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Wärmer gleich blauer

Ozeanographie. – Die Basis der Nahrungsnetze in den Meeren sind mikroskopisch kleine Algen, das Phytoplankton. Sie geben dem an sich blauen Ozeanwasser einen Grünstich. US-Forscher messen mit einem Satelliten aufgrund dieses Grünstichs die Algenkonzentration im Oberflächenwasser der Weltmeere. Offenbar verringert sie sich aufgrund der allgemeinen Erwärmung. In der aktuellen "Nature" berichten die Forscher über ihre Messungen.

Von Volker Mrasek | 07.12.2006
    Michael Behrenfeld kann sich noch immer für das Messgerät begeistern, das ihn seit Jahren mit Daten über den Ozean versorgt. Es ist ein optischer Sensor, und der steckt nicht auf einer Boje im Meer oder auf einem Forschungsschiff. Nein, er befindet sich mehr als 700 Kilometer über der Wasseroberfläche, an Bord des Erdbeobachtungssatelliten "Seastar". Aus dieser entrückten Höhe erfasst das Instrument selbst winzige einzellige Algen im Wasser, bekannt auch als pflanzliches Meeres- oder Phytoplankton. Behrenfeld:

    "Die Konzentration dieser Einzeller im Meerwasser ist enorm. In einem Liter können Millionen von ihnen vorkommen. Stellen Sie sich klares Meerwasser vor: Es hat eine tiefblaue Farbe. Entwickeln sich darin aber mehr und mehr pflanzliche Algen, dann wird es immer grüner. Und das ist es, was dieser optische Satellitensensor tut: Er misst im Prinzip den Grünstich des Meeres. Und das sagt uns etwas über die Algendichte in den Ozeanen."

    Behrenfeld ist Professor für Meeresbotanik an der Staatsuniversität von Oregon in den USA. Er interessiert sich für die marinen Grünalgen, weil sie so etwas wie das Grundnahrungsmittel der Weltmeere sind. Und das könnte sich verknappen, wenn die Klimaerwärmung stärker durchschlägt und die Oberflächentemperatur der Ozeane weiter steigt. Behrenfeld:

    "Als Pflanzen brauchen Meeresalgen Licht, um Photosynthese betreiben zu können. Deswegen leben sie in den oberen Wasserschichten. Sie brauchen aber auch Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Eisen. Die stecken jedoch in tieferen Schichten und gelangen nur nach oben, wenn das Meer kräftig durchmischt wird. Genau das ist bei einer Erwärmung der Meeresoberfläche nicht mehr gewährleistet. Denn warmes Wasser dehnt sich aus, seine Dichte nimmt ab, und es hat dann nicht mehr die Neigung, abzusinken. Das warme Oberflächenwasser liegt dann praktisch auf dem kalten, nährstoffreichen Tiefenwasser."

    Das wärmere Meer wird nicht mehr richtig durchmischt, die Grünalgen darben, weil der Nachschub an Nährstoffen schwindet, und ihre Bestände gehen zurück. Die Satelliten-Messdaten liefern jetzt Indizien dafür, dass Planktondichte und Meeresoberflächentemperatur wirklich eng zusammenhängen. Behrenfeld:

    "Von 1997 bis 1999 ist die Produktivität des Meeres in tiefen und mittleren Breiten zunächst gestiegen. Das hatte mit Ei Nino zu tun, einer starken Erwärmung des tropischen Pazifik. Sie klang damals aus, und das Klima kühlte sich allgemein ab. Nach 1999 setzte dann wieder ein Erwärmungstrend ein, und die Algen-Biomasse im Meer nahm nach und nach ab. Die Zusammenhänge sind eindeutig."

    EI Nino ist ein natürliches Klimaphänomen. Es tritt episodisch auf, alle drei bis acht Jahre. Davon unabhängig erwärmt sich das Klima der Erde gegenwärtig, weil der Mensch weiter fleißig Öl, Kohle und Gas verbrennt und so immer mehr Treibhausgase in der Atmosphäre ablädt. Doch wie Michael Behrenfeld sagt, spielt es keine Rolle, wodurch die Oberflächentemperatur des Meeres ansteigt - ob nun durch den Einfluss der Natur oder des Menschen. Der Effekt sei in beiden Fällen derselbe: weniger Grünalgen und weniger Photosynthese im Ozean. Behrenfeld:

    "Von der pflanzlichen Plankton-Menge sind letzten Endes auch die Fischbestände im Meer abhängig. Das kann man sehr gut während eines El Ninos sehen. In stark erwärmten Meereszonen bricht dann sogar die Fischerei zusammen."

    Noch kann allerdings niemand sagen, wie sich die Meeresökosysteme unter dem Einfluss der Klimaerwärmung konkret verändern werden. Wie schnell und wie gut sie sich an die veränderten Umweltbedingungen anpassen, Klar ist aber-. Wenn sich die Grünalgen-Teppiche tatsächlich weiter lichten, dann nehmen sie auch weniger Kohlendioxid auf', das heißt: Es verbleibt mehr davon in der Atmosphäre auf. Das wird den Treibhauseffekt weiter forcieren.