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Waffen in Wohnungen: "Die Frage ist, wer kontrolliert das?"

Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, hält die geplanten verdachtsunabhängigen Durchsuchungen der Wohnungen von Waffenbesitzern für rechtlich problematisch. Das Personal reiche schon jetzt nicht aus, warnt Freiberg.

Konrad Freiberg im Gespräch mit Stefan Heinlein | 13.05.2009
    Stefan Heinlein: Der Amoklauf von Winnenden – vor fast exakt zwei Monaten erschoss Tim K. 15 Menschen und anschließend sich selbst. Das genaue Motiv des 17-jährigen Schülers liegt bis heute im Dunkeln. Klar ist dagegen: Die Waffe und die Munition stammen aus dem eigenen Elternhaus. "Winnenden darf sich nicht wiederholen", so die klare Forderung aller Parteien im Anschluss an das Blutbad. Nun sollen den Worten Taten folgen. Noch vor der Sommerpause will die Koalition im Eilverfahren das Waffenrecht verändern.
    Am Telefon ist nun der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg. Guten Tag, Herr Freiberg.

    Konrad Freiberg: Schönen guten Tag, Herr Heinlein.

    Heinlein: Ein Kniefall vor der Waffenlobby – teilen Sie diese Meinung Ihrer Kripo-Kollegen?

    Freiberg: Also so einfach würde ich das nicht ausdrücken. Es ist ein ungeheuer schwieriges Thema, was natürlich auch emotionsbehaftet ist, zurecht, ganz ausdrücklich, und nach jeder Tragödie, die wir erleben (ob das nun Erfurt ist, oder ob es Winnenden ist), muss man natürlich nachdenken: Gibt es Möglichkeiten, Waffenmissbrauch einzugrenzen? Und wir sind schon bescheiden geworden, weil die Interessenlagen sind wirklich völlig unterschiedlich, auf kleine Fortschritte angewiesen, und ich glaube, einen kleinen Fortschritt haben wir zu verzeichnen.

    Heinlein: Sind Sie mit diesem kleinen Fortschritt denn zufrieden, oder hätten Sie sich mehr gewünscht?

    Freiberg: Ich würde mir schon wünschen, dass man insgesamt in unserer Gesellschaft eine Diskussion führt, wie viele Waffen jemand haben muss, der auch einen Schießsport hat. Das ist schon ganz vernünftig. Natürlich auch die Frage "großkalibrige Waffen?" muss gestellt werden. Aber ich bin erst mal schon zufrieden, dass wir ein bundeseinheitliches Waffenregister bekommen, und von dorther muss man auch mit kleinen Fortschritten sicherlich dann auch als Gewerkschaft irgendwo erfreut sein.

    Heinlein: Noch einmal die Frage: Was hätten Sie sich denn mehr gewünscht, um Massaker, um Amokläufe künftig besser verhindern zu können?

    Freiberg: Der Schlüssel liegt natürlich in der Aufbewahrung, ganz eindeutig, und wir wissen alle, wie schwierig das ist, rechtliche Regelungen zu treffen, wie man sozusagen Waffenbesitzer kontrollieren kann. Es ist aber auch ganz deutlich zu sagen: Es liegt der Schlüssel nicht alleine im Waffenrecht, sondern der Schlüssel liegt in menschlichen Tragödien, liegt im Miteinander, in der Aufsicht des Miteinanders und zu viel Gewalt insgesamt in unserer Gesellschaft, ob man nun Killerspiele nimmt, alles was dazugehört, dass man Jugendliche zu sehr alleine lässt. Es liegt nicht nur der Schlüssel im Waffengesetz.

    Heinlein: Was halten Sie denn von den geplanten verdachtsunabhängigen Kontrollen der Waffenbesitzer? Dies ist ja vorgesehen, diese Stichproben.

    Freiberg: Natürlich ist es heute auch schon zulässig. Wenn Hinweise darauf vorliegen, dass jemand sozusagen die Waffen nicht ordnungsgemäß aufbewahrt, dann sind die Waffenrechtsbehörden auch heute schon befugt, dort Kontrollen durchzuführen. Alleine nur, ohne einen Verdacht auf Missbrauch zu haben, verdachtsunabhängige, da haben wir verfassungsrechtliche Bedenken, ganz ausdrücklich, und ich glaube auch, dass wir Recht bekommen werden. Das ist nicht zulässig. Es kann nicht vor diesen Haushalten sozusagen eine Waffenrechtsbehörde, ein Beamter stehen, der dann reingeht, und wenn man irgendwo eine Befugnis hat, muss man ja dieses auch mit Gewalt tun können. Das ist, glaube ich, nicht zulässig und deswegen darf man da nicht zu große Hoffnungen erwecken. Das wird nicht möglich sein.

    Heinlein: Sind Sie oder die Ordnungsämter personell überhaupt in der Lage, diese Kontrollen durchzuführen?

    Freiberg: Das ist nämlich genau die entscheidende Frage. Wir haben viele, viele tolle Regelungen in unseren Gesetzen, aber die Frage ist, wer kontrolliert das. Und wenn Sie sich das mal anschauen, die Waffenrechtsbehörden, da sitzen in einer Stadt ein, zwei Angestellte und die können das gar nicht kontrollieren, ganz ausdrücklich nicht. Man hat überall das Personal ausgedünnt. Wir wären schon froh, wenn heute die Waffenrechtsbehörden bei den Leuten, die wirklich neue Waffen beantragen, einen Waffenrechtsschein beantragen, kontrollieren würden, wie die die Schränke haben, wo die sind, in den Wohnungen. Das wäre schon ein großer Fortschritt. Auch das passiert natürlich nur in unzureichendem Maße.

    Heinlein: Herr Freiberg, "Paintball", dieses martialische Spiel mit Farbkugeln, das soll ja künftig verboten werden. Das ist allerdings ein Spiel mit nicht-scharfer Munition. Ist das nicht ein wenig schizophren, dass dieses Spiel verboten werden soll, aber die Schützen mit ihren 20 Millionen Waffen künftig weiter ballern dürfen?

    Freiberg: Diese Auffassung kann man durchaus teilen. Man kann sagen, dass das eine Sportart ist, sich mit Farbkugeln zu beschießen, dass das wenig hilfreich ist im Leben, und man kann das auch ablehnen. Aber einen Zusammenhang direkt zu sehen mit Fällen wie Winnenden oder Erfurt, ich glaube, das halte ich für an den Haaren herbeigezogen. Das ist sicherlich nicht das größere Problem der inneren Sicherheit, was wir haben. Man kann es machen, gerne, weil ich halte natürlich auch nichts davon, aber ob man dadurch ein Ziel erreicht, nämlich weniger Gewalt, weniger Waffen in unserem Lande, das glaube ich nicht.

    Heinlein: Also doch Kosmetik und Symbolpolitik, was Ihre Kripo-Kollegen beklagen?

    Freiberg: Dieser Teil ist sicherlich nicht der Teil, den man im Zusammenhang mit Winnenden nennen sollte. Ich kannte das Problem vorher gar nicht, keine Diskussion über ein Verbot von "Paintball". Das ist mir neu und wie dies in der Politik auf einmal nach außen geäußert wurde, da war ich natürlich auch überrascht.

    Heinlein: Können Sie uns zum Schluss noch erklären, warum großkalibrige Waffen gefährlicher sind als Waffen mit kleinem Kaliber?

    Freiberg: Natürlich sind großkalibrige Waffen Waffen, die natürlich martialisch aussehen, die gerade von vielen derartigen Leuten, die gefährdet sind, gerne dabei gesehen werden. Ansonsten sind natürlich auch kleinkalibrige Waffen tödlich. Den Unterschied sollte man nicht machen. Aber man muss ja in einer Gesellschaft überlegen, was kann man reduzieren, die Zahl der Waffen, die Art der Waffen, und dann, glaube ich, halte ich jede Diskussion für vernünftig.

    Heinlein: Sollten diese großkalibrigen Waffen, die ja gefährlicher sind als andere, Ihrer Meinung nach verboten werden?

    Freiberg: Ich halte die Diskussion auf jeden Fall für richtig. Ich kann hier nicht sagen, welche Sportart damit betrieben werden soll, und wenn es keine Sportart gibt, wo dieses gebraucht wird, dann sollte man diese Waffen dann auch tatsächlich unter Verbot stellen.

    Heinlein: Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei, heute Mittag im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Freiberg: Ich bedanke mich, Herr Heinlein. Schönen Dank!