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Wächst zusammen, was eigentlich zusammengehört?

Ihre Wurzeln sind dieselben, doch Kriege trennten die deutsche Arbeiterbewegung, und Kriege einten sie wieder - zumindest in einem Deutschland. Nun - nach fast zwei Jahrzehnten deutscher Wiedervereinigung und dem Erstarken der neuen "Linken" auch in den westlichen Bundesländern - müssen sich SPD und die Linke dieser gemeinsamen Geschichte und damit die Weichen für die Zukunft stellen.

Von Frank Capellan | 27.03.2008
    Sie singen dieselben Lieder, sie haben dieselben Wurzeln, sie haben immer noch den gleichen Traum von einer gerechteren Welt, von Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft - Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten. Verbindet sie nicht mehr, als sie trennt? Braucht Deutschland wirklich eine Partei links von der SPD? Lange Zeit wurde diese Frage von den Sozialdemokraten nicht ernst genommen, doch seit sich die Linken auch in westdeutschen Parlamenten etablieren, scheinen manche Genossen neue Signale zu hören:

    Wolfgang Thierse: "Das Ende des Sowjetsystems belegt das Scheitern der kommunistischen Abspaltung von der Arbeiterbewegung. Man muss das gelegentlich in Erinnerung rufen, dass die KPD - und aus ihr stammt die SED - eine Abspaltung von der Arbeiterbewegung ist: der sozialdemokratischen. Diese Abspaltung ist gescheitert. Es gibt keine geschichtliche Rechtfertigung mehr für eine linksradikale, linkssektiererische, im Grunde kommunistisch geprägte sogenannte linke Partei."

    Der demokratische Sozialismus könnte die gemeinsame Basis für die Zukunft sein, lautet die provokante These von Wolfgang Thierse. Deuten die Zeichen langfristig also auf eine Wiedervereinigung der politischen Linken in Deutschland hin? Kann wieder zusammenwachsen, was eigentlich schon immer zusammengehörte?

    Wolfgang Thierse: "Die Konsequenz zu ziehen, ist eine Aufgabe, die in der Linkspartei diskutiert werden muss."

    SPD-Vorstandsmitglied Thierse setzt darauf, dass der Kurswechsel von Kurt Beck die Linken in Schwierigkeiten bringen wird. Der SPD-Vorsitzende tourt derzeit durch die Republik, morgen macht er im Rahmen seines sogenannten Deutschland-Dialoges Station in Bremen. Und auch dort wird er erklären, warum plötzlich Koalitionen mit der Linkspartei in den westdeutschen Ländern möglich sind.

    Diese Öffnung ist umstritten, die Art und Weise, wie er sie eingefädelt hat, beschädigte den SPD-Chef. Ob er seine Partei als Merkel-Herausforderer in die nächste Wahl führen wird, ist unklarer denn je. Schon diskutiert die SPD darüber, ob der Kanzlerkandidat in einer Urwahl bestimmt werden müsste. Dass aber auch Kurt Beck seine Strategie im Umgang mit der Linkspartei ändern musste, war für den Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer nur allzu logisch:

    "Mit dem Ende des Kalten Krieges sind bestimmte Legitimationsmuster in der deutschen Politik verschwunden, wie: Antikommunismus. Also, wenn man in Hessen, beispielsweise im Wahlkampf, mit der Gefahr des Kommunismus argumentiert, aber im Nachbarland sitzt kein russischer Militärkommandant, sondern ein CDU-Ministerpräsident, ist das irgendwie lächerlich."

    Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung ist eine Geschichte von Trennung und Spaltung. Schon mit Beginn des Ersten Weltkrieges trennen sich die Wege von Sozialisten und Sozialdemokraten. Als die Mehrheit der SPD den Krieg bejaht, wenden sich die Enttäuschten ab. Allen voran Karl Liebknecht, dessen Vater Wilhelm einst Mitbegründer der SPD war. 1914 verweigert er sich als einziger Sozialdemokrat den Kriegskrediten:

    "Die SPD-Fraktion hätte die Pflicht gehabt, jede Verantwortung für diesen Krieg abzulehnen, der eine Folge der von uns grundsätzlich bekämpften, kapitalistisch imperialistischen Politik darstellt."

