gesetzlichen Auftrag deutlich ausrichten. Und er hat doch in der Vergangenheit eine sehr stabilitätskonforme Politik betrieben."

    Nachdem der frühere Bundesbankpräsident und der deutsche Chefvolkswirt der EZB die Bank unter Protest verlassen haben oder das bald tun werden, wird die schwierigste Aufgabe Draghis wohl die sein: Vertrauen in die Stabilitätspolitik der EZB zu bewahren und immer wieder zu erneuern, nicht nur in Deutschland.