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Wachholz: EU muss ihre Hausaufgaben in der Klimapolitik jetzt machen

Der Klimaschutz werde als Modernisierungsoffensive für die Wirtschaft gesehen, sagt Carsten Wachholz, Klimaexperte des Naturschutzbundes Deutschland NABU. Er warnt davor, die Preise für CO2 beim Emissionshandel zu niedrig anzusetzen.

Carsten Wachholz im Gespräch mit Jule Reimer | 17.12.2012
    O-Ton Peter Altmaier: "Wir haben das Kyoto-Protokoll verabschiedet, wir haben gleichzeitig aber auch die Weichen gestellt für die Verhandlungen eines neuen weltweiten Klimaschutzabkommens und wir haben dafür gesorgt, dass über die wichtige Frage der Klimafinanzierung sehr zeitnah gesprochen wird."

    Jule Reimer: Acht Tage liegt es zurück, dass Bundesumweltminister Peter Altmaier die UN-Klimakonferenz in Doha als Erfolg lobte. Heute treffen sich die Umweltminister der Europäischen Union in Brüssel. Frage an Carsten Wachholz, Klimaexperte des Naturschutzbundes Deutschland NABU, der auch in Doha dabei war: Herrscht da in der Runde heute tatsächlich Freude über das Ergebnis von Doha oder eher Katerstimmung?

    Carsten Wachholz: Wir erwarten, dass Peter Altmaier die Worte wiederholt, die er gegenüber den deutschen Umweltverbänden in Doha sehr deutlich gemacht hat, dass diese Verlängerung des Kyoto-Protokolls fast an der Blockade von Polen gescheitert ist in Doha, und dass die EU ihre Hausaufgaben in der Klimapolitik jetzt machen muss. Das betrifft zum einen, das Klimaziel insgesamt auf 30 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020 anzuheben und eng damit zusammenhängend das wichtigste Klimaschutzinstrument, nämlich den Emissionshandel, zu reparieren. Da liegt nämlich der CO2-Preis mit fünf bis sieben Euro pro Tonne CO2 im Moment am Boden.

    Reimer: Haben Sie denn eine Empfehlung, wie man die Polen zum 30-Prozent-Ziel ins Boot holen könnte?

    Wachholz: Man muss sehen, dass im Moment gleichzeitig auch die Verhandlungen über einen EU-Haushalt bis 2020 laufen. Hier erwartet Polen eine ganze Reihe an Subventionen – nicht nur für den Agrarbereich, sondern auch für andere Wirtschaftsbereiche. Und wenn Klimaschutz tatsächlich Klima- und Ressourcenschutz für die EU ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für die Zukunft ist, dann muss man den Polen sehr deutlich machen, dass hier weitergehende Schritte erforderlich sind.

    Reimer: Das heißt: Geld anbieten?

    Wachholz: Es geht darum, wofür wird künftig Geld gegeben, denn Klimaschutz wird ja vor allen Dingen immer auch von Herrn Altmaier als eine Modernisierungsoffensive für die Wirtschaft gesehen. Auch die Energiewende wird ja als Wettbewerbsvorteil auch gesehen. Hier muss man sozusagen schauen, dass der Emissionshandel jetzt nicht die falschen Signale sendet. Mit einem Preis, mit dem sich Klimaschutzinvestitionen für die Wirtschaft überhaupt nicht lohnen, kann man auf jeden Fall Treibhausgasminderungen bis 2020 nicht mehr erwarten.

    Reimer: Bleiben wir beim Thema Emissionshandel. Sie sagten es bereits: die Verschmutzungszertifikate für eine Tonne CO2 sind sehr niedrig. Anfang Dezember lag dieser Preis bei sechs Euro und erhofft war mal ein Preis von mindestens 17 Euro. Jetzt gibt es aber zum Beispiel in Deutschland ein Patt zwischen Bundesumweltminister Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Rösler und abstimmen werden über eine Reform des Emissionshandels, also wo auch die Frage ist, man verknappt die Zertifikate oder auch nicht, beide Minister. Entspricht diese Konstellation auch der in anderen Staaten, dass sich da gegenwärtig Umwelt- und Energieminister blockieren?

    Wachholz: Es gibt natürlich unterschiedliche Interessen. Aber die Frage ist: Wie kommen diese Entscheidungen auf der EU-Ebene zustande. Und wenn sich große Wirtschaftsmächte wie Deutschland in dieser entscheidenden Abstimmung enthalten müssen, weil sie keine einheitliche Position haben, dann können sie auch im Vorfeld nicht wirklich andere Staaten dafür werben, eine Zustimmung möglich zu machen.

    Reimer: Das heißt, was glauben Sie? Also es hängt alles an Deutschland?

    Wachholz: Nein. Es haben in Doha sich ganz viele Staaten engagiert, dass sozusagen dieser Emissionshandel international, aber auch innerhalb von Europa wieder auf die Füße gestellt wird. Man will eben nicht mit einer Vielzahl von ordnungsrechtlichen Eingriffen Klimaschutzvorgaben machen, sondern will wirtschaftlich Anreize schaffen. Dazu braucht man aber einen CO2-Preis von 17 bis 20 Euro die Tonne und nicht von fünf bis sechs.
    Und man hat ein zweites Problem, dass auch die Finanzminister mit den Einnahmen aus weiteren Versteigerungen von Emissionsrechten gerechnet haben und hier schlichtweg dann auch Beiträge fehlen, die wir für die internationale Klimafinanzierung zugesagt haben.

    Reimer: Die EU muss ihren Emissionshandel reformieren, fordert Carsten Wachholz, Klimaexperte des Naturschutzbundes Deutschland NABU.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.