    Liebknecht und Rosa Luxemburg werden vier Jahre später zu den Gründern der KPD. Schon zuvor versammeln sich andere Unzufriedene im Spartakusbund und bei den Unabhängigen Sozialdemokraten, der USPD. Eine vorübergehende, aber doch ernst zu nehmende Abspaltung, meint dazu heute der Historiker Heinrich-August Winkler:

    "Unter denen, die im Ersten Weltkrieg der Mutterpartei schweren Herzens den Rücken kehrten, waren auch überzeugte sozialdemokratische Reformer wie Eduard Bernstein."

    Andere schließen sich aus Protest gegen die Kriegsunterstützung den Kommunisten an. Bis heute allerdings verstehen sich Sozialdemokraten und Linke gleichermaßen als Friedenspartei. Gerhard Schröder verdankt der Ablehnung des Irakkrieges seine Wiederwahl. Oskar Lafontaine und Gregor Gysi hingegen beanspruchen die pazifistische Tradition für sich. Für Historiker Winkler allerdings ist es allzu weit hergeholt, sich dabei auf die 20er-Jahre berufen zu wollen:

    "In der heutigen Linken sind pazifistisch anmutende Parolen Ausdruck eines opportunistischen Modepazifismus. Man bedient damit Stimmungen. Eine solche politische Linie hat nichts zu tun mit dem moralischen Pathos der demokratischen Anhänger der USPD im Ersten Weltkrieg."

    Während der Weimarer Jahre bekämpfen sich Sozialdemokraten und Kommunisten und begünstigen damit den Aufstieg der Nationalsozialisten. "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!", skandieren die Kommunisten - dass ein Sozialdemokrat die Republik ausrief, wird ihnen bis zu den Tagen von Hitlers Machtübernahme angelastet. Die SPD-Führung hat die Revolution ans Bürgertum verkauft, lautet der Vorwurf. Clara Zetkin, frühere Sozialdemokratin, später prominente Frauenrechtlerin der KPD, 1932 in der konstituierenden Sitzung des Reichstages:

    "Der Weg zur Überwindung aller imperialistischen
    Kriegsgefahren ist einzig und allein die proletarische Revolution."

    Kommunisten wie Sozialdemokraten leiden nach 1933 gleichermaßen unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Das Lied der Moorsoldaten aus dem Konzentrationslager Börgermoor steht für den gemeinsamen Leidensweg. Nach dem Krieg sieht es zunächst danach aus, als könne die Spaltung der Arbeiterbewegung überwunden werden. Doch aus der Rückkehr zu einer einzigen demokratisch-sozialistischen Partei wird nichts - im Osten gerät die KPD in die völlige Abhängigkeit der Sowjetunion. Am 22. April 1946 werden SPD und KPD im Berliner Admiralspalast zwangsvereinigt ...

    "Mit dem heutigen Tage gibt es keine Sozialdemokraten und keine Kommunisten mehr. Mit dem heutigen Tag gibt es nur noch Sozialisten","

    verkündet Walter Ulbricht, der erst im April 45 aus dem Moskauer Exil zurückgekehrt war. Die Entstehung der Sozialistischen Einheitspartei wird mit dem symbolträchtigen Handschlag zwischen KPD-Gründungsmitglied Wilhelm Pieck und dem ehemaligen SPD- und USPD-Anhänger Otto Grotewohl besiegelt:

    Otto Grotewohl: "”Dreißig Jahre Bruderkampf finden in diesem Augenblick ihr Ende."

    Für viele Sozialdemokraten aber geht der Kampf weiter: Wer nicht wie Otto Grotewohl überläuft und sich der Vereinigung widersetzt, wird politisch verfolgt. In jener Zeit sind die Ursachen dafür zu suchen, warum sich viele Sozialdemokraten so schwertun, sich mit der Linkspartei auseinanderzusetzen. Wolfgang Thierse mahnt heute dennoch zu Pragmatismus:

    "Die SPD hat am meisten gelitten unter der KPD, unter der SED-Diktatur, unter der Spaltung. Das Verhältnis zu dieser anderen Partei ist eben nicht nur rational, sondern es ist durch Emotionen, durch geschichtliche Erinnerungen bestimmt. Ich hab doch zu dieser anderen Partei auch ein existenziell geprägtes Verhältnis. Und ich muss mich dazu zwingen zu sagen, ich verhalte mich aber trotzdem rational zu ihr."

    Doch auch in der Bundesrepublik wird das Verhältnis zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten von der deutschen Teilung geprägt. Mit dem Godesberger Programm von 1959 verabschiedet sich die SPD endgültig von sozialistischen Utopien. Das frühere KPD-Mitglied Herbert Wehner wird zum engagierten
    Bereiter dieser Kursbestimmung:

    "Ich halte das für so entscheidend, weil es dabei geht um etwas, was für die Sozialdemokraten auch in den Auseinandersetzungen mit anderen sozialistischen Richtungen immer so wesentlich war: die politische Macht zu erringen."

    In den 70er-Jahren gibt es allerdings auch innerhalb der SPD eine Renaissance marxistischer Ideen. Jungsozialisten vertreten die kommunistische Theorie vom Staatsmonopolkapitalismus:

    "Herr Benneter, Sie plädieren für Zusammenarbeit mit den Kommunisten. Sie fordern eine konsequente, sozialistische Politik der SPD, wollen Sie bestreiten ..."

    Der neu gewählte Juso-Vorsitzende Klaus-Uwe Benneter macht sich in zahlreichen Interviews für eine Zusammenarbeit mit der DKP stark - der damalige Bundesgeschäftsführer Egon Bahr droht Benneter mit Parteiausschluss und erinnert an einschlägige Beschlüsse der SPD-Spitze:

    "Es gilt insbesondere für die Ablehnung von jeglicher Zusammenarbeit oder Aktionseinheiten mit Kommunisten."

    Doch Benneter widersetzt sich dem Kooperationsverbot mit den Linken:

    "Ich werde weder zurücktreten, noch werde ich etwas zurücknehmen, und ich wäre dankbar, wenn vonseiten der Parteiführung auch mal in Richtung der Fritz-Erler-Gesellschaft hier mal klare Stellung bezogen würde mit Leuten, die also unverhohlen mit CDU/CSU zusammenarbeiten. Hier müssen wir immer nur feststellen, dass Herr Bahr die geradezu hofiert."

    Die SPD-Führung ist beunruhigt, eine mögliche Abspaltung von der Partei wird öffentlich diskutiert.

    Heribert Schwan: "Nun gibt es politische Beobachter, die meinen, Benneter und seine Freunde wollten eine neue Linkspartei. Ist da etwas dran?"

    Im Deutschlandfunk-Interview erklärt die heutige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ...

    "... dass ich alle Tendenzen, (...) eine unabhängige, sozialistische Parteien neben der SPD zu bilden, für außerordentlich gefährlich halten würde."
    "Benni Bürgerschreck" - wie der aufmüpfige Juso-Chef genannt wird - fliegt schließlich für einige Jahre aus der Partei. Der spätere SPD-Generalsekretär ist damit ein prominentes Opfer der sozialdemokratischen Nichtberührungsstrategie gegenüber den Kommunisten.

    "Was Benni angeht, ist das mein Freund, das ist nämlich unabhängig davon, ob jemand in einer Partei ist oder nicht ..."

    ... unterstreicht damals kein anderer als Gerhard Schröder, der den Juso-Vorsitz von Benneter übernimmt. Auch der spätere Parteichef und Kanzler hat in seinen jungen Jahren kaum Berührungsängste mit Kommunisten. Das zeigt sich 1983 auf dem Höhepunkt der Proteste gegen den Nachrüstungsbeschluss der NATO. Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder treten gemeinsam mit DKP-Funktionären auf. Deren Zentralorgan UZ triumphiert: Das Aktionseinheitsverbot von Sozialdemokraten und Kommunisten sei mit der sozialdemokratischen Hinwendung zur Friedensbewegung faktisch außer Kraft gesetzt.

    In den 90er-Jahren suchen Gerhard Schröder - als Kanzler - und Oskar Lafontaine - als Parteivorsitzender - im wiedervereinigten Deutschland einen pragmatischen Umgang mit der Linken. Mit ihrer Billigung kann Harald Ringstorff 1998 in Mecklenburg-Vorpommern die erste Koalition zwischen SPD und PDS bilden, vier Jahre zuvor war ihm das unter SPD-Chef Rudolf Scharping noch verwehrt geblieben. Als die DDR zusammenbricht, wissen die Sozialdemokraten nicht, wie sie mit den Kommunisten umgehen sollen. Heute wird von vielen das größte Versäumnis darin gesehen, dass die neu gegründete Ost-SPD reformbereite SED-Politiker ausgrenzte:

    "Der Grundfehler der SPD war im Dezember 1989, nicht die Türen zu öffnen für die linken Demokraten in der PDS. Ferner für die fünf Prozent Reformflügel, für einen Mann wie Lothar Bisky, das wär ein Signal gewesen. Oder für Berghofer. Das wär alles anders gelaufen ...","

    so der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer, selbst SPD-Mitglied. Ähnlich der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi:

    ""Hätten wir damals gesagt, es gibt einen großen Teil der Funktionseliten in der DDR, die man in die SPD integrieren kann, dann wäre das ganze Problem heute nicht."

    Auch Dohnanyi ist davon überzeugt: Die Tatsache, dass Politiker wie der frühere Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer nicht integriert wurden, ermöglichte erst das Überleben einer SED-Nachfolgepartei.

    "Ich halte dieses Argument für einen Ausflug rückwärts gewandten Wunschdenkens","

    kontert Historiker Heinrich-August Winkler. Nach seiner Überzeugung wäre die SPD im Osten mit Aufnahme von SED-Politikern eine andere Partei geworden:

    ""... wäre in der Tat nach links gerückt und politisch bündnisunfähig geworden in der Bundesrepublik. Eine Reform des Sozialstaates, die ja schon damals überfällig war, hätte nie eingeleitet werden können ..."

    Auch Wolfgang Thierse glaubt nicht, dass sich die ostdeutschen Sozialdemokraten den Erfolg der PDS selbst zuzuschreiben hätten:

    "Die damalige Entscheidung war - damit bin ich zum Vorsitzenden der Ost-SPD gewählt worden -: Wir nehmen die auf, von denen wir wissen, dass sie zu DDR-Zeiten niemals Macht über Menschen missbraucht haben. Das ist nicht passiert ausreichend, vielleicht waren wir auch zu engherzig, aber ich will noch an etwas anderes erinnern: Mit großem Mut haben da einige wenige den Allmachtsanspruch der SED bestritten und gegen sie eine sozialdemokratische Partei gegründet. Das hat CDU und CSU nicht daran gehindert, diese mutige Neugründung der SPD zu überziehen mit dem Kommunistenverdacht: SPDS. CDU und CSU haben zur gleichen Zeit gleich zwei lammfromme SED-hörige Blockparteien übernommen. Dieses Verhalten ist an Unanständigkeit nicht zu überbieten. Von der CDU/CSU lasse ich mich in Sachen politischer Moral und Glaubwürdigkeit nicht eine Sekunde belehren. Seit 1990 versucht die CDU/CSU, uns mit Roten-Socken-Kampagnen in die Ecke zu drängen. Wir sollten dem nicht mehr nachgeben."

    Thierse begrüßt den Kurswechsel von SPD-Chef Kurt Beck. Dessen Kalkül, die Linkspartei im Westen durch Ausgrenzung aus den Parlamenten zu halten, ist nicht aufgegangen. Diese Strategie war ebenso ein Fehler wie der Versuch der SPD-Führung, noch Mitte der 90er-Jahre ihren Ministerpräsidenten Höppner oder Ringstorff Koalitionen mit der PDS verbieten zu wollen.

    Der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer hält ebenso wie Thierse einen pragmatischen Umgang mit den Linken für unumgänglich:

    "In Ostdeutschland stellte sich ja heraus, dass die PDS, nachdem sie eine ganze Zeit lang in den ersten Jahren eigentlich politisch nicht relevant war, in den Landtagswahlen 94 und dann eine Position bekam, die sie unübersehbar machte im politischen Geschäft. Die Leute, die die Sache nicht dogmatisch betrachtet haben, wie Ringstorff, wie Höppner und - wie jetzt auch - Wowereit, haben ganz andere Erfahrungen gemacht. Sie haben nicht eine ideologische Barriere aufgestellt, sondern haben gesagt: Was haben die eigentlich für Projekte, was haben die vor, was sind die Vorschläge? Das verschafft einen Vorteil."

    Ein Vorteil, den insbesondere westdeutsche Sozialdemokraten nicht erkennen wollen. Für Klaus von Dohnanyi war es immer falsch, sich auf Bündnisse mit den Postkommunisten einzulassen. Bis heute hält er seiner Partei vor, sich nie offen und scharf mit deren Inhalten auseinandergesetzt zu haben:

    "Die PDS hat auf eine Weise sozusagen das alte Programm zwischen SED und, sag ich mal, SPD vor Godesberg, also vor den großen Reformentscheidungen, wiederholt, dass man ihr hätte ganz klar und hart entgegentreten müssen."

    Die Öffnung der SPD gegenüber der Linkspartei auf Landesebene hält er für einen schweren strategischen Fehler. Dass das gemeinsame Berufen auf einen demokratischen Sozialismus die Linke wieder einen könnte, glaubt Dohnanyi ebenso wenig wie der Politikwissenschaftler Neugebauer:

    "Der demokratische Sozialismus als Identitätsmerkmal für die alte PDS wird dermaßen nebulös formuliert, dass man sich
    darunter alles mögliche vorstellen kann. Und wenn man überhaupt etwas konkret definieren will, ist es immer Alternative zum Kapitalismus. Demokratischer Sozialismus im Konzept der SPD hat eine andere Vorstellung. Das geht auf die sozialdemokratischen Grundwerte ein: auf Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Aber es leitet daraus nicht eine politische Praxis ab. Die politische Praxis ist die der sozialen Demokratie."

    Doch ob Deutschlands Linke wieder zusammenfinden oder ob sich die Linkspartei wirklich auf Dauer neben der SPD etablieren wird, entscheidet sich seiner Ansicht nach nicht an solchen ideologischen Fragen. Es wird darum gehen, ob es Kurt Beck wirklich gelingen kann, seine Partei als linke Volkspartei zu festigen - und dafür - so Neugebauer - wird er weiter daran arbeiten, die Reformpolitik Gerhard Schröders, die zum Entstehen der Linkspartei geführt hat, zumindest in Teilen zu korrigieren:

    "Er möchte versuchen, die Wähler, die der SPD verloren gegangen sind und die zum größten Teil im Nichtwähler-Lager, zum Teil bei der Linken gelandet sind, wieder zurückbekommen. Und wenn er das nicht unmittelbar schafft, dann vielleicht
    dadurch, dass er sagt: Ich könnte mir vorstellen, dass wir auch mit der Linken kooperieren. Weil dann gibt es wieder einen Anreiz für Wähler zu sagen: Na gut, dann kann ich auch wieder SPD wählen."

    Solange die Sozialdemokraten nicht überzeugend vermitteln können, dass sie es sind, die für eine sozial gerechte Politik stehen, wird es wohl bei den gemeinsamen Liedern und Traditionen bleiben, die die Linke in Deutschland verbinden. Dass man irgendwann allerdings wieder zueinanderfinden könnte, diesen Traum haben auch Sozialdemokraten wie Wolfgang Thierse noch nicht ausgeträumt:

    "Wir müssen Ängste und Nöte von Menschen ernst nehmen, dann werden diejenigen, die solche Ängste und Nöte haben, sie nicht mehr zur Linkspartei tragen, sondern sie werden sich bei uns besser aufgehoben wissen."