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Wächter über die Chemiewaffen

Wird Syrien der Chemiewaffen-Konvention der UNO beitreten, wird vor allem eine Institution viel zu tun bekommen: die Organisation zum Verbot Chemischer Waffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag. Sie kontrolliert die Einhaltung des Abkommens auf der ganzen Welt.

Von Ludger Kazmierczak | 16.09.2013
    Zentrale der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen, Den Haag
    Zentrale der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen, Den Haag (picture alliance / dpa / Evert-Jan Daniels)
    Unauffällig, im Schatten zweier Hoteltürme am Stadtrand von Den Haag, steht die Zentrale der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen. Der Verkehrslärm auf der viel befahrenen Johan-de-Wit-Laan verstummt, sobald der Besucher die Drehtür des halbrunden Gebäudes passiert. Drinnen ist es still - auffallend still, wenn man bedenkt, dass hier 500 Mitarbeiter tätig sind. Michael Luhan, der Sprecher der Organisation:

    "Etwa die Hälfte unserer Mitarbeiter ist damit beschäftigt, die Einhaltung des Chemiewaffenverbots zu überwachen. Das ist die Hauptaufgabe hier in der Zentrale, und das bedingt natürlich Inspektionen vor Ort."

    Gemäß der vor 16 Jahren in Kraft getretenen Konvention wachen die Inspektoren darüber, dass in den Unterzeichnerstaaten keine neuen Waffen hergestellt und alle noch vorhandenen vernichtet werden. Die Länder müssen daher ihr C-Waffenbestände offenlegen und Kontrollen zulassen.

    "Sobald ein Land bereit ist, mit der Zerstörung seiner Waffen zu beginnen, beobachten unsere Mitarbeiter dort alle Aktivitäten - 24 Stunden am Tag. Jede Minute sind sie dabei, wenn wieder zehn Kilogramm Nervengas oder unzählige Mengen an Munition vernichtet werden - solange bis die Arbeit zu Ende gebracht ist."

    Rund drei Viertel aller registrierten Chemiewaffen, so Luhan, seien auf diese Weise in den vergangenen Jahren beseitigt worden. Im Foyer des OPCW-Gebäudes stehen dicht gedrängt die Fahnen der 189 Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben. Zwischen denen von Georgien und Ghana leuchtet schwarz-rot-gold die deutsche. Die Flagge Syriens sucht man hier vergeblich. Noch gehört die arabische Republik zu den sieben Ländern, die ihre Unterschrift unter den Vertrag verweigert haben.

    "Obwohl wir in Syrien kein Mandat haben, erhalten wir natürlich trotzdem Informationen über Chemiewaffenprogramme im Land. Und es handelt sich offenbar um ein großes Arsenal an Waffen, das dort lagert. Es umfasst Vorräte an extrem giftigen VX-Kampfstoffen, Nervengasen und Senfgas, das - wenn man so will - das konventionellste aller chemischen Waffen ist."

    Das syrische Chemiewaffenprogramm wurde bereits in den 1970er-Jahren mithilfe der Sowjetunion entwickelt, um das Nachbarland Israel abzuschrecken - ein Land, das die Konvention ebenfalls nicht ratifiziert hat - genau so wie Nordkorea. Für die Experten in Den Haag war Syrien daher bislang eine "Forbidden Area". Das wird sich ändern, wenn Damaskus Wort hält und die Chemiewaffenkonvention ratifiziert. Und dann wird es für geraume Zeit vermutlich noch ruhiger und leerer werden in dem halbrunden Gebäude in der Johan-de-Wit-Laan am Stadtrand von Den Haag